Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Politik EU

SPD ist für einen starken EU-Agrarhaushalt

am Montag, 16.07.2012 - 10:53 (Jetzt kommentieren)

Berlin - Die SPD hat sich offenbar auf eine einheitliche Position zur künftigen Finanzierung der Agrarpolitik geeignigt. "Die SPD ist für einen starken EU-Agrarhaushalt", sagte Agrarsprecher Wilhelm Priesmeier.

Anderslautende Auffassungen spiegelten nicht die Position der Partei wider und würden keinen Eingang in das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 finden. Er habe gegenüber der Partei- und Fraktionsführung deutlich gemacht, "dass der EU-Agrarhaushalt kein Steinbruch ist", so der SPD-Politiker. Er warnte zugleich vor einer kurzatmigen Agrarpolitik: "Wir brauchen über die aktuelle Diskussion zur Weiterentwicklung der GAP nach 2013 hinaus eine klare Perspektive."
 
Priesmeier sprach sich in diesem Zusammenhang für einen allmählichen Ausstieg aus der Ersten Säule aus. Dieser Ausstieg müsse in einem Gleitflug bis etwa 2025 umgesetzt werden. Angesichts der zu erwartenden Entwicklung der Agrarpreise gebe es künftig keine Rechtfertigung mehr für Direktzahlungen. Mit Nachdruck riet der niedersächsische Abgeordnete von einer Umkehr der eingeleiteten Liberalisierung der Agrarmärkte ab: "Ein Wiedereinstieg in ein System der Marktregulierung ist mit der SPD nicht zu machen und für uns nicht verhandelbar." Wer einem neuerlichen Quotensystem auf dem Milchmarkt das Wort rede, müsse auch sagen, "wie viel das kostet und wer das bezahlen soll".
  • Ende Mai hatte die SPD mit unterschiedlichen Positionen zum Agrarhaushalt von sich reden gemacht. Während die SPD-Troika Umschichtungen aus dem Agrarbudget zu Gunsten der Forschung forderte, plädierten die Agrarsprecher für einen starken EU-Agrarhaushalt ...

SPD: Agrarpolitik ist keine Klientelpolitik

Ausdrücklich widerspricht Priesmeier der Einschätzung, Landwirtschaft und ländliche Räume spielten für die SPD keine wesentliche Rolle. Die SPD habe in vielen ländlichen Regionen bundesweit eine starke Stellung. Daraus ergebe sich die Verpflichtung, "dass wir uns intensiv um Politik zur Entwicklung ländlicher Räume kümmern". Agrarpolitik sei für seine Partei keine Klientelpolitik, sondern ein Instrument, die Lebensverhältnisse auf dem Lande zu verbessern. Nicht die klassische Agrarpolitik sei das Thema der SPD, sondern eine Politik zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Priesmeier: "Wir machen Politik für die Menschen auf dem Lande." Demgegenüber trage beispielsweise die grüne Agrarpolitik weitgehend der Erwartungshaltung von deren städtischer Wählerklientel Rechnung. Eine Schlüsselfunktion für ländliche Räume messe die SPD einer Wirtschaftspolitik bei, die einen Beitrag leiste, qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze zu sichern. Ein Bundesministerium für ländlichen Raum würde in Priesmeiers Augen nur Sinn machen, wenn es über entsprechende Kompetenzen verfügte. Er ist skeptisch, dass dies zu erreichen ist. Dem SPD-Politiker zufolge sollte der Stellenwert des Themas "Ländliche Räume" im Bundestagswahlkampf seiner Partei auch "personell sichtbar" werden.

Greening nur vorübergehend akzeptabel

Das derzeitige System von Erster und Zweiter Säule ist nach Auffassung von Priesmeier auf Dauer nicht zu halten. Ab 2020 müsse es eine neue Förderarchitektur geben. Nicht für tragfähig hält der Abgeordnete das Einkommensargument für die Direktzahlungen. Ein zunehmend steigender Anteil werde an die Grundeigentümer weitergereicht und schlage sich in höheren Pachtpreisen nieder. Am ehesten seien Direktzahlungen im Ackerbau entbehrlich. Dies sollte aus Priesmeiers Sicht bei einem künftigen Gleitflug aus der Ersten Säule berücksichtigt werden. Ein Greening der GAP sei "allenfalls als vorübergehende Maßnahme" zu rechtfertigen. Keinesfalls dürfe das Greening jedoch dazu führen, auf Dauer an den Direktzahlungen festzuhalten. Ablehnend äußerte sich der SPD-Agrarier zu den derzeitigen Vorschlägen der EU-Kommission für eine Kappung und degressive Ausgestaltung der Direktzahlungen. Die damit einhergehende mögliche Umschichtung von Mitteln in die Zweite Säule stehe in keinem Verhältnis zu dem damit verbundenen Aufwand. Gleichzeitig müsse geprüft werden, ob bei dem von ihm geforderten allmählichen Ausstieg aus dem Direktzahlungssystem große und effiziente Betriebe mehr gefordert würden als kleinere. Mit Nachdruck tritt Priesmeier dafür ein, dass Deutschland von den jetzt vorgesehenen Möglichkeiten zur Stärkung der Zweiten Säule ab 2014 Gebrauch macht. Das gelte insbesondere für die vorgesehene Umschichtung von bis zu 10 Prozent der Mittel der Ersten Säule.

