Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Ernährung und Gesundheit

Regionalität überholte Qualitäts- und Bio-Nachweise

am Donnerstag, 14.01.2010 - 14:23 (Jetzt kommentieren)

Die gesellschaftlichen Veränderungen wie der Umgang mit der eigenen Gesundheit oder die technologischen Innovationen wie Gentechnologie verändern gegenwärtig entscheidend das Verständnis von Lebensmittelkonsum.

Um die neuen Bedürfnisse der Konsumenten zu berücksichtigen, müssen landwirtschaftliche Produzenten und Vermarkter in Zukunft verstärkt auf Regionalität setzen.

Qualität und Bio allein schaffen keine Aufmerksamkeit und Abgrenzungsmöglichkeiten mehr. Mit steigender Komplexität des Lebens und einer intensiven Mobilität der Menschen beginnt derzeit wieder stärker die Suche nach Sinn, Erdung und Wahrhaftigkeit. Es entsteht eine neue Sehnsucht nach regionaler Verankerung und ein intensives Verlangen, sich mit (s)einer Region identifizieren zu können.

Gespür für Konsumenten-Bedürfnisse entwickeln

Dieses starke Bedürfnis darf nicht mit einer Anti-Haltung gegenüber der Konsumwelt oder der Globalisierung verwechselt werden. In einer globalisierten Welt häufen sich die Situationen, in denen Sesshaftigkeit und Ankommen als etwas Flüchtiges und Temporäres empfunden werden. Umso wichtiger wird es in Zukunft sein, ein Gespür für die wirklichen Interessen und Bedürfnisse der Konsumenten zu entwickeln, um ihnen ihren intensiven Wunsch nach einem ausbalancierten Verhältnis zwischen Ich, Mitwelt und Umwelt sowie Unterwegs- und Angekommensein zu erfüllen.

Regionale Trumpfkarte ausspielen

Moderne Landwirtschaftsunternehmen sollten daher ihre regionale Trumpfkarte als Erzeuger vor Ort ausspielen. Dies gelang ihnen in 2009 nicht immer. Zu häufig wurde eher in einen "Nostalgiewahn" verfallen, ohne die zeitgemäßen Werte eines landwirtschaftlichen Erzeugers darzustellen. Tradition und Moderne schließen sich heute immer weniger aus. Ein anschauliches Beispiel für ein regionales Produkt mit moderner Ausgestaltung ist der Apfelwein. Heinz Schenk und der Blaue Bock werden ohne übertriebene Nostalgie in Ehre gehalten. Die Pro-duktpalette reicht vom traditionellen Getränk von süß oder sauer gespritzt bis zur Verarbeitung in Torten oder Eis. Der Bio-Apfelwein aus der Kelterei zum Anfassen bis hin zur Äppler-Cola  im sündigen Design für die Partygemeinde der Nacht zeigen die modernen und zugleich traditionellen Vermarktungskonzepte.

Ergänzend durch Merchandising-Produkte wie dem legendären Bembel oder dem trendigen T-Shirt, welche der Stadt Frankfurt mehr internationale Aufmerksamkeit bringen als der Fußballverein Eintracht Frankfurt.

Darauf sollten Erzeuger achten, wenn Sie den Trend Regionalität weiterentwickeln wollen:

  • Die traditionellen Wertevorstellungen der Konsumenten erfordern mehr denn je eine moderne und authentische Ansprache. Kompetenz und das Gefühl, bei Freunden einzukaufen, wird in der Zukunft zum entscheidenden Faktor.
  • Die Konsumenten wollen noch stärker wissen, woher die Produkte kommen, welche Menschen und Organisationen dahinter stehen, wer daran verdient, wie sie hergestellt werden.
  • Der Konsument wird zum Pro-Sument, er ist Produzent und Konsument zugleich. Beim Selbsternten von Erdbeeren oder Suchen von Eiern übernehmen Konsumenten heute freudig einen Teil der Produktion.
  • Der Wiedererkennungseffekt ("Das hatten wir früher auch ...") ist bei den Konsumenten ein unschlagbares Argument.
  • Bio alleine schafft keine Aufmerksamkeit mehr. Mittelfristig wird der Regionalaspekt den simplen Bio-Nachweis überflügeln. Die Kombination "Bio-regional" könnte das neue Dream-Team werden.
  • Immer mehr Konsumenten legen Wert auf Produkte, denen nicht der Faktor Klimakiller anhaftet, sondern die in ihrer direkten Umgebung produziert wurden - womöglich noch eine regionale Spezialität und Besonderheit sind.

Renaissance der Regionalität

Global und lokal müssen keine Gegensätze sein, sondern können sich sinnvoll ergänzen. Selbst internationale Lebensmittelkonzerne präsentieren sich als regionalverbundenes Unternehmen mit einem starken und globalen Konzernverbund im Rücken. Regionalität erfährt - verstärkt durch die internationalen Krisen und Skandale - eine Renaissance. Aus der Modewelt ist bekannt, dass alles wieder kommt - nur eben ein wenig anders. Selbst das Hirschgeweih und die Kuckucksuhr kehren zurück in die Wohnzimmer - aber bitte in einem modernen Outfit. Regionalität hat ebenfalls ein neues Gesicht bekommen. Moderne Regionalität spiegelt die Sehnsucht nach Geborgenheit und Orientierung ohne Nostalgiewahn wider. Gesucht werden Erzeuger und Vermarkter mit Tradition, Historie und Tiefgang verbunden mit modernem Management und Marketing.

{BILD:114906:jpg}Axel Liebetrau
Partner im Zukunftsinstitut in Kelkheim und Wien
www.zukunftsinstitut.de

 

 

 

 

  • Ausblick: So wird 2010Lesen Sie auch unseren Ausblick, in dem über ein Dutzend Experten aus allen Bereichen der Landwirtschaft versuchen wird, einen Blick in die Zukunft zu werfen und eine Prognose zum kommenden Jahr zu wagen. mehr...
  • Dossier: Agrarmarkt Report 2010
    Weitere Informationen finden Sie im aktuellen AMI Agrarmarkt-Report 2010, der die wichtigen Entwicklungen 2009 beschreibt und einen Ausblick auf das kommende Jahr gibt. mehr...

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...