Die Ankündigung von Aldi Nord und Süd, bis 2030 bei Frischfleisch vollständig auf besonders tierwohlgerechte Haltung in den Stufen 3 und 4 umzustellen, bedürfe dringend der Klärung offener Fragen zur Umsetzung. „Die Tierhalter brauchen Antworten, wenn sie diesen Weg mitgehen sollen“, heißt es in einem Schreiben der Präsidenten von DBV und DRV, Joachim Rukwied und Franz-Josef Holzenkamp, DBV-Veredelungspräsident Hubertus Beringmeier sowie dem stellvertretenden BRS-Vorsitzenden Paul Hegemann an die Geschäftsführung der Discounter-Ketten.
Die Agrarverbände betonen die Bereitschaft der Tierhalter zur Weiterentwicklung der Haltungsbedingungen. Das gelte auch für die von Aldi in Aussicht gestellten Ziele. Wenn dieser angestrebte Weg ernsthafte Chancen auf Realisierung haben solle, bedürfe es aber langfristiger Planbarkeit, Verlässlichkeit und weiteren Weichenstellungen, „die nur gemeinsam mit der Erzeugerseite erfolgen können“, so die Branchenvertreter. Notwendig seien „ein klares Signal und mehr Vertrauensbildung in die Landwirtschaft.“ Andernfalls verfestige sich der Eindruck, „dass dieses Tierwohlversprechen vorrangig dem öffentlichen Erscheinungsbild dienen soll.“
Nicht nur Frischfleisch einbeziehen
In dem Schreiben werden fünf Themen genannt, die dringend der Klärung bedürften. So sei nicht nachvollziehbar, dass nur Frischfleisch aus besonders tierwohlgerechter Haltung vermarktet werden solle. Da ein erheblicher Anteil des Schlachtkörpers und damit der Wertschöpfung in Verarbeitungsware gehe, sei es nachhaltiger, möglichst alle Fleischerzeugnisse einzubeziehen. Offen ist den Branchenverbänden zufolge, wie die Haltungsstandards und die Herkunftskennzeichnung durchgängig sichergestellt und wie dabei mit ausländischen Waren verfahren werden soll.
Nicht sachgerecht wäre es laut den Verbänden, die höheren Anforderungen nur an Masttiere zu stellen. Aus Gründen der Glaubwürdigkeit müssten stattdessen auch Aufzucht und Muttertiere, also insbesondere Sauenhaltung und Ferkelaufzucht, einbezogen werden. Völlig offen sei bislang auch, wie die Preisbildung und das Vertragsmodell für Fleisch der Haltungsstufen 3 und 4 aussehen solle. Hierzu brauche man ebenso dringend Informationen wie zu einer möglichen Ausweitung der Initiative auf den gesamten Lebensmitteleinzelhandel.
Landwirte brauchen Planungssicherheit für ihre Investitionen
Die Verbraucherzentralen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz forderten den Handel auf, den Landwirten Planungssicherheit zu geben in Form von langfristigen Abnahmeverträgen zu kostendeckenden Preisen. Nur so könnten die Tierhalter das finanzielle Risiko der hohen Investitionen eingehen, die für die Umstellung der Tierhaltung nötig seien, erklärten die Verbraucherverbände. Sie wollen genau im Blick behalten, ob die Handelsketten ihre Versprechen auch tatsächlich einlösen.
Nach Ansicht der Verbraucherzentralen sind Schritte in Richtung mehr Tierschutz in der Nutztierhaltung dringend überfällig. Auch die übrigen Handelsunternehmen sollten sich den Ankündigungen von Aldi und Lidl anschließen. Deutlich verbesserte Lebensbedingungen gebe es erst ab Haltungsform 3. Laut einem Marktcheck der Verbraucherzentralen im Sommer 2020 stammt mehr als die Hälfte des Fleischangebots aus Haltungsform 1. Gut ein Drittel entspricht der Haltungsform 2. Nur bei etwa 13 Prozent wurden die Haltungsformen 3 und 4 eingehalten.
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