
Deutschland verbraucht mehr Energie. Der Grund: der Wirtschafts-Aufschwung nach Corona und eine Welle der„Elektrifizierung“. Doch der Zuwachs kommt nicht aus erneuerbaren Energien. Im Gegenteil: Deren Anteil schrumpft sogar.
Dafür wurde deutlich mehr Kohle, Erdgas und Atomstrom verbraucht, obwohl die Kapazitäten für diese Energiearten immer weiter runter gefahren werden. Das ist natürlich ein Grund für die steil ansteigenden Preise dieser administrativ verknappten Energieträger.
Doch eins nach dem anderen: Der Energieverbrauch in Deutschland wird in diesem Jahr voraussichtlich um reichlich 3 Prozent ansteigen. Das erwartet jedenfalls die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen auf der Grundlage der Verbrauchsdaten in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres. Der Anstieg war von Ökonomen und Energieexperten in etwa erwartet worden, denn die wirtschaftliche Erholung 2021 musste notwenigerweise auch zu einem Mehrverbrauch führen.
Doch wer nun einen Boom der Erneuerbaren erwartet hat, reibt sich verwundet die Augen. Ohne fossile Energie und Atomkraft, wären wohl vielerorts die Lichter ausgegangen bzw. die Produktion hätte gedrosselt werden müssen – wie das unter anderem in dem unter massivem Energiemangel leidenden China der Fall der war. Dort führte massiver Strommangel zu Werksschließungen, Produktionsunterbrechungen und jeder Menge Kurzarbeit – ganz unabhängig von den ohnehin bestehenden Lieferketten- und Logistikproblemen.
Kohle: Plus 20 bis 26 Prozent

Aber noch mal zu den Zahlen: Das dickste Plus in der offiziellen Verbrauchsstatistik melden ausgerechnet die klimapolitisch verketzerten und von der Kapazität schon deutlich gedrosselten Kohlekraftwerke. So stieg der Verbrauch bei Steinkohle in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres um 20 Prozent.
Beim Einsatz von Steinkohle zur Strom- und Wärmeerzeugung kam es als Folge der kühlen und der gegenüber dem Vorjahr windarmen Witterung zu einem Zuwachs von 28 Prozent. Der Einsatz von Koks und Kohle in der Stahlindustrie nahm ebenfalls zu und erhöhte sich um 15 Prozent. Der Verbrauch von Braunkohle nahm in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 sogar um 25,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.
Der Zuwachs wird von Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen damit begründet, dass die im Vorjahreszeitraum witterungsbedingt hohe Einspeisung von Strom aus Windanlagen in diesem Jahr deutlich niedriger war und außerdem „eine andere Wettbewerbssituation auf dem Strommarkt vorliegt“. Gemeint sind hier auch die explodierenden Strompreise die mittweile auch zu erheblichen Problemen bei kleineren grünen Energieunternehmen (immergrün) geführt haben – bis hin zu drastischen Strompreiserhöhungen.
Dickes Plus bei Atomenergie und Erdgas
Und es gibt noch einen Überraschungssieger: Nämlich die Kernenergie. Für die ersten neun Monate 2021 errechnete die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen einen Anstieg der Atom-Stromproduktion von 8,2 Prozent. Doch an dieser Stelle dürft bald eine große Lücke klaffen, die wohl so schnell nicht zu stopfen ist. Wegen des beschlossenen Kernenergieausstiegs werden zum Jahresende 2021 Kraftwerke Grohnde, Brokdorf sowie Grundremmingen C mit zusammen mehr als 4.000 Megawatt (MW) Stromerzeugungsleistung stillgelegt.
Auch Erdgas hat seinen Anteil am Energiemix deutlich ausgebaut – trotz der geradezu dramatisch gestiegenen Preise. Der Erdgasverbrauch nahm immerhin um 8,5 Prozent zu. Und der Winter 2021/22 steht erst noch bevor. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen erkärt den Boom mit der bereits in den ersten fünf Monaten mit einer deutlich kühleren und windärmeren Witterung, die zum Mehreinsatz von Erdgas sowohl in der Wärme- wie auch in der Stromerzeugung führte.
Ab der Jahresmitte sorgte dann der extreme Preisanstieg dann für einen Mehreinsatz anderer Energieträger in der Strom- und Wärmeerzeugung, heißt es weiter. Deutlich rückläufig war preis- und pandemiebedingt hingegen der Verbrauch von Mineralöl mit etwa 7 Prozent. Benzin wurde um 1,1 Prozent und der von Dieselkraftstoff um 3,7 Prozent weniger verbraucht. Der Absatz von leichtem Heizöl verminderte sich um 38 Prozent. Der Absatz von Flugkraftstoff stieg zum Ende der Pandemie um 15,5 Prozent.
Erneuerbare im Minus – schlechtes Wetter?

Eindeutige Verlierer beim Energiemix sind die erneuerbaren Energien. Ihr Beitrag zum Primärenergieverbrauch schrumpfte in den ersten neun Monaten um insgesamt 2 Prozent. Vor dem Hintergrund des Verbrauchsanstiegs reduzierte sich der Anteil der Erneuerbaren am gesamten Energieverbrauch (Energiemix) auf 16,1 Prozent. Während die Wasserkraftwerke um 14 Prozent zulegen konnten, kam es bei der Windenergieanlagen an Land zu einem Rückgang der Stromerzeugung um 18 Prozent und auf See um 14 Prozent.
Die Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen erreichte knapp die Höhe des Vorjahreszeitraumes. Biomasse, deren Anteil an den gesamten erneuerbaren Energien bei über 50 Prozent liegt, verzeichnete einen Verbrauchsanstieg von 3 Prozent.
In Deutschland wird der Stromverbrauch bis 2030 nach einer Analyse des Wirtschaftsministeriums deutlich ansteigen. Demnach wird der Bruttostromverbrauch im Jahr 2030 auf 658 Terawattstunden geschätzt. Das sind rund elf Prozent mehr als im Jahr 2018, wie aus der vom geschäftsführenden Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorgelegten Analyse hervorgeht. Damit wurden die Berechnungen von Mitte Juli präzisiert. Damals kam man zum Ergebnis, dass der Stromverbrauch 2030 zwischen 645 und 665 Terawattstunden liegt.
Der zusätzliche Strom soll vor allem aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne kommen. Haupttreiber für den enormen Anstieg des Stromverbrauchs sind nach der Analyse ein steigender Anteil der E-Mobilität und elektrischer Wärmepumpen in Gebäuden - sowie die Erzeugung von Elektrolyse-Wasserstoff und die Produktion von Batterien. Da kann man wirklich gespannt sein, wie das funktionieren soll. Falls wieder mal das Wetter schlecht ist.
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