Kann Bio die Welt ernähren? Über diese Frage streiten sich internationale Ernährungsexperten mit Wonne. Ebenso gestritten wird derzeit über die Gründe für den Zusammenbruch der selbsternannten Bio-Vorzeigerepublik Sri Lanka. Sicher ist: Die radikale und plötzliche Umstellung der Landwirtschaft auf 100 Prozent Bio hat in Sri Lanka mit Sicherheit zur desolaten Situation des Landes beigetragen. Für die Misere verantwortlich aber ist sie auf keinen Fall.
Was ist passiert? In Sri Lanka, dem Inselstaat an Indiens Südspitze, fehlt es an allem. Lebensmittel, Treibstoff, Strom. Und an einem Präsidenten – der ist nämlich am vergangenen Mittwoch laut Medienberichten auf die Malediven geflohen, da sich vor seinem Amtssitz seit Tagen aufgebrachte Massen versammeln. Und das tun sie nicht, weil es in den Läden nur noch Öko-Gurken und Tee aus biologisch-integriertem Anbau zu kaufen gibt. Sondern gar nichts mehr.
Dünger und Pflanzenschutz: einfach gestrichen
Sri Lanka geht es seit Jahren schlecht und schlechter. Durch die Coronakrise wurde die Notlage des ohnehin am Limit wirtschaftenden Staates offenbar. Der Tourismus brach weg, die Weltmarktpreise zogen an. Die Entscheidung des Präsidenten Gotabaya Rajapaksa im Mai 2021, die Landwirtschaft seines Inselreichs solle zu 100 Prozent biologisch arbeiten, war lediglich eine verzweifelte und wenig durchdachte Reaktion auf die wirtschaftliche Notlage des Landes. Und vor allem eine spontane, denn die Umstellung wurde von einem Tag auf den anderen beschlossen. Keine Übergangszeit, keine Fristen. Bio: jetzt!
Der Präsident – findig in Geldangelegenheiten, weniger bewandert in landwirtschaftlichen Fragen – wollte durch die Umstellung der Landwirtschaft auf Bio in erster Linie Geld sparen: 400 Millionen Dollar für importierte Düngemittel? Die braucht man als rein biologisch wirtschaftender Staat ja nicht mehr. Pflanzenschutzmittel? Total überflüssig. Das gesparte Geld konnte man dann wunderbar investieren in.… ja, in was? Nicht in die Ausbildung der Bauern, die von Ökolandbau bis dahin keinerlei Ahnung hatten. Nicht in organische Dünger, Kompost oder geeignetes Saatgut. Sondern in Dinge, die dem Präsidenten am meisten am Herzen lagen: Prachtbauten, Steuergeschenke an gute Freunde und in Projekte der guten alten Familie. Die ist in Sri Lanka seit mehr als 17 Jahren an der Macht und auf dem besten Wege, das Land zu einem autokratischen System auszubauen.
Landwirtschaft braucht Hilfsprogramm
Für die Landwirte in Sri Lanka war die plötzliche, staatlich verordnete Umstellung eine Katastrophe. Wenig erstaunlich, dass die Erntemengen einbrachen. Im vergangenen November versuchte Sri Lanka dann doch verzweifelt, Düngemittel zu importieren, aber es fehlte an Geld. Und so harrte das Land weitere 8 Monate ungedüngt aus, bis nun, Anfang Juli, Indien mit einem Hilfsprogramm einsprang und den Landwirten den dringend benötigten Harnstoffdünger sponserte. Wie schnell sich damit die landwirtschaftliche Produktion retten lässt, kann sich jeder – egal ob ökologisch oder konventionell wirtschaftende – Landwirt mit den Fingern ausrechnen: Sri Lanka wird wohl noch längere Zeit unter massiver Lebensmittelknappheit leiden und auf Importe angewiesen sein.
Wer nun den Karren aus dem frisch gedüngten Dreck ziehen darf, ist noch offen. Es bleibt zu hoffen, dass der- oder diejenige weder verwandt mit der Rajapaksa-Herrscherdynastie ist noch landwirtschaftlich ebenso wagemutig und unerfahren wie der geflohene Vorgänger.
Bio ist nicht der Grund für die Lebensmittelkrise
Wer nun also geneigt ist, dem Ökolandbau die Schuld an der Misere zu geben, der sollte sich einmal fragen: Was ist die größere Gefahr für die Menschheit, der Verzicht auf Pflanzenschutz oder die menschliche Gier? Die Umstellung auf Bio ist nicht der Grund für den Zusammenbruch des Landes. Sie hat aber einen letzten Schubs zum endgültigen Niedergang gegeben. Denn wie jeder Landwirt weiß: Vor Bio kommt die Umstellungsphase. Und die ist eine Durststrecke.
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