Agrarexperte Ströbel: Biolandbau ist ökologisch nicht von Vorteil

Ökolandbau wird von Politikern und Umweltschützern als Rettung von Klima und Ernährung propagiert. Prof. Herbert Ströbel erklärt im Interview, wieso er das für den falschen Weg hält. Nicht mehr biologischer Anbau, sondern mehr Ökologisierung im konventionellen Anbau sollte das Ziel sein.
Prof. em. Dr. Herbert Ströbel ist Agrarökonom und lehrte Angewandte Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Bis zu seiner Emeritierung 2011 war er Dekan des Fachbereichs Landwirtschaft II in Triesdorf und Vizepräsident der Hochschule.
Er befasst sich seit den 1970er Jahren mit der deutschen und internationalen Agrarentwicklung und war in internationalen Entwicklungs- und Forschungsprojekten tätig. Von 1985 bis 1988 leitete er beispielsweise ein Forschungsprojekt zur Bodenfruchtbarkeit und Düngung in Kenia. Außerdem konzipierte und leitete er eine Vielzahl von internationalen Projekten zur landwirtschaftlichen Ausbildung an Universitäten und Fachschulen und zum Aufbau landwirtschaftlicher Beratungs- und Informationsdienste, vor allem in Ländern Osteuropas und Zentralasiens.
Im folgenden Interview erklärt er, warum er den einseitigen Fokus auf den Ausbau der Ökolandwirtschaft für falsch hält.
Ist der Biolandbau im Vergleich zum konventionellen sachlich und moralisch zu rechtfertigen?
Der Biolandbau sieht sich selbst als überlegene Form der Bodennutzung. Ob diese positive Sicht gerechtfertigt ist, lässt sich daran messen, inwieweit diese Landnutzungsform zur Lösung aktueller Probleme, wie Ernährungssicherung, Klimawandel, Biodiversität, Nitrateintrag, Lebensmittelqualität und Nachhaltigkeit der Bodenfruchtbarkeit beiträgt und zu welchen wirtschaftlichen und sozialen Kosten.
Ökofruchtfolgen bringen im Vergleich zu konventionellen nur etwa 50 Prozent des Ertrags. Sie haben je Tonne Ertrag nicht nur ungünstigere Treibhausgas- und Energiebilanzen, sondern auch eine höhere Nitratauswaschung. Langfristig verringern sie den Nährstoffgehalt des Bodens und gefährden die Nachhaltigkeit der Erträge. Schließlich verursachen sie bei gleichwertiger Produktqualität nahezu doppelte Produktionskosten und durch höheren Flächenbedarf zusätzlich soziale Kosten.
Diese Nachteile sind unabhängig vom Gesamtbedarf an Agrarprodukten und gelten deshalb auch dann, wenn wir die benötigte Produktmenge durch weniger Fleischkonsum und geringere Lebensmittelverluste reduzieren.
Und wie sieht es mit der Gesundheit der Erzeugnisse aus?
Bioprodukte sind nicht gesünder. Schaut man sich die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln an, spielt deren Toxizität im Vergleich zu den ohnehin in den Pflanzen vorkommenden natürlichen Giftstoffen kaum eine Rolle. Bioprodukte sind teils stärker mit Schwermetallen und Schimmelpilzen belastet.
Ich spreche dem Biolandbau nicht ab, in einigen Bereichen positive Beiträge für die Landwirtschaft zu leisten. Vorzuziehen ist aber – sachlich wie moralisch – der vernünftige konventionelle Landbau, wie ihn die überwiegende Zahl unserer Bauern betreibt.
Welche Rolle spielt der Bio-Landbau beim Klimaschutz – oder anders gefragt: Kann er dem Klimawandel entgegenwirken?
Für den Klimaschutz ist wichtig, dass im Interesse von Treibhausgasbindung, Artenvielfalt sowie Kohlenstoffeinlagerung möglichst viele Flächen für natürliche oder naturgeschützte Nutzung verbleiben. Hier ist der erhöhte Flächenbedarf des Biolandbaus ein Problem.
