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Pflanzenschutz und Düngung

Agrarchemie: Ein Viertel weniger Pflanzenschutz schon jetzt möglich

Nahaufnahme junger Maispflanzen
am Mittwoch, 03.05.2023 - 13:14 (2 Kommentare)

Klimaneutraler Dünger und viel weniger Pflanzenschutz sind machbar, sagt die Industrie. Aber die Politik muss helfen.

IVA-Präsident Michael Wagner

Weniger pauschale Verbote und starre Auflagen, mehr Unterstützung für Innovationen wie biologischen Pflanzenschutz, grünes Ammoniak und Digitalisierung, das wünscht sich die Pflanzenschutz- und Düngemittelindustrie von der Politik. Nur dann werde der Umbau der Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit gelingen, sagte der Präsident des Industrieverbandes Agrar (IVA), Michael Wagner, heute (3.5.) auf der Jahrespressekonferenz des Verbandes in Frankfurt.

„Fast ein Viertel der ausgebrachten Pflanzenschutzmittel könnten theoretisch jetzt schon eingespart werden – ohne dabei Ertrag einzubüßen –, wenn alle Landwirte mit modernsten Technologien und teilflächenspezifischer Applikation arbeiten würden“, so Wagner. Dafür brauche es aber nicht nur Zuschüsse für den Kauf neuer Maschinen, sondern auch mehr Ausbildung und Beratung. Hier sieht Wagner den Staat gefordert.

Großhandel und Landwirte kaufen Pflanzenschutz auf Vorrat

Grafik zum Pflanzenschutzmarkt in Deutschland

Wagner versprach, die europäische Pflanzenschutzindustrie werde ihren Beitrag zum Umbau der Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Dazu investiert die Branche Milliarden in die Entwicklung von biologischen Pflanzenschutzmitteln sowie in die digitale und Präzisionslandwirtschaft.

Im vergangenen Jahr ist der Absatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland nach Angaben des IVA allerdings nicht zurückgegangen, sondern wertmäßig um 18,8 Prozent auf 1,43 Milliarden Euro gestiegen.

Wagner warnte jedoch vor der Fehlinterpretation, dass die Landwirte tatsächlich wieder deutlich mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt hätten. Treiber der Entwicklung war nach Darstellung des BASF-Managers, dass viele Landwirte aus Sorge vor einer Produktknappheit Einkäufe vorgezogen hätten. Zudem seien die Lagerbestände im Großhandel gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent gestiegen.

Politik soll umweltfreundliche Innovationen im Pflanzenschutz erleichtern

Für einen umweltfreundlicheren Pflanzenschutz wünscht sich die Industrie von der Politik Erleichterungen für die Zulassung von biologischen Pflanzenschutzmitteln. Zurzeit werden die sogenannten Biologicals nach denselben Maßstäben bewertet wie chemische Wirkstoffe.

Hier fordern die IVA-Firmen eine angepasste Risikoprüfung und europaweit verbindliche Leitlinien. Ziel müsse sein, biologische Pflanzenschutzmittel schneller zuzulassen.

Mit Blick auf die geplante neue EU-Verordnung für nachhaltigen Pflanzenschutz (SUR) sieht der IVA dringenden Bedarf zur Überarbeitung des Kommissionsvorschlags. Das Ziel der Verordnung müsse eine Reduktion des Risikos sein, nicht der Menge. Nach Angaben des IVA hat sich der harmonisierte Risikoindex (HRI 1) des Pflanzenschutzeinsatzes in der EU in den vergangenen zehn Jahren bereits fast halbiert.

Landwirte legen bei Mineraldünger eine Vollbremsung hin

Deutlich zurückgegangen ist im Düngejahr 2021/22 der Absatz von Mineraldünger an deutsche Landwirte. Ursächlich war die Kombination aus einer verbreiteten Trockenheit und sehr hohen Düngerpreisen. Die Preissprünge bewegten sich bei den Makronährstoffen laut IVA zwischen 60 Prozent für Kali und 175 Prozent für Stickstoff.

Beim wichtigsten Nährstoff Stickstoff sank der Absatz gegenüber dem Vorjahr daher um 13,4 Prozent auf 1,097 Millionen Tonnen. Der Phosphatabsatz brach um 40 Prozent auf nur noch 114.000 Tonnen ein. Damit wurde der Phosphatabsatz innerhalb von zwei Jahren mehr als halbiert. Mit 305.800 Tonnen ging der Verkauf von Kalidünger um etwa ein Drittel auf den niedrigsten Stand der vergangenen zehn Jahre zurück.

Der IVA beobachtet, dass die Landwirte den Mineraldünger vermehrt durch organische Dünger wie Gülle ersetzen.

Nachfrage nach Dünger dürfte 2023 wieder anziehen

Aktuell liegt der Absatz von Stickstoffdünger von Juli 2022 bis Februar 2023 erneut um 20 Prozent unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums.

Marco Fleischmann, der Vorsitzende des IVA-Fachbereichs Pflanzenernährung, rechnet jedoch für den weiteren Jahresverlauf mit einer steigenden Nachfrage der Landwirte nach Mineraldünger. Zum einen sind die Düngerpreise erheblich gefallen, zum anderen haben die Ackerbauern Nachholbedarf.

Die guten Wachstumsbedingungen in der laufenden Saison lassen ebenfalls eine höhere Düngernachfrage erwarten. Für den Absatz von Pflanzenschutzmitteln rechnet Wagner 2023 mit einer eher rückläufigen Menge.

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