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Düngermarkt

Energiepreise: SKW Stickstoffwerke warnen vor Abwanderung ins Ausland

Nach Linz in Oberösterreich könnte ein Teil von Deutschlands größter Ammoniak- und Harnstoffproduktion bald verlagert werden.
am Mittwoch, 13.09.2023 - 13:30 (Jetzt kommentieren)

Die SKW Stickstoffwerke Piesteritz, Deutschlands größter Ammoniak- und Harnstoffhersteller, könnten einen Teil ihrer Produktion ins Ausland verlagern. Dort ist das Gas wesentlich kostengünstiger als in Deutschland.

Update vom 13. September 2023: 

Gegenüber agrarheute betonte der SKW-Sprecher Christopher Profitlich, dass es im Unternehmen keinen konkreten Verlagerungsplan gebe. Eine entsprechende Entscheidung werde nicht vorbereitet. Es gehe stattdessen darum, darauf aufmerksam zu machen, dass SKW den Standort verlassen müsste, wenn die deutsche Gesellschaft nicht aus ihrem Dornröschenschlaf aufwache. „Viele Unternehmen verlassen Deutschland auf leisen Sohlen. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht raus“, so Profitlich. 

Seit letztem Jahr laufe der Betrieb bei den SKW Stickstoffwerken nur noch mit 50-prozentiger Auslastung. Das werde sich in nächster Zeit voraussichtlich auch nicht ändern. „Der Kostennachteil in Deutschland ist gigantisch geworden“, sagte Profitlich mit Blick auf die Düngemittelimporte aus Russland. Zwar seien viele deutsche Landwirte bereit, für bessere Qualität auch mehr zu zahlen, aber irgendwann sei die Grenze erreicht. 

Profitlich gab die Prognose ab, dass wegen der vermehrten Nutzung russischen Düngers die Nitratwerte in Deutschland steigen werden. Die russischen Düngemittel verfügten nicht über Inhibitoren und ihre Zusammensetzung verändere sich im Laufe der Zeit. So sei für die Landwirte keine präzise Ausbringung möglich und es komme zu Nitratauswaschung und Ausgasung. In Piesteritz würden dagegen qualitativ hochwertige Düngemittel hergestellt. Außerdem beschäftigten sich Wissenschaftler am Standort damit, wie die Produktion „defossilisiert“ werden könne, erklärte der SKW-Sprecher. 

Darüber hinaus machte Profitlich auf die Widersprüche aufmerksam, die die deutsche und europäische Politik derzeit hervorbringe. Weil Russland sein Gas nicht anderweitig loswerde, würden dort mehr Düngemittel produziert, die derzeit den deutschen Markt überschwemmten. „Europa verlagert die Wertschöpfung nach Russland in Kriegszeiten“, warnt er. Bei den Importen aus Russland würden die in Deutschland sonst so hervorgehobenen Sozial- und Umweltstandards ignoriert. 

Noch immer leiden die SKW Stickstoffwerke Piesteritz aus Wittenberg unter den hohen Energiepreisen. Vor einem Jahr schon hatte das Werk seinen Betrieb zwischenzeitlich stilllegen müssen und vor den Folgen der massiv gestiegenen Gaspreise gewarnt.

Bereits seit 2006 gehören die SKW Stickstoffwerke zum tschechischen Agrarkonzern Agrofert. Anfang vergangener Woche berichtete die F.A.Z., dass der stellvertretende Vorstandschef von Agrofert, Petr Cingr, eine zu teure Produktion in Piesteritz beklagt habe. Der Betrieb der Stickstoffwerke in voller Kapazität führe zu hohen zusätzlichen Kosten. In Österreich und Frankreich sei das Gas um 20 Prozent günstiger.

Gaspreise: SKW Stickstoffwerke fordern Bundesregierung zu Maßnahmen auf

Deshalb plane Cingr, 10 bis 20 Prozent der Produktion in Piesteritz ins österreichische Linz zu verlagern. Dort hatte Agrofert im letzten Jahr auch das Düngemittelwerk von Borealis übernommen. Nach Informationen der F.A.Z. habe Agrofert derzeit mit der wirtschaftlichen Lage zu kämpfen, was den geäußerten Schritt zur Produktionsverlagerung erklären könnte.

Für die SKW Stickstoffwerke steckt in der Diskussion um eine mögliche Auslagerung nach Österreich vor allem zunächst ein politischer Appell. Der MDR berichtet, dass das Unternehmen damit drohe, die Produktion nach Österreich auszulagern, wenn die Bundesregierung nicht die hohe staatliche Umlage senkt. Im Moment heißt es aber noch, dass SKW in Piesteritz bleiben soll. Eine Schließung des Werks stehe auf keinen Fall zur Debatte, sagt der Unternehmenssprecher im MDR-Interview. SKW müsse aber reagieren, wenn die Bundesregierung nicht handelt. Entlassungen am Standort seien nicht geplant.

Ministerpräsident Haseloff will ausgewogene Sanktionspolitik gegen Russland

Neben der teuren Produktion wegen der hohen Energiepreise seien es aber auch die Düngemittelimporte aus Russland, die dem Unternehmen zu schaffen machen. Die von den Sanktionen ausgenommenen Düngemittelimporte stehen laut F.A.Z. beim Agrofert-Konzernchef Cingr in der Kritik – aber auch bei Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff. Dieser hatte sich am vergangenen Donnerstag (07.09.) schriftlich an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt.
In seinem Brief stellt Haseloff fest, dass die deutschen Harnstoffimporte aus Russland im ersten Halbjahr 2023 um 670 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen seien. Der Marktanteil der Importware betrage inzwischen 80 Prozent. „Hatte Deutschland bereits einen kritischen Grad an Abhängigkeit bei Düngemitteln aus dem Ausland, so steigt diese Abhängigkeit nun weiter, und zwar von jenem Land, aus dessen Abhängigkeit Ihre Regierung Deutschland gerade herausführen wollte“, so der CDU-Politiker.
Um den Wettbewerbsnachteilen zu begegnen, forderte Haseloff von Scholz, die Mehrbelastungen aus nationalen Umlagen zurückzunehmen, den Spitzenlastenausgleich nicht zu streichen und flexible Hilfsinstrumente für die energieintensive Industrie zu schaffen. Darüber hinaus sprach sich der Ministerpräsident für eine ausgewogene europäische Sanktionspolitik gegen Russland aus.

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