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Fleisch für Putins Russland

Fleischindustrie XXL: Das Imperium der russischen Linnik-Brüder

In einem Miratorg-Werk zerlegen Arbeiter Schlachtkörper am Band
am Sonntag, 12.02.2023 - 05:00 (1 Kommentar)

Die Agrarholding Miratorg ist Russlands größter Schweinehalter – aber nicht nur das. Wer steckt hinter dem Unternehmen?

Die Miratorg-Gruppe ist nicht nur Russlands größter Schweinehalter, sondern, gemessen am Umsatz, auch der größte Fleischproduzent der Föderation. Nach Angaben der russischen Ratingagentur Expert RA ist Miratorg mit Abstand Marktführer bei Schweine- und Rindfleisch. Außerdem gehört die Gruppe zu den Top 10 der russischen Geflügelproduzenten. Aber wer steckt hinter dem Imperium?

Wer steckt hinter dem Riesenkonzern Miratorg?

Miratorg-Präsident Viktor Linnik und Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew

Das Unternehmen Miratorg wurde 1995 von den Zwillingsbrüdern Alexander und Viktor Linnik gegründet. Ihr Geschäft bauten sie anfangs mit Fleischimporten aus Südamerika nach Russland auf. Dazu unterzeichneten sie Exklusivverträge mit südamerikanischen Exporteuren.

Nach wie vor kontrollieren die Linnik-Brüder den Konzern. Bis Mitte 2022 taten sie dies laut Interfax über ihre auf Zypern registrierte Holding Agromir, nunmehr teilen sich die beiden Fleisch-Zaren die Anteile direkt.

Beide stehen trotz des Ukraine-Krieges nicht auf der Liste der von EU-Sanktionen betroffenen Personen.

Wie groß ist das Fleischimperium Miratorg?

Für 2021 gab Miratorg seine Produktion von Schweinefleisch mit über 550.000 t an. Damit wurde jedes zehnte Kilogramm Schweinefleisch in Russland auf den Farmen des Betriebs produziert. Im Sommer 2022 kündigte der Konzern den Bau von sechs weiteren Schweinezuchtkomplexen für über 20.800 Sauen an.

Außerdem produzierte das Unternehmen 2021 rund 200.000 t Rindfleisch. In der Region Kursk betreibt die Gruppe den nach eigenen Angaben größten Schlachtbetrieb Europas mit einer Kapazität von 4,8 Millionen Tieren pro Jahr.

Darüber hinaus gilt die Holding mit mehr als 1 Million Hektar als Russlands größter Landbesitzer. In den Regionen Belgorod, Kursk, Orjol, Tula und Stawropol erwartete Miratorg im vorigen Sommer eine Ernte von etwa 1,56 Mio t Getreide, Soja und Mais.

Wie ist Miratorg organisiert?

Ein Restaurant der Miratorg-Gruppe

Die Linnik-Brüder setzen konsequent auf vertikale Integration. Ihr Unternehmen deckt die komplette Produktionskette ab vom Anbau von Getreide und Hülsenfrüchten über die Zucht und Mast von Schweinen, Rindern und Geflügel über die Schlachtung bis hin zur Verarbeitung zu Fertiggerichten und eigenen Verbrauchermärkten, Restaurants und Imbissfilialen.

Die Logistik hat Miratorg ebenfalls selbst in die Hand genommen. Seit der Eröffnung der ersten Vertriebsniederlassung in Kaliningrad im Jahr 1997 ist ein Netzwerk aus 14 Distributionszentren in ganz Russland entstanden. Derzeit beschäftigt Miratorg fast 40.000 Mitarbeiter.

Ist Miratorg für Russland systemrelevant?

Als größter Fleischerzeuger des Landes gilt Miratorg für den Kreml als strategisch wichtiges Unternehmen. Womöglich auch deshalb wurde Miratorg im März 2022, kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine, zum Ziel einer Hackerattacke.

Die Angreifer verschlüsselten laut „Cybernews“ einen Teil der IT-Systeme. Das führte zu tagelangen Störungen im Betriebsablauf. Der russische Veterinärdienst Rosselkhoznadzor bestätigte die Attacke. Entgegen üblichen Erpressermustern wurde von Miratorg aber kein Lösegeld gefordert. Das weckte den Verdacht, dass der Angriff ein Racheakt westlicher Hacker wegen der russischen Invasion in der Ukraine gewesen sein könnte.

Wie viel Geld verdient Miratorg?

Miratorg-Cowboys

Nach Angaben der russischen Ratingagentur Expert RA gibt Miratorg zwar regelmäßig Halbjahreszahlen heraus, allerdings ohne ein operatives Ergebnis zu nennen. Der Konzern erstellt auch keinen Geschäftsbericht.

Die Ratingexperten bezifferten den Umsatz der Gruppe im Oktober 2022 für das erste Halbjahr 2022 auf 97,2 Milliarden Rubel (1,3 Milliarden Euro). Der Nettogewinn nach IFRS-Standards soll mit -1,9 Milliarden Rubel (-24,8 Millionen Euro) negativ ausgefallen sein. Das Vermögen der Gruppe gibt die Ratingagentur zum 30.06.2022 mit 461,4 Milliarden Rubel (6,0 Milliarden Euro) an. Die operative Marge vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern schätzt die Agentur auf 24 Prozent.

Negativ bewerten die Analysten den hohen Verschuldungsgrad des Unternehmens. Allerdings lauten die Verbindlichkeiten auf Rubel. Das Unternehmen habe keine Schulden in Fremdwährung. Fakt ist, das schnelle Wachstum der Gruppe wurde zu einem erheblichen Teil staatlich gefördert.

Wie Betrüger den Namen Miratorg missbrauchen

Korruption und Betrug machen dem russischen Konzern zu schaffen. Anfang Februar gab das Unternehmen bekannt, dass Betrüger unter Nutzung des Firmennamens Miratorg eine Betrugsmasche „in industriellem Maßstab“ aufgezogen hätten.

Die Fälscher forderten Lieferanten in Mailings auf, sich auf Ausschreibungen von Miratorg zu bewerben. Im nächsten Schritt informierten die Betrüger die Zulieferer, dass sie die – vorgetäuschte – Ausschreibung gewonnen hätten, und darum jetzt vorab Verwaltungs- und Auditgebühren zahlen müssten. Miratorg distanziert sich von diesen Vorgängen.

Erst im Juli vergangenen Jahres waren eine kaufmännische Direktorin und drei weitere Mitarbeiter des Unternehmens von einem Gericht in Moskau zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Gemeinsam sollen sie dem Unternehmen durch den Verkauf von Fleisch auf eigene Rechnung umgerechnet einen Gesamtschaden von 1,7 Millionen Euro zugefügt haben.

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