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Hausbau mal anders

Einfamilienhaus aus dem 3D-Drucker – Bauzeit: 100 Stunden

haus bauen.
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Dr. Olaf Zinke, agrarheute
am Dienstag, 15.11.2022 - 10:03 (Jetzt kommentieren)

Ein Haus aus dem 3D-Drucker: 100 Stunden Druckzeit hat es gedauert. Kostenpunkt: 450.000 Euro – inklusive Fördermittel. Ein Modell für die Zukunft?

Voraussetzung war allerdings monatelange Planung. Ein Absolvent und ein Student des Fachbereichs Architektur, der Münster School of Architecture (MSA), waren die Baumeister: Waldemar Korte und Alexander Hoffmann vom Planungsbüro Mense-Korte ingenieure + architekten.

„Wir haben zuerst ein 3D-Modell entworfen und dieses immer weiter verbessert“, erzählt Waldemar Korte.  Herausforderung war dabei: Es gibt nahezu keine Erfahrungen. „Das Thema 3D-Druck im Hausbau ist komplett neu. Wir mussten uns also selbst erst einmal einfinden“, sagt Alexander Hoffmann.

Gebaut oder sollet man besser sagen gedruckt – wurde das Haus im nordrhein-westfälischen Beckum ist. Das zweigeschossige Einfamilienhaus mit rund 160 Quadratmetern Wohnfläche ist damit das erste seiner Art in Deutschland. Möglich war das dank des Förderprogramms „Innovatives Bauen“, das vom Land Nordrhein-Westfalen mit 200.000 Euro gefördert wurde. Der Preis für das Beckumer 3D Drucker Haus liegt insgesamt bei rund 450.000 Euro.

Gedruckt wurde das Haus mit einem sogenannten Portaldrucker: Lediglich zwei Personen sind notwendig, um die Maschine zu bedienen. Die Druckergebnisse werden mit einer Kamera überwacht. Ansonsten verrichtet der Drucker das Werk. Das Betongemisch wird dabei mit einer Spritze Lage um Lage aufgetragen.

Der 3D-Drucker sprüht ein spezielles Betongemisch, aus dem innerhalb weniger Stunden die runden Wände entstehen − ein Haus aus einem Guss. Weil der Beton in einzelnen Schichten aufgetragen wird, spricht man auch von additiver Fertigung. Wie bei einer Torte wird Schicht für Schicht der "Betonteig" aufgetragen.

Gut erkennbar ist die Konstruktion des Hauses aus dreischaligen Wänden. Diese werden anschließend mit Isoliermasse verfüllt.

Fünfzig Stunden Bauzeit pro Etage

Die gesamte Druckzeit des 160 Quadratmeter großen Gebäudes betrug gerade einmal 100 Stunden – fünfzig Stunden pro Geschoss – insgesamt also knapp über vier Tage. Dabei habe man „nur“ mit halber Geschwindigkeit gearbeitet, der gleiche Bau wäre demnach in 50 Stunden möglich.

Pro 15 Minuten schafft der Drucker dabei circa eine Runde, in der er rund zwei Zentimeter Beton anhäufen könnte, genauer gesagt: schnell trocknender Zementmörtel. Durch diese Methode bekommt das Gebäude ein wellenartiges Aussehen. Zum Vergleich: Bei einer herkömmlichen Bauweise ist mit ungefähr fünf Monaten Bauzeit für ein Einfamilienhaus zu rechnen.

Durch die innovative Technik lässt sich gegenüber den herkömmlichen Bauweisen nicht nur erheblich Zeit einsparen, auch ist der Ressourcenverbrauch deutlich geringer. Beispielsweise kann durch die präzise Fertigung die Materialmenge für die Wände im Vergleich zu anderen massiven Wandkonstruktionen bis zur Hälfte reduziert werden.

„Das alles zu planen, war eine große Herausforderung. Fehler durften wir auf keinen Fall machen, weil sonst falsch gedruckt worden wäre. Und das im Nachhinein zu korrigieren, wäre nur mit sehr viel Aufwand möglich gewesen.“ Denn gedruckt wurde mit Zementmörtel, der sehr schnell trocknet.

„Auch deshalb waren wir beim gesamten Druckprozess vor Ort, um zumindest den Prozess sofort stoppen zu können. Wir hätten dann nur 15 Minuten Zeit gehabt, um das digitale Modell zu korrigieren“, sagt Waldemar Hoffmann.

Decken kann der Drucker nicht – Vorbehalte in der Baubranche

Wände zu drucken ist für den 3D-Drucker kein Problem, dafür aber die Herstellung von Decken. Die Decke des Hauses besteht deshalb aus Betonfertigteilen, die ebenfalls vollautomatisiert hergestellt wurden. Eine Besonderheit der Decken war zudem der Einbau eines Flächenheiz- und Kühlsystems, das direkt in die Betondecken integriert wurde.

Auf der Baustelle mussten dann nur noch die Anschlüsse miteinander verbunden werden. Ähnlich wie bei einer klassischen Fußbodenheizung wird so eine gleichmäßige Beheizung der Wohnräume ermöglicht. Die nötige Energie dafür liefert eine Luft/Wasser-Wärmepumpe. Eineinhalb Jahre bleibt das Haus Ausstellungsobjekt, dann zieht eine Familie dort ein.

Derweil hoffen Waldemar und Alexander, ein gutes Beispiel für andere Planungsbüros zu liefern. „Es wäre schön, wenn das Thema 3D-Druck in der Baubranche noch mehr Anklang finden würde. Vieles ist möglich, man muss sich einfach nur trauen“, sagt Waldemar. Er räumt aber auch ein: Realisiert werden konnte das Vorhaben nur dank der Sponsoren und weil alle Beteiligten unentgeltlich arbeiten.

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