Das zeigen Untersuchungen aus Frankreich und aus der Schweiz. Die Gründe sind sowohl ökonomischer als auch gesellschaftlicher Natur. Aus anderen europäischen Ländern liegen bislang kaum belastbare statistische Daten vor.
Berichte von Insidern zeigen jedoch, dass es in den meisten europäischen Ländern nicht viel anders aussehen dürfte. Auch in Deutschland nicht. Außerdem scheint die Zahl der Selbstmorde unter Landwirten seit einigen Jahren zuzunehmen, während sie in der übrigen Bevölkerung eher zurückgeht.
Gesprochen wird über diese Entwicklung kaum. Das wäre aber nötig, um diesem Trend entgegen zu wirken und ihn zu stoppen. Das zeigen Erfahrungen aus den USA, wo Möglichkeiten und Netzwerke entwickelt wurden, den in Not geratenen Farmern möglichst schnell zu helfen.
Frankreich: Jeden zweiten Tag ein Selbstmord
Alle zwei Tage nimmt sich ein Landwirt in Frankreich das Leben, Mindestens. Das zeigt eine Untersuchung der staatlichen französischen Gesundheitsbehörde Santé Publique France (SPF). Diese wertete die Selbstmorde aus den Jahren 2007 bis 2011 aus.
Allerdings schätzen einige Branchen-Verbände die wirkliche Selbstmordrate (ähnlich wie in den USA) noch weitaus höher. Nicht wenige Landwirte versuchen die wirkliche Todesursache nämlich aus Scham oder aus ökonomischen Gründen zu verschleiern.
Der Verband der europäischen Landwirte und Genossenschaften (COPA-COGECA) sagte zu der französischen Studie, „diese alarmierende Situation muss unverzüglich angegangen werden. Landwirte verdienen mehr gesellschaftliche Anerkennung“.
Die Untersuchung der französischen Gesundheitsbehörde zeigt jedenfalls, dass die Selbstmordrate unter französischen Landwirten mindestens 20 Prozent höher ist, als in der Allgemeinbevölkerung. Bei den Milcherzeugern ist sie sogar 30 Prozent höher.
Der Studie zufolge begeht fast jeden zweiten Tag ein französischer Landwirt Selbstmord. Besonders betroffen sind dabei Männer im Alter von 45 bis 54 Jahren.
Ökonomischer Druck und kein Ausweg
Französische Medien erklären diese Entwicklung damit, dass die Einkommen der Landwirte zu den niedrigsten im ganzen Land gehören. Mehr als 30 Prozent der französischen Bauern würden lediglich 350 Euro pro Monat verdienen, berichtet das französische Internetportal Euroactiv.
Die SPF-Studie weist außerdem darauf hin, dass die höchste Zahl an Selbstmorden „in den Monaten beobachtet wurde, in denen die Milchpreise Tiefststände erreicht hatten.“
Nicolas Deffontaines vom französischen Nationalen Institut für Agrarforschung (INRA) fügte mit Verweis auf eine neuere Analyse aus dem Jahr 2017 hinzu, dass insbesondere die Zahl der Kleinbauern, die Selbstmord begehen, im Vergleich zu größeren Betrieben deutlich höher sei.
„Die generelle Überrepräsentation der Landwirte bei den Selbstmorden ist jedoch ein Phänomen, das wir in Frankreich seit mindestens vierzig Jahren gleichbleibend beobachten können,“ so Deffontaines weiter.
Schlechte Preise, steigende Kosten, extremes Wetter
Seit einigen Jahren stehen die Einkommen der Landwirte in ganz Europa durch eine Vielzahl von Faktoren unter Druck. Diese reichen von starken Preisschwankungen, über steigende Produktionskosten, bis hin zu extremen Wetterphänomenen.
Branchenverbände fordern deshalb, den Landwirten in der EU müsse mehr Unterstützung – nicht nur finanzieller Art – gewährt werden. Dabei sollten vor allem auch die Landwirte besser unterstützt werden, die mit Einsamkeit, emotionalen Problemen oder Erkrankungen zu kämpfen haben. Die geplanten Kürzungen der EU-Mittel für Landwirte könnten die Probleme ganz besonders in den kleinen Betrieben verschärfen.
Die Kürzung der Direktzahlungen im Haushalts-Vorschlag der EU-Kommission kommt bei den französischen Landwirten überhaupt nicht gut an. Sie haben das Gefühl, dass mit steigenden Umweltschutzanforderungen immer mehr von ihnen verlangt wird, sie aber gleichzeitig keine Entschädigung für ihren Mehraufwand und die höheren Kosten erhalten.
Das geht sicherlich den Landwirten in Deutschland und in anderen EU-Ländern eben so.
Schweiz: Landwirte 37 Prozent mehr suizidgefährdet
In der Schweiz sind Wissenschaftler der Universität Bern zu ähnlich erschreckenden Ergebnissen gekommen – obgleich die Schweiz nicht zur Europäischen Union gehört und die Einkommen höher sind als in Frankreich. Nach der Berner Studie ist das Suizid-Risiko bei Landwirten 37 Prozent höher als bei anderen Männern aus einer ländlichen Gemeinde. Gründe sind danach vor allem Zukunftsangst, Geldsorgen und Nachfolgeprobleme.
Und nicht nur das: Während die Suizid-Rate in ländlichen Gemeinden sinkt, nimmt sie bei den Schweizer Landwirten seit 2003 zu. „Solche Zahlen machen uns sehr betroffen und lassen nur erahnen, welche menschlichen Schicksale dahinter stehen“, sagt Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands gegenüber der Schweizer Sonntagszeitung.
Ritter selbst hat schon mehrere Fälle im Umfeld erlebt. „Diese Schicksale haben mich persönlich stark beschäftigt. Man sucht nach den Gründen. Man fragt sich, ob man helfen hätte können. Man bleibt auch selber meist ratlos."
Hilfe bietet in der Schweiz das Bäuerliche Sorgentelefon an. Benno Winkler vom Schweizer Netzwerk "Hofkonflikt" hilft den Landwirten, die verzweifelt sind. Er rät den Angehörigen: "Thema ansprechen, rasch Hilfe holen, nicht tabuisieren und nicht glauben, sie seien die einzigen." Man müsse davon ausgehen, dass viele davon betroffen sind.
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