Die Spotmarktpreise für Erdgas lagen am Freitag bei fast 133 Euro pro Mwh, genauso hoch wie am Vortag, was auf Schlussbasis der höchste Stand seit dem 9. März war. Damals hatten Händler auf Deutschlands Warnungen vor einem Markteinbruch und dem Risiko weiterer Lieferkürzungen von Gazprom reagiert. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der EU und Gazproms größter Kunde.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat nun die zweite Stufe des Gasnotfallplans ausgerufen, der eine strengere Überwachung des Marktes und auch die Reaktivierung von Kohlekraftwerken umfasst. Die Preise sind steil angestiegen, seit Gazprom den Transport durch die wichtige Nord Stream-Pipeline gedrosselt hat. Mittlerweile sind zwölf EU-Länder von Versorgungsmangel betroffen oder komplett abgeschnitten. Die Ziele Deutschlands und der EU, zur Wiederauffüllung der Speicher vor der nächsten Heizperiode im Winter, sind damit massiv gefährdet.
Die Preise steigen aber auch, weil Händler die Erwartungen niedrigerer LNG-Importe aus den USA eingepreist haben, nachdem dort eine Explosion ein wichtiges Exportterminal für mindestens 3 Monate funktionsunfähig gemacht hat.
Gas ist nach Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck „von nun an ein knappes Gut in Deutschland". Und weiter sagt der Minister: "Dies sage ich, obwohl die Versorgungssicherheit aktuell gewährleistet ist“. Obwohl aktuell noch Gasmengen am Markt beschafft werden können und noch eingespeichert werden: Die Lage ist ernst, und der Winter wird kommen, sagte Habeck.
Chemieindustrie und Düngerhersteller massiv betroffen
Deutsche Unternehmen, müssen wegen Gasmangel ihre Produktion kürzen oder sie nutzen andere Energiequellen wie Kohle, die aus Umweltschutzgründen eigentlich schon aussortiert waren. Doch der Rückgang der russischen Gas-Lieferungen dürfte die Bemühungen der deutschen Industrie beschleunigen, Alternativen zu finden, um die Fabriken am Laufen zu halten und die wirtschaftlichen Kosten zu begrenzen. Überall ist das jedoch nicht möglich.
Der Chemieriese BASF teilte mit, welche Fabriken möglichweise zuerst ihre Produktion drosseln müssen. Betroffen von den Problemen der Chemieindustrie wäre auch die bereits stark von der letzten Gaspreisexplosion beeinträchtigte Produktion von Stickstoffdünger, für die Erdgas der wichtigste Kostenfaktor ist.
Unternehmen wie BASF, Yara und Piesteritz hatten die Dünger-Produktion wegen der hohen Gaspreise im März massiv gedrosselt oder auch stillgelegt. Das könnte sich nun wiederholen. Gazprom hatte die Gaslieferung über die Nord Stream 1-Pipeline von Russland nach Deutschland vorige Woche um 60 % gekürzt.
In der Vergangenheit kosteten sowohl Öl als auch Gas mehr als Kohle. Jetzt ist jede Energie sehr teuer – auch Kohle - und die Märkte sind knapp versorgt und extrem volatil.
Weniger als 50 % Gas – dann stoppt die Produktion
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat zwar die Alarmstufe seines Notgasplans ausgelöst, aber keine Gesetzesänderung vorgenommen, die es Energieunternehmen ermöglicht, höhere Preise an Verbraucher und Unternehmen weiterzugeben. Die Energieregulierungsbehörde skizzierte am Dienstag Pläne zur Reduzierung des Industriegasverbrauchs durch ein Ausschreibungssystem, dass die Hersteller dazu bringen solle, weniger zu verbrauchen.
"Hunderttausende Unternehmen in Deutschland arbeiten an Krisenplänen", sagte Siegfried Russwurm, Präsident des deutschen Branchenverbands BDI.
BASF, das nach Umsatz größte Chemieunternehmen der Welt, arbeitet ebenfalls an Notfallplänen für seinen Standort Ludwigshafen. Unter der Voraussetzung, dass das Angebot 50 % des maximalen Erdgasbedarfs des Standorts nicht unterschreitet, könnte BASF Ludwigshafen, das rund 200 Produktionsstandorte umfasst und jährlich 6 Terawattstunden Strom benötigt, mit reduzierter Kapazität weiter betrieben werden.
Die genaue Reduzierung würde von der Verfügbarkeit von Gas sowie Öl als Ersatz abhängen, sagte BASF gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Weiter sagte BASF, wenn das Angebot über einen längeren Zeitraum deutlich unter 50 % sinken würde, müsste die Produktion eingestellt werden.
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