
Je länger diese Blockade dauert, je größer könnten die Folgen für den Welthandel sein – und auch für den Agrarhandel. Analysten befürchten Versorgungsstörungen und steigende Preise in Europa. Insbesondere die vorgelagerten Bereiche wären betroffen – wie etwa die Versorgung mit Düngermitteln, Pflanzenschutz, Agrarchemie. Und da sind die Preise auch ohne die Suez-Krise bereits explodiert.
Doch auch der Handel mit vielen anderen Agrarprodukten – etwa Getreide – und Rohstoffen würde in Mitleidenschaft gezogen. Die Rohölpreise reagierten bereits auf die Situation. Nachdem es in der vorigen Woche einem kräftigen Einbruch gegeben hatte, die die Kurse aufgrund der Ereignisse in Ägypten wieder gestiegen.
Das 400 Meter lange Containerschiff Ever Given war am frühen 23. März auf Grund gelaufen, als es vom Roten Meer nach Norden in Richtung Mittelmeer fuhr und sich diagonal über die Breite des gesamten Kanals festgefahren hat. Zahlreiche Schleppschiffe haben versucht, die Ever Given zu befreien, indem sie versuchten es vom Ufer wegzuziehen.
Gleichzeitig versuchten Bagger den Bug des Schiffes, der am Ostufer des Kanals feststeckt, freizubekommen. Dazu wurde auch sogenanntes Ballastwasser, das zur Stabilisierung von Schiffen verwendet wird, abgelassen. Bislang waren aber alle diese Maßnahmen vergeblich, berichten die ägyptischen Behörden gegenüber der internationalen Presse. Diese berichten mittlerweile ausführlich über das Unglück und die möglichen Folgen für den internationalen Handel.
Es kann noch Wochen dauern – andere Lösungen suchen

„Wir können nicht ausschließen, dass es je noch Wochen dauert“, hatte ein Sprecher des niederländischen Unternehmens Boskalis gesagt, dass zu den beiden Rettungsteams gehört, die versuchen, das Schiff zu befreien.
Mittlerweile liegen mehr als 200 große Containerschiffe, unter anderem Tanker, die Öl und Gas befördern, und auch zahlreiche Schiffe, die Getreide und andere Agrarprodukte transportieren, an beiden Seiten des Kanals vor Anker und kommen nicht weiter. Analysten befürchten, dass es durch die Blockade zu deutlichen Störungen des Welthandels kommen kann.
Der weltweit führende Container-Händer Maersk sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, man denke darüber nach, Schiffe um das afrikanische Kap der Guten Hoffnung umzuleiten. Das würde die Reise zwischen Asien und Europa jedoch um mehrere Tausend Kilometer bzw. fünf bis sechs Tage verlängern und die Kosten deutlich nach oben treiben, die zuletzt schon kräftig gestiegen waren.
Zeitkritische Fracht müssten eventuell auch auf andere Transportwege, wie Flugzeuge oder die Bahn, verlagert werden, war aus Analystenkreisen zu hören.
Eine Bergung wird sehr schwierig

Der Grund für die Schiffs-Havarie war nach Angaben der Suez Canal Authority (SCA) die sehr starke Winde und ein Sandsturm, der die Sicht beeinträchtigt hatte und es dem Schiff unmöglich machte, einen geraden Kurs durch den Kanal zu halten. Als der Vorfall passierte, hatte stürmisches Wetter auch zur Schließung mehrerer Häfen in der Region geführt.
Üblicherweise werden die Schiffe, wenn sie durch den Suezkanal fahren, mit Hilfe von ein oder zwei Schleppern in Konvois geführt. Mögliche Optionen um das gewaltige Schiff wieder freizubekommen, wäre das Ausbaggern unter dem Schiff und oder auch Abladen von Containern. Aber auch das ist technisch sehr kompliziert. Analysten sagen, dass das Entladen angesichts der gewaltigen Größe des Schiffes und seiner ungünstigen Position, ein extrem langwieriger und komplexer logistischer Prozess sein würde.
Auch ein Beamter der Suez Canal Authority (SCA) sagte gegenüber den internationalen Medien, dass ein Entladen wahrscheinlich sehr lange dauern würde. Ein Sprecher des beteiligte niederländischen Bergungsunternehmen hatte in den niederländischen Medien gesagt, dass es praktisch unmöglich sei, das riesige und extrem schwere Schiff mit seiner aktuellen Fracht an Bord zu befreien. „Das Schiff mit dem Gewicht, das es jetzt hat, ist unmöglich zu ziehen", sagte er.
Der erste Schritt wäre nach Meinung des Bergungsunternehmens, Heizöl und Ballastwasser aus dem Schiff abzulassen und es dann bei Flut zu bewegen. Wenn das nicht funktioniert, müssen die Mitarbeiter die Container entfernen und versuchen, die Sandbänke, auf denen das Schiff jetzt festsitzt, abzutragen oder wegzuspülen, hieß es weiter.
Versorgungsstörungen und steigende Preise?

„Jeder Hafen in Westeuropa wird die Blockade bald spüren", sagte ein Sprecher des Rotterdamer Hafens, gegenüber Reuters. „Wir hoffen sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher, dass das Problem bald gelöst sein wird." Immerhin 30 Prozent des weltweiten Schiffscontainer-Handels und etwa 12 Prozent des weltweiten Gesamt-Handels werden über den 193 km langen Suezkanal abgewickelt.
Der stellvertretende Geschäftsführer des deutschen Branchenverbandes BDI, Holger Loesch, äußerte sich gegenüber internationalen Medien ebenfalls besorgt darüber, dass die Verzögerungen die Produktion beeinträchtigten könnte, insbesondere in Branchen, die von Rohstoffen oder Baumaterial abhängig sind. Beispielsweise kommen rund 16 Prozent der deutschen Chemikalienimporte per Schiff über den Suezkanal nach Deutschland, sagte ein Sprecher des Verbandes der deutschen Chemie- und Pharmahersteller.
John Glen, Wirtschaftswissenschaftler, sagte gegenüber der Finanzial Times, eine längere Blockade des Kanals könne zu schweren Störungen der Lieferketten führen. „Wenn Waren aufgrund der Blockade über Afrika umgeleitet werden müssen, kann dies die Lieferzeiten für britische Unternehmen um bis zu 10 Tage verlängern“, sagte er. „Wenn dies geschieht, wird dies unweigerlich zu einem Mangel an Waren und zu einem Anstieg der Preise für die Verbraucher führen."
Peter Sand, ein Schifffahrtsanalyst, sagte gegenüber der BBC, dass es sich bei den wartenden Schiffen eben nicht nur um Containerschiffe handele, sondern auch um zahlreiche Öl- und Gastanker sowie Massengutfrachter, die Getreide transportieren. Er befürchtet ebenfalls, dass, wenn die Blockade noch länger dauert, die Produktion in etlichen Industrien in Europa erheblich beeinträchtigt werden könnte.
Hier ist Ihre Meinung gefragt
Werden Sie Teil unserer Community und diskutieren Sie mit! Dazu benötigen Sie ein myDLV-Nutzerkonto.