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Krieg und Krisen: Die Gewinner und Verlierer in der Agrarwirtschaft

Eine zerstörte Lagerhalle in der Ukraine
am Donnerstag, 18.08.2022 - 13:24 (Jetzt kommentieren)

Einige machen riesige Profite, andere verlieren Milliarden – Krieg und Krisen stellen die Agrarwirtschaft auf den Kopf.

Der Krieg kennt keine Sieger, soll der britische Premier Neville Chamberlain gesagt haben. Doch er kennt ganz gewiss Profiteure – und er kennt Verlierer. Das gilt zumindest für die Wirtschaft.

Die russische Invasion in der Ukraine und die darauffolgenden Sanktionen haben innerhalb weniger Monate die Märkte für Agrarrohstoffe, Betriebsmittel und Energieträger umgewälzt. Über Jahrzehnte aufgebaute Lieferbeziehungen und Absatzmärkte brachen über Nacht zusammen.

Andererseits schossen die Preise für Getreide, Ölsaaten oder Dünger enorm in die Höhe. Ein Blick in die Geschäftszahlen des Agribusiness zeigt, welche Unternehmen gerade ungeahnte Profite erzielen, und wer unter den Kriegsfolgen finanziell leidet. Krisen wie die Corona-Pandemie und der Klimawandel verstärken die Effekte dabei oftmals.

BayWa steuert auf neuen Rekordgewinn zu

Windpark der BayWa RE in Spanien

Ein Konzern, der sehr gut aufgestellt ist, um von den Folgen des Krieges zu profitieren, ist die BayWa AG. Der Handel mit Dünger, Agrarrohstoffen und Energieprodukten, aber auch das Geschäft mit erneuerbaren Energien boomen seit Monaten wie nie zuvor.

Die BayWa steuert darum auf ein neues Rekordjahr zu. Im ersten Halbjahr konnten die Münchner ihr Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppeln. Der Umsatz wuchs um fast 40 Prozent. Für das Gesamtjahr erhöhte der Mischkonzern seine EBIT-Prognose auf 400 Mio. bis 450 Mio. Euro; das wären bis zu 200 Mio. Euro mehr als 2021, das Jahr mit dem bislang höchsten Gewinn in der Unternehmensgeschichte. Die Börse honoriert das mit einem Kursanstieg der BayWa-Aktie seit Kriegsbeginn um rund 55 Prozent.

K+S profitiert von hohen Düngerpreisen

Auch der Rohstoffkonzern K+S schreibt aktuell geradezu märchenhafte Zahlen. Die Kasseler verfünffachten das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) im ersten Halbjahr auf 1,2 Mrd. Euro. Vor einem Jahr war das noch in etwa der Halbjahresumsatz.

Seinen Umsatz mit der Landwirtschaft, also im Falle von K+S vor allem mit Kali- und Spezialdüngern, konnte der Konzern in den ersten sechs Monaten wegen der sehr hohen Preise fast verdreifachen. Selbst falls in Deutschland eine Gasmangellage mit 25 Prozent reduzierter Gasverfügbarkeit eintritt, erwartet K+S für 2022 ein Ergebnis, das mindestens doppelt so hoch ausfällt wie im bereits sehr guten Vorjahr, als die Marge 30 Prozent betrug.

Kurzarbeit bei SKW Priesteritz

Doch es gibt auch Unternehmen, bei denen der Krieg in der Ukraine und seine Folgen sich negativ in der Bilanz niederschlagen. Während K+S als Kali-Düngeranbieter vom Anstieg der Düngerpreise profitiert, fressen die hohen Energiekosten bei Deutschlands größtem Ammoniakhersteller SKW Priesteritz die Erlösvorteile auf.

Allein die Einführung der Gasumlage wird das Unternehmen nach eigenen Angaben mit monatlich 30 Mio. Euro belasten. Gas ist der wichtigste Kostenfaktor der Stickstoffdüngerproduktion. SKW erwägt daher, ab Oktober die Harnstoffproduktion einzustellen und Kurzarbeit einzuführen, sagