Sich mit Tieren zu umgeben, ist etwas Wunderbares. Es fördert die Liebe zur Natur, sorgt für Entspannung, lehrt Verantwortungsbewusstsein. Jeder Tierhalter wird das bestätigen.
Aber vor allem das mit der Verantwortung ist knifflig. Nicht selten unterschätzt ein potenzieller Tierbesitzer, was da auf ihn zukommt. Tierheimbetreiber wissen ein Lied davon zu singen, wenn kurz nach Weihnachten mal wieder Hundezwinger und Katzenhäuser aus allen Nähten platzen. Es schadet also nicht, sich im Vorfeld intensiv mit der jeweiligen Tierart und ihren Ansprüchen zu befassen. Auch und vor allem dann, wenn man keinen professionellen Hintergrund hat.
Der Nabu Schleswig-Holstein hat diese Prämisse sträflich vernachlässigt. Das Ergebnis: Mehrere elend verendete Pferde und Ratlosigkeit seitens der Verantwortlichen.
Was war passiert?
Im Naturschutzgebiet Wöhrdener Loch im Speicherkoog Dithmarschen hält der Naturschutzbund (Nabu) Schleswig-Holstein seit dem Herbst 2004 eine Herde Koniks. Das sind kleine robuste Pferdchen, die aufgrund ihrer Anspruchslosigkeit vor allem im Ursprungsland Polen in verschiedenen Naturschutzgebieten halbwild zur Landschaftspflege eingesetzt werden.
Im September 2004 verbrachte der Nabu zunächst zwei Hengste und acht Stuten ins Wöhrdener Loch. Eine Herde von 30 Tieren schwebte den Naturschützern damals vor. Mittlerweile grasen im Naturschutzgebiet allerdings über 70 Tiere.
In den letzten Wochen bemerkten Wanderer vermehrt einen desolaten Zustand der Pferde im Speicherkoog. Die Tiere waren nur noch Haut und Knochen, ihre Hufe in erbärmlichem Zustand. Der Nabu reagierte erst, als die längst überfällige Zufütterung für mehrere der Koniks zu spät kam. Mittlerweile sind mehrere von ihnen verendet, andere konnten sich bereits nicht mehr auf den Beinen halten.
Situation habe sich "plötzlich zugespitzt"
Der Nabu bedauert die Zustände im Speicherkoog. Die Situation habe sich "plötzlich zugespitzt", erklärt Ernst Gloe, der für die betroffenen Pferde verantwortlich ist. „Es hat sehr viel geregnet die vergangenen Wochen, das muss man schon sagen. Daraufhin habe ich vor einigen Tagen dafür gesorgt, dass Heu zugefüttert wurde.“
Diese Maßnahme kam viel zu spät. Und mit Verlaub: Was bedeutet bitte "plötzlich zugespitzt"? Kein Pferd magert innerhalb weniger Tage zum Skelett ab, schon gar kein so anspruchsloses wie ein Konik. Wie lange muss die Herde unkontrolliert gewesen sein, damit Tiere verhungern konnten?
Regen ist keine Entschuldigung
Der Dauerregen der letzten Wochen hat die Lage der Pferde aber auch nur auf die Spitze getrieben. Die Probleme bestehen bereits viel länger.
Wenn auf einer ursprünglich für 30 Tiere vorgesehenen Fläche inzwischen über 70 Tiere stehen, muss die Tragfähigkeit dieser Fläche überprüft werden. Sonst drohen Überweidung und eine dauerhafte Zerstörung der Grasnarbe – also das Gegenteil von dem, was der Nabu angeblich bewirken will. Dazu kommt, dass offenbar keine Tiere entnommen wurden und keinerlei Blutauffrischung erfolgte. Eine hohe Inzuchtrate mit allen negativen Folgen für die Pferdepopulation ist damit unvermeidbar.