Exportchancen nutzen

Ausdrücklich hob der SPD-Abgeordnete die Bedeutung des Agrarexports hervor. Insbesondere mit veredelten Produkten habe die deutsche Agrarwirtschaft gute Chancen auf den internationalen Märkten. "Diese Chancen sollte sie nutzen." Gleichzeitig warnte Priesmeier davor zu glauben, die Drittlandsmärkte seien unerschöpflich. Keinesfalls dürfe es eine Aufweichung von Standards geben, um die Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten zu erhöhen. Als "grundsätzlich sinnvoll und notwendig" erachtet der gelernte Tierarzt die Preisabsicherung über Warenterminmärkte. Gleichzeitig sei jedoch weitgehende Transparenz auf den Warenterminmärkten unerlässlich. "Wir müssen die Akteure kennen", betonte Priesmeier.

Erzeugergemeinschaften stärken

Weiter verschärfen wird sich dem SPD-Politiker zufolge der Strukturwandel in der deutschen Landwirtschaft. Priesmeier geht davon aus, dass sich die Zahl der gegenwärtig noch rund 180.000 Vollerwerbsbetriebe bis 2020 auf nicht mehr als 100.000 vermindert. Kritisch wertet er den Einstieg von nicht-landwirtschaftlichen Investoren in landwirtschaftliche Unternehmen und den landwirtschaftlichen Bodenmarkt. Notwendig sei zunächst eine möglichst vollständige Transparenz in diesem Bereich. Die "richtigen Antworten auf der Erzeugerebene" erfordere der Strukturwandel im Verarbeitungsbereich. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen für die Bildung von Erzeugergemeinschaften verbessern, um ein Gegengewicht zu der Marktmacht der aufnehmenden Hand zu schaffen. "Die Erzeugergemeinschaften brauchen keine starren Bindungen, sondern ein möglichst hohes Maß an Flexibilität", so Priesmeier.

Haltungssysteme den Tieren anpassen

Dringend erforderlich ist nach Priesmeiers Auffassung ein Neuanfang in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Dabei gelte es, die Produktionssysteme insgesamt einzubeziehen und nicht nur an einzelnen Schrauben zu drehen. Positiv äußerte er sich in diesem Zusammenhang zum Strategiepapier der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) zur Tierhaltung. Die SPD werde sich in den laufenden Haushaltsberatungen dafür einsetzen, dass für die Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der DAFA-Strategie ein eigener Fördertopf im Einzelplan 10 geschaffen werde. Eine tiergerechte Produktion muss sich dem Abgeordneten zufolge von dem Prinzip leiten lassen, "dass die Haltungssysteme dem Tier angepasst werden und nicht umgekehrt, wie es in den letzten Jahrzehnten der Fall war". Vor diesem Hintergrund sei der Entwurf der Bundesregierung für eine Novellierung des Tierschutzgesetzes nicht ausreichend. Benötigt würden weitergehende Regelungen für ein Verbot nicht kurativer Eingriffe und strengere Vorgaben für die Tierzucht. Priesmeier: "Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass bestimmte genetische Grenzen nicht überschritten werden können." Allerdings werde es ein Zurück zu traditionellen Formen der Tierhaltung nicht geben. Das bedeute aber, "dass Erzeuger durchaus entsprechende Nischen besetzen, wenn sie dafür einen Markt finden".

Mehr Kompetenzen für die Kommunen

Weitgehend einverstanden ist Priesmeier mit den Vorstellungen der Bundesregierung für eine Begrenzung der Privilegierung gewerblicher Tierhaltungsanlagen im Außenbereich. Grundsätzlich richtig sei der Ansatz, "den Kommunen mehr Kompetenzen zur Lösungen lokaler Konflikte zu geben, die aus dem Bau von Tierhaltungsanlagen entstehen". Die vorgesehene Verknüpfung von Baurecht und Umweltrecht sei dabei ein gangbarer Weg. Allerdings müsse die bereits vorhandene Belastung an einem Standort berücksichtigt werden, "wenn wir über den Bau einer neuen Tierhaltungsanlage entscheiden wollen". Regionen wie das westliche Niedersachsen seien in der tierischen Veredlung "am Ende der Fahnenstange angekommen". Sowohl aus umweltpolitischer Sicht als auch aus tierseuchenrechtlichen Erwägungen dürfe es hier keinen weiteren Zubau geben. Die bestehenden umweltrechtlichen und seuchenhygienischen Vorschriften seien konsequent einzuhalten. Das gelte für die Verbringungsverordnung ebenso wie für die Düngeverordnung. Die geltende Ausnahmeregelung in der Düngeverordnung für rinderhaltende Betriebe auf intensiven Grünlandstandorten müsse auslaufen.

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...