Griass eich!
In meinem letzten Beitrag drehte sich alles um Finnland und dessen Kultur. Diesmal möchte ich von einer sehr spannende Form der Tierhaltung erzählen, die ich mir dort ansehen durfte und die es so bei uns in dieser Form nicht gibt: die Rentierhaltung.
Rund ein Drittel der Landesfläche Finnlands gilt als Region, in der Rentiere gehalten werden dürfen. Die Rentierhaltung ist vor allem in Lappland wirtschaftlich sehr bedeutend, nicht nur zur Lebensmittelerzeugung, sondern auch in touristischer Hinsicht.
Rentiere in Finnland leben frei

Wir durften uns eine Rentierfarm in der Region Kainuu ansehen und erfahren, wie Rentierhaltung hier betrieben wird. Die traditionelle Rentierhaltung hat eine Besonderheit: Die Tiere dürfen frei draußen leben und suchen sich ihre Nahrung selbst.
Manche Rentierherden leben nur im Sommer wild und werden für die Winterzeit in einer eingezäunten Fläche gehalten, wo sie zugefüttert werden können und sicher vor Beutegreifern sind.
Andere wiederum leben das ganze Jahr frei in der Wildnis Finnlands. Dabei dürfen die Rentiere überall weiden, unabhängig davon, wem ein Grundstück gehört. Allerdings hat jedes Rentier einen Besitzer. Damit dieser seine Tiere von den anderen Rentieren unterscheiden kann, bekommen die Jungtiere im Frühjahr nach der Kalbezeit das Zeichen des Besitzers ins Fell geschnitten.
Rund ums Jahr mit Rentieren
Im Jahr gibt es mehrere wichtige Ereignisse für die Rentierfarmer: Im Frühjahr kommen die Jungtiere zur Welt. Diese müssen natürlich gekennzeichnet werden, was vor allem bei ganzjährig frei lebenden Herden sehr aufwändig sein kann. In der Sommerzeit sind Rentiere frei in den Weiten des Nordens unterwegs und müssen natürlich regelmäßig kontrolliert werden.
Um die Rentiere wiederzufinden, wird mit GPS-Halsbändern gearbeitet. Es gibt keine Zäune oder Begrenzungen wie auf Almen, um die einzelnen Herden voneinander zu trennen, deshalb finden ständig Durchmischungen statt.
Poroerotus - das große Rentiertreiben
Ab September startet die Paarungszeit, in der die männlichen Rentiere um die Weibchen kämpfen und sich „ihre“ Kühe zusammenscharen. Dann startet auch das „poroerotus“, in der die Herden zusammengetrieben werden und die Züchter ihre Rentiere aus der großen Herde separieren. Anschließend wird auch selektiert, welche Jungtiere zur Zucht behalten werden und welche geschlachtet werden.
Für dieses Verfahren treffen sich alle Züchter der Region und helfen zusammen. Leben die Tiere im Winter in einem Gatter, werden sie anschließend dorthin gebracht und verbleiben dort bis zum Frühling.
Rentiere: nicht flauschig, sondern borstig
Auch speziell ist das Winterfutter der Rentiere. Ihr Magen ist anders als ein Rindermagen, weshalb sie nicht zu viel Heu oder Silage fressen dürfen. Denn an zu viel Stickstoff im Futter können sie sterben. Das Hauptfutter der Rentiere im Winter sind Flechten. Wir durften im Rahmen des Farmbesuchs sogar das Füttern übernehmen. Dabei bekamen wir Plastiksackerl voll Flechten in die Hand gedrückt, die wir auf dem Boden verteilen konnten.
Beim Anblick von Futter wurden sogar die scheuen Rentiere ganz anhänglich und ließen sich auch anfassen. Kleines Learning: So flauschig sie auch aussehen, ihr Fell fühlt sich eher borstig an. Typisch Wild eben. Vom Rentier wird üblicherweise alles verwertet. Fleisch, Fell und Geweih wird vielfältig vermarktet und auch Rentierschlittenfahrten sind sehr beliebt. Poro (finnisch für Rentiere) sind aus Finnland nicht wegzudenken und waren für mich ein persönliches Highlight im Ausland.
Eure Karina
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