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Politik EU

Regierung erwartet geringere Kürzung der Zweiten Säule

am Dienstag, 11.06.2013 - 07:20 (Jetzt kommentieren)

Brüssel/Berlin/Mainz - Wie hoch fällt die Kürzung der EU-Mittel für die ländliche Entwicklung aus? Dazu haben die EU-Kommission und das Bundeslandwirtschaftsministerium verschiedene Zahlen.

Wie hoch die Kürzung der EU-Mittel für die ländliche Entwicklung in Deutschland tatsächlich ausfallen wird, ist offenbar Ansichtssache. Das Bundeslandwirtschaftsministerium und die EU-Kommission kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
 
Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium mitteilte, rechnet man in Berlin für die Haushaltsperiode 2014 bis 2020 mit etwa 9,5 Prozent weniger Geld, als es von 2007 bis 2013 zur Verfügung stand.
 
Das Ministerium legt dabei eine Inflationsrate von jährlich zwei Prozent an und kommt so auf eine Gesamtsumme von 8,2 Milliarden Euro für die Zweite Säule der EU-Agrarpolitik in laufenden Preisen. Daneben wurde bestätigt, dass die genauen Zahlen derzeit überarbeitet würden.

7,3 Milliarden Euro für Deutschland

Die Europäische Kommission hatte zuvor einen Betrag von lediglich 7,3 Milliarden Euro für Deutschland genannt - allerdings in konstanten Preisen von 2011, also mit der damaligen Kaufkraft. Angaben in laufenden Preisen machte die Kommission bislang nicht.
 
Wie aus Zahlen der Behörde hervorgeht, wurden den Mitgliedstaaten während der Förderperiode 2007 bis 2013 für die ländliche Entwicklung 96,2 Milliarden Euro in laufenden Preisen bereitgestellt. Davon standen für Deutschland 9,4 Prozent oder etwa 9,1 Milliarden Euro zur Verfügung. In konstanten Preisen von 2011 beliefen sich die den Mitgliedstaaten zugewiesenen Gesamtmittel laut Kommission auf 95,5 Milliarden Euro.
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Kritik von den Grünen sowie Öko-Organisationen

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, der Anbauverband Bioland und der Umweltschutzverband BUND reagierten mit Kritik auf die Kürzungen der Gelder für die ländliche Entwicklung und forderten eine Mittelumschichtung aus der Ersten in die Zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) befürchtet "katastrophale Folgen für den Ökolandbau und die gesamte Ausrichtung der zukünftigen EU-Landwirtschaftspolitik".
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Gegen die Verbraucherwünsche

Die Sprecherin für ländliche Entwicklung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Cornelia Behm, kritisierte, Merkel habe die Zweite Säule zur Kürzung freigegeben. "Im Gegensatz zu 16 anderen Mitgliedstaaten hat sie es auch nicht für nötig befunden, Deutschland zusätzliche Mittelzuweisungen zu sichern. Nun liegt die Quittung auf dem Tisch", so Behm.
 
Wenn die Ziele der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategien der Bundesregierung erreicht werden sollten, müssten unbedingt Mittel aus der Ersten in die Zweite Säule verlagert werden, und zwar die vollen 15 Prozent. Nur so kann nach Ansicht der Grünen-Politikerin den Wünschen der Verbraucher nach mehr ökologischen Produkten, nach mehr Tier- und Umweltschutz in der Landwirtschaft nachgekommen werden.

Gefahr eines Desasters für Biohöfe

Auch Bioland-Präsident Jan Plagge forderte Bund und Länder dazu auf, die Mittel für die ländliche Entwicklung zu sichern, indem sie 15 Prozent der Direktzahlungen in Agrarumweltprogramme umschichteten. Anderenfalls ende die Agrarreform für Biobetriebe und viele andere Höfe, die sich für den Umwelt- und Naturschutz engagierten, in einem Desaster. Die sich jetzt konkretisierenden Verhandlungsergebnisse überträfen "die schlimmsten Befürchtungen von Biolandwirten". Es zeichne sich eine massive Schwächung der ländlichen Entwicklung in Deutschland ab.
 
Auch BUND-Vorsitzender Hubert Weiger stellte fest, Deutschland müsse durch die Mittelumschichtung von den Direktzahlungen in die Umweltprogramme die Kürzungen in der ländlichen Entwicklung vollständig auffangen. Andernfalls verlören die heimischen Ökosysteme vielerorts ihre Stabilität und Funktionsfähigkeit.

Sorge um Akzeptanz für GAP

Der BÖLW betonte, dass die Zweite Säule jetzt wohl massiv beschnitten werde, sei das Gegenteil von dem, was Fachleute und die Bundesregierung wollten. Experten seien sich einig, dass mit den Geldern der Agrarpolitik Landwirte für solche Leistungen entlohnt werden müssten, die sie für die Gesellschaft erbrächten, die ihnen vom Markt aber nicht bezahlt würden. Auch die Bundesregierung sehe das so, erklärte BÖLW-Vorsitzender Felix Prinz zu Löwenstein. Sonst hätte sie nicht versprochen, künftig das Prinzip "öffentliches Geld für öffentliche Leistungen" anzuwenden.
 
Wenn durch die Kürzung der EU-Mittel für die ländliche Entwicklung die Möglichkeit verbaut werde, die Ausweitung des Ökolandbaus zu fördern, werde nicht nur die Chance verpasst, die Landwirtschaft umweltgerecht umzugestalten; die Politik verspiele auch die Akzeptanz der europäischen Steuerzahler, Geld in die Landwirtschaft zu investieren.

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