Für die gleiche Erntemenge ist bei Bio im Vergleich zu Konventionell entweder die doppelte Fläche nötig, oder fehlende Erträge müssen importiert werden. In beiden Fällen werden zusätzliche Flächen einer potenziell klimafreundlicheren Nutzung entzogen und auf die Bindung erheblicher Treibhausgasmengen verzichtet. Dieser Opportunitätsverlust führt dazu, dass Bio trotz leicht reduzierten CO2-Ausstoßes je Hektar weitaus mehr Treibhausgas je Tonne Ertrag emittiert.
Hinzu kommt, dass Landnutzungsänderungen, vor allem beim Umbruch von Grünland und bei Rodung von Wäldern im Ausland, mit zusätzlichem Treibhausgasausstoß verbunden ist und beim Transport über tausende Kilometer weitere Emissionen anfallen. Damit wird deutlich, dass Bio kein Problemlöser ist, sondern bei global begrenzter Ackerfläche zur Verschärfung der Klimakrise und Gefährdung der globalen Ernährungssicherung beiträgt.
Und warum wird der Ökolandbau dann staatlich so stark subventioniert?
Gegenwärtig erhält der Ökolandbau etwa doppelt so hohe Subventionen je Hektar wie der konventionelle. Über die Motive kann ich nur spekulieren. Weil Bio in der Öffentlichkeit so populär ist, zieht es auch Akteure mit politischem oder ökonomischem Kalkül an, so dass Bio inzwischen auch von sachfremden Motiven profitiert.
Die Förderung von Bio kommt beim Wähler gut an. Die Frage ist jedoch, ob Entscheidungsträger sich der Konsequenzen bewusst sind. Ich möchte ja nicht unterstellen, dass man mit Absicht ökologische Probleme exportiert und die Zerstörung unserer leistungsfähigen Landwirtschaft in Kauf nimmt, aber faktisch läuft es darauf hinaus.
Biosubventionen wären besser für die Förderung der weiteren Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt. Statt kompromisslose Ideologien zu fördern, wäre es Zeit, bewährte Konzepte des Klima- und Artenschutzes weiterzuentwickeln und in die Breite zu tragen.
Warum gehen selbst landwirtschaftliche Hochschulen so unkritisch mit diesem Thema um?
Ich argumentiere gegen ein Studienangebot im Bio-Landbau, weil durch die ideologische Ausrichtung zu viele Optionen ausblendet werden. Die Hochschule ist der Wissenschaft verpflichtet und sollte nicht als Multiplikator von Ideologien fungieren. Teilweise kann ich nachvollziehen, dass Hochschulen die Nachfrage nach solchen Studieninhalten befriedigen und dem Zeitgeist folgen, bedaure aber, dass die wissenschaftliche Sorgfalt oft auf der Strecke bleibt.
Ich zweifle an der Wissenschaftlichkeit, wenn selbst renommierte Institutionen wie das Thünen-Institut bzw. die Leopoldina angeblich schädliche Wirkungen des konventionellen Landbaus durch Hektarvergleiche feststellen und übersehen, dass eigentlich die Ertragsmenge als Bezugsgröße relevant wäre. Oder den chemischen Pflanzenschutz ohne Blick auf Erfolge und Bedeutung für die Welternährungssicherung für das Insektensterben verantwortlich machen und quasi abschaffen wollen, ohne dies wissenschaftlich ausreichend zu belegen.
Noch schwerwiegender ist, dass die Ausdehnung von Bio oft wissenschaftlich befürwortet wird, ohne die Opportunitätsverluste bezüglich Treibhausgasen, Artenvielfalt und Kohlenstoffspeicherung zu erwähnen.
Die Hochschulen folgen auch den Anreizen des wissenschaftlichen Umfelds und der Politik: Inzwischen sind Fördergelder für den Biolandbau mit vier Prozent naturalem Marktanteil leichter zu akquirieren als Forschungsmittel für die weitere Ökologisierung des konventionellen Landbaus, der die übrigen 96 Prozent liefert und damit ökologische Fortschritte weitaus wirksamer umsetzen könnte.
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