Goofy bleibt im Museumsdorf. Damit ist das Hickhack um den jungen Ochsen, bei dessen Geburt Hamburger Schüler auf einer Tiroler Alm Zeugen wurden und den sie gemeinsam mit ihren Lehrern zum Schulprojekt machten, hoffentlich zu Ende.
Zugochse soll Goofy nun werden. Zugpferd ist er schon seit Monaten. Seit Tierrechtler ihn entdeckten und zur Werbefigur für das vorweihnachtliche Spendengeschäft machten.
Vom Schlachttier zum Medienstar
Was war geschehen? 2018 hatte eine damals 8. Klasse des Walddörfer Gymnasiums in Hamburg auf einer Klassenfahrt nach Tirol die Geburt eines Bullenkalbes miterlebt. Nachdem sie erfahren hatten, dass der junge Bulle als Schlachttier verkauft werden sollte, beschlossen die Kinder gemeinsam mit den Klassenlehrern, das Tier nach Hamburg zu holen und seine Aufzucht bis zur Schlachtung nach rund eineinhalb Jahren zu begleiten. Ziel des Projektes war eine Sensibilisierung der Kinder für die Herkunft von Fleisch. Der kleine Bulle kam ins nur wenige Hundert Meter vom Gymnasium entfernte Museumsdorf Volksdorf in die Obhut von Museumswart Egbert Läufer.
Doch je näher der Schlachttermin rückte, umso schwieriger wurde die Situation. Denn dank eines Artikels in der Lokalpresse waren irgendwann Tierrechtler auf Goofy aufmerksam geworden – und hatten sich eingeschaltet. Gleich zwei Gnadenhöfe wollten den inzwischen kastrierten Bullen haben. Um ihn zu retten, wie es hieß. Schule und Museumsdorf lehnten ab, unter anderem, um sich und den Jugendlichen nicht das Heft aus der Hand nehmen zu lassen.
Shitstorm gegen Schule und Museum
Doch zum Dezember 2020 hin eskalierte die Situation. In einer Online-Petition sammelten die Tierrechtler Unterschrift zur Rettung Goofies. Vor der Schule gab es Proteste. Die inzwischen aufmerksam gewordene Presse fing Schüler auf dem Schulweg ab, um sie zu befragen. Und Gymnasium wie Museumsdorf erstickten in einer Mailflut.
Am Ende zog der Schuldirektor die Reißleine und brach das Projekt ab. Die Unversehrtheit des pädagogischen Schutzraums Schule sei nicht mehr zu gewährleisten. Doch auch das war noch nicht das Ende vom Lied.
Die Zusage, dass der Ochse am Leben bleiben und zum Zugtier ausgebildet werden sollte, reichte den Tierrechtlern nicht aus. Zu gern hätten die beiden in die Kampagne involvierten Gnadenhöfe schließlich den medien- und spendenträchtigen Goofy gehabt. Der Shitstorm gegen das Museumsdorf ging also weiter. Tierquälerei wurde dem Betrieb vorgeworfen und eine nicht artgerechte Haltung. Nun sei Goofy nicht mehr vor dem Schlachter, sondern vor der "Sklaverei" zu retten, hieß es in der flugs umgewidmeten Petition.
Standpunkt akzeptiert, Kampagne nicht
Nur langsam kehrte wieder etwas Ruhe ein. Inzwischen, so erfuhr agrarheute von Museumswart Egbert Läufer, ist die heute 10. Klasse, die das Projekt Goofy gestartet hatte, aus selbigem entlassen. Eine 8. Klasse ohne die bei den älteren Schülern bestehende emotionale Bindung übernimmt und begleitet den jungen Ochsen bei seiner Ausbildung zum Zugtier.
Der bei den Protesten federführende Erdlingshof und die betroffenen Zehntklässler haben ein Gespräch geführt, bei dem beide Seiten Verständnis für den Standpunkt des jeweils anderen äußerten, so Läufer. Allerdings habe die Schulklasse die Art und Weise der Tierrechtler-Kampagne nicht akzeptiert.
Der Museumswart weiter: "Die Klasse hat an den Erdlingshof eine Note übergeben, in welcher eine Entschuldigung und eine Richtigstellung des Sachverhaltes gefordert wird. Wir erwarten eine Reaktion in diesem Sinne."
Wer bestimmt künftig über Lerninhalte?
Goofy bleibt also am Leben. Und er wird landwirtschaftlich genutzt – wenn auch in einer Weise, die mit heutiger Landwirtschaft wenig zu tun hat. So haben beide Seiten einen Teil ihrer Forderungen erreicht, wie es scheint.
Doch die besorgte Frage bleibt: Wer kann in unserem Bildungssystem eigentlich wie Einfluss nehmen? Vor allem unter Zuhilfenahme der sozialen Medien ist es offenbar kein Problem, eine öffentliche Schule, die eigentlich ein geschützter Raum sein und die Entscheidungshoheit über Bildungsinhalte haben sollte, zu ungewollten Schritten zu zwingen.
Was kommt als nächstes? Proteste gegen politisch unliebsame Lehrer? Die AfD führt bereits entsprechende Listen dafür. Oder Diskussionen über Lerninhalte zu Evolutionstheorie oder Fortpflanzungslehre, wie sie in den USA bereits gang und gäbe sind? Das Hamburger Beispiel zeigt, dass durch die emotionale Mobilisierung der Massen auch hierzulande bedenklich viel erreichbar ist.
Das Ende der "Causa Goofy"
Und wie endet sie nun, die "Causa Goofy"? Das Tier wird nicht geschlachtet, so viel steht jetzt fest. Doch eigentlich ging es den Initiatoren der Proteste gar nicht um Goofys Leben, sonst wäre die Kampagne mit der Absage der Schlachtung gestoppt worden. Es ging um den Ochsen selbst und um seine Medienpräsenz. Und auch wenn die beiden Gnadenhöfe ihn nun nicht bekommen: Die öffentliche Aufmerksamkeit war bares (Spenden-)Geld wert. Mehr als jede andere vorweihnachtliche Werbeaktion.
Dass das auf Kosten der Schüler und eines ebenfalls gemeinnützigen, auf Spenden angewiesenen Museumsprojektes ging, das für die "edle Sache" in den Dreck gezogen wurde ... geschenkt. Ein bisschen Schwund ist halt immer.
Digitale Ausgabe agrarheute
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