Es war absehbar, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland die Ekosem-Gruppe hart treffen würden. Die Agrarholding finanziert sich unter anderem über zwei Anleihen, die am deutschen Kapitalmarkt platziert sind. Gestern nun musste das Unternehmen die Notbremse ziehen: In einer Ad-hoc-Mitteilung kündigte die Ekosem-Agrar AG an, dass die im Dezember 2022 endfällige Anleihe (ISIN: DE000A1R0RZ5) nach Einschätzung des Managements und seiner Finanzberater aufgrund der aktuellen Lage voraussichtlich nicht refinanziert werden kann.
Darum schlägt die Gruppe den Anleihegläubigern vor, diese Anleihe und die zweite Anleihe mit Endfälligkeit in 2024 (ISIN: DE000A2YNR08) um jeweils fünf Jahre zu verlängern.
Erzwungener Verkauf an russische Gesellschaften nicht auszuschließen
Damit sind die schlechten Nachrichten für Anleger aber noch nicht zu Ende: Die Verzinsung der Papiere soll von 8,5 Prozent beziehungsweise 7,5 Prozent auf jeweils 2,5 Prozent reduziert werden. Die niedrigere Rendite soll rückwirkend ab dem letzten Zinszahlungstermin greifen.
Das dickste Osterei aber ist: Die Anleiheinhaber sollen erklären, dass sie auf die Option zur vorgezogenen Rückzahlung verzichten, falls die Ekosem-Gruppe operative Gesellschaften in Russland verkaufen muss. Sie verzichten damit nach Darstellung des Unternehmens jedoch nicht auf ihren Anspruch auf reguläre Rückzahlung der Anleihe bei Endfälligkeit.
Nach Angaben des Managements ist der Verzicht auf die Option wichtig, weil das Unternehmen im Falle einer drohenden Enteignung, eines Finanzierungsverbots oder weiterer möglicher Restriktionen für ausländische Gesellschaften nur durch einen Verkauf der Anteile an eine in Russland ansässige Gesellschaft den Totalverlust der Vermögenswerte vermeiden kann. „Solche Maßnahmen wurden in Russland bereits diskutiert und für einige bestimmte Fälle in Kraft gesetzt“, berichtet Ekosem. Darauf will die Gruppe ihre Gläubiger vorbereiten.
Gläubiger sollen neuen Anleihebedingungen zustimmen
Am Mittwochmorgen (6.4.) werden die beiden Ekosem-Anleihen mit nur 12 beziehungsweise 17 Prozent ihres Nennwertes gehandelt. Für morgen (7.4.) hat die Ekosem-Holding eine Telefonkonferenz für Investoren angekündigt. Am 9. und 10. Mai sollen die Anleihegläubiger in außerordentlichen Versammlungen der Änderung der Anleihebedingungen möglichst zustimmen.
Stefan Dürr hat damit seinen Notfallplan vorgelegt. Der in Eberbach am Neckar aufgewachsene Landwirt hatte sich bis jetzt zum Ukraine-Krieg nicht offiziell geäußert. Auf eine Anfrage der Redaktion agrarheute zu Beginn der Invasion ließ Dürr mitteilen, der Vorstand wolle sich momentan nicht zum „Russland-Ukraine-Konflikt“ äußern.
Auch in der Ad-hoc-Mitteilung von gestern spricht Dürr, der von Wladimir Putin die russische Staatsbürgerschaft erhalten hat, wieder von einem „Russland-Ukraine-Konflikt“. Das Wort Krieg wird in der Mitteilung vermieden.
Stefan Dürr distanziert sich nicht eindeutig von Putins kriegerischer Politik
Dürr ist Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär der Ekosem-Agrar AG. Nach seinen Worten war die aktuelle Situation „für uns nicht vorhersehbar“. Er sagt: „Unser Unternehmen steht seit über 20 Jahren symbolisch für eine erfolgreiche deutsch-russische Zusammenarbeit und für einen fruchtbaren Dialog und Wissenstransfer zwischen unseren Ländern.“ Umso Betroffener mache ihn die jüngste Eskalation im „Russland-Ukraine-Konflikt“ und das damit verbundene Leid von Millionen Menschen.
Dürr äußerte die Hoffnung auf eine baldige friedliche Lösung und eine schnelle Rückkehr zum Dialog. Von der kriegerischen Politik Putins, den Dürr in der Vergangenheit unterstützte, distanziert sich Russlands größter Milcherzeuger weiterhin nicht.