Fleischfrei ist das neue Normal – zumindest wenn man Facebook und Co. Glauben schenkt. Denn die Gegner von Steak und Wurst sind in den sozialen Medien sehr präsent. Was bedeutet das für Fleischesser und -erzeuger?
Das Oktoberfest in München ist seit jeher dafür bekannt, neben Bier und gebrannten Mandeln vor allem viel Fleisch anzubieten: Grillhähnchen, Schweinshaxe und Weißwürste sind sozusagen Grundnahrungsmittel für den Wiesnbesucher. In diesem Jahr gab es ein weiteres Gericht auf den Speisekarten der Wiesnwirte, das für viel Aufregung sorgte: vegane Weißwurst.
Vegane Weißwurst: "schmeckt wie Montageschaum"
„Unmöglich zu essen“, befand die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Die bekanntermaßen landwirtschaftsnahe Kabarettistin Monika Gruber urteilte publikumswirksam: „Schmecken wie Montageschaum im Kondom.“ Entscheidender als die Ablehnung des Produkts durch prominente Fleischesser ist aber, dass es eine vegane Wurst beim Oktoberfest auf den Teller geschafft hat. Die vegane V-Partei³ fordert von Münchens Oberbürgermeister sogar eine komplett vegane Wiesn ab dem kommenden Jahr.
Fleischessen in der Öffentlichtkeit
Vegan ist Trend, egal ob für – man verzeihe den Witz – eingefleischte Fleischverzichter oder für Menschen, die gerne hin und wieder fleisch- und milchfrei essen, sogenannte Flexitarier. Ein veganes Gericht zu bestellen, steht offenbar zumindest in der Großstadt für Weltoffenheit, Selbstverzicht, Klimabewusstsein und Intelligenz. Wer sich dagegen mit einem 400g-Rib-Eye-Steak blutig nebst einigen Alibi-Fritten den Bauch vollschlägt, erntet vermutlich den ein oder anderen abfälligen Blick.
Hat Bio ausgedient?
Selbst Fleischprodukte aus Bio- oder sonstwie artgerechter Tierhaltung genießen nicht mehr das Ansehen wie noch vor ein paar Jahren. Damals konnte man eine Situation elegant entschärfen durch den Ausspruch: „Also, ich esse ja fast nie Fleisch, und wenn, dann Bio.“ Nein, auch bei Fleisch mit Bioland-, Demeter- oder Neuland-Siegel ist inzwischen jedem klar: Egal wie gut es gehalten wurde, am Ende stirbt das Tier.
Tierhalter haben's doppelt schwer
Landwirte, die verstärkt auf Tierwohl setzen, sehen sich aktuell gleich doppelt in der Misere: Zum einen setzen die Verbraucher in Deutschland angesichts von Corona, Ukrainekrieg und Energiekrise auf Sparen. Ein paar Cent mehr für mehr Auslauf oder Stroh im Stall erscheint vielen schon zu viel. Zeitgleich steigen die Kosten – ein unmöglicher Spagat vor allem für die Schweinehalter in Deutschland. So müssen auch Pioniere für bessere Tierhaltung teilweise aufgeben, wie unlängst Holger Hennies, Präsident des niedersächsischen Landvolks. Zum anderen werden auch Ställe, die den Tieren mehr Komfort und Bewegung ermöglichen, von den radikalen Fleischgegnern kritisch gesehen und bekommen Gegenwind.

Laut der Studie „You should be slaughtered“ der Vetmeduni Vienna sehen sich Tierhalter auf Facebook immer öfter mit verbalisierten Aggressionen konfrontiert. Die können, das bestätigt die Studie, ziemlich radikal ausfallen. Als Beispiele führten sie Beschimpfungen wie „Mörder“, „Tierquäler“, „Ausbeuter“ oder „Krimineller“ an. Immer wieder gebe es auch „Holocaust-Vergleiche“. Nicht selten geht die Kritik ins Persönliche.
Eine der befragten Landwirtinnen gab an: „Mir wurde vorgeworfen, empathielos und eine schlechte Mutter zu sein, weil ich Kühe habe und ihnen die ‚Babys‘ wegnehme.“ Bei anderen Bäuerinnen und Bauern kam es sogar zu Drohungen gegenüber ihren Kindern.
Tierhaltungsgegner: Laut, aber in der Minderheit
Auf Facebook oder Twitter kann diese Diskussion nicht gewonnen werden. Zu laut, zu überzeugt sind die Gegner von Nutztierhaltung und Steakkonsum. Wer sich regelmäßig in die digitale Öffentlichkeit wagt und dort als Verfechter pro Fleisch Kritik und mehr einstecken muss, der sei getröstet: Die Anzahl der Menschen in Deutschland, die sich selbst als Veganer einordnen, lag im Jahr 2022 laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse bei 1,58 Mio. Das sind gerade einmal 2 Prozent. Der Anteil der Vegetarier liegt bei etwa 10 Prozent.
Es sind also gar nicht so viele Tierhaltungsgegner und Fleischhasser, wie man anhand ihrer Lautstärke online und im realen Leben vermuten mag. Demnach gibt es Hoffnung, dass niemand auf die Idee kommt, „Fleischesser“ als Vorschlag für das Unwort des Jahres 2022 einzureichen, sondern dass weiterhin Wörter in die Auswahl kommen, wie „illegaler Pushback“ (2021), „Corona-Diktatur“ (2020) oder „Sozialverträgliches Frühableben“ (1998) – also Wörter mit größerer gesellschaftlicher Relevanz.
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