Der von Tierschützern und Pferdefreunden festgestellte desolate Zustand der Hufe ist ein weiterer Hinweis auf die mangelnde Kenntnis der Herdenbetreuer. Die weichen Böden im Koog verhindern eine adäquate Hornabnutzung. Ein ausgebildeter Tierhalter hätte das gewusst, zumindest aber die zunehmenden Probleme bemerkt.
Fürsorge kostet Geld
Auch wenn man das in Gesprächen mit Landwirten manchmal anders vermuten könnte: Der Nabu ist kein Expertengremium in Sachen Landwirtschaft. Trotzdem hält er Nutztiere und übernimmt damit die Verantwortung. Es ist zugegebenermaßen kein Kinderspiel, eine halbwilde Pferdeherde angemessen zu betreuen. Vor allem, wenn Hufprobleme oder Parasitenbehandlungen ein Fangen und Fixieren der Tiere verlangen, müssen Experten ran. Das kostet Geld. Doch dafür erhält der Nabu ja ebenso wie die von ihm so oft gescholtenen Landwirte Direktzahlungen. Und er wirbt Spenden ein, unter anderem mit den Projekt "Konik-Pferde im Wöhrdener Loch".
Wo bleiben diese Spenden? Bei den verwahrlosten Pferden offenbar nicht.
Herdengröße überprüfen und Kontrollen einrichten
Uwe Maaßen, beim Kreis Dithmarschen Leiter des Fachdienstes Bau, Naturschutz und Regionalentwicklung, fordert, das Konzept der Pferdehaltung im Wöhrdener Loch zu überarbeiten. Auf jeden Fall sei zu klären, ob die jetzige Herdengröße für die Fläche angemessen sei. Pferdeexperten verlangen zudem eine zeitnahe Hufkorrektur, um den Tieren nachhaltige Schäden am Bewegungsapparat zu ersparen.
Und bis das alles in die Gänge gebracht ist, reicht es vielleicht, mit sofortiger Wirkung eine regelmäßige, fachgerechte Kontrolle der Herde zu gewährleisten. Damit nicht wieder erst Wanderer entdecken, dass die Pferde kurz vorm Verhungern sind.
Ergebnis der Krisensitzung
Nachtrag 3. März, 16:30 Uhr: Am heutigen Dienstag fand im Kreis Dittmarschen eine Krisensitzung zum Thema statt. Im Ergebnis dieser Veranstaltung veröffentlichte der Nabu eine Stellungnahme, in der es heißt: „Der Nabu bedauert den Tod der Tiere. Auch als Naturschützer bekennen wir uns zu unserer Verantwortung und werden unsere internen Vorgänge nochmals überprüfen.“
Weiter kündigt der Verein an, die Zuständigkeiten für das Konik-Projekt umzustrukturieren. Künftig müssen die zuständigen Landwirte wegen einer Zufütterung nicht mehr zusätzlich mit dem Nabu Rücksprache halten, sondern können sich direkt an den Kreis wenden. So soll eine Zeitverzögerung wie in den vergangenen Wochen verhindert werden.
Innerhalb von einer Woche soll außerdem eine mobile Fanganlage installiert werden, damit die Pferde von einem Tierarzt untersucht und behandelt werden können. Und ab Herbst dieses Jahres wird es eine stationäre Fanganlage geben, verspricht der Nabu.
Der derzeitige Bestand von 75 Tieren soll auf unter 50 reduziert werden. Dafür werden Junghengste und Fohlen herausgefangen und verkauft. Die Pferde mit akuten Hufproblemen sollen zudem separiert und intensiv behandelt werden, bis das Hufwachstum wieder eine normale Funktion erlaubt.
"Wir füttern den Nabu"
Am 5. März, im Anschluss an die Demonstrationen von Landwirten in ganz Deutschland, gab es eine spontane Aktion in Schleswig-Holstein. Landwirte mit 70 bis 80 Traktoren fuhren Futter zur Nabu-Zentrale, um es dort abzuladen. "Wir füttern den NABU", riefen die Landwirte. Der Nabu nahm die demonstrative Futterspende nicht an und die Alndwirte mussten auf Geheiß der Feuerwehr die Heuballen wieder entfernen.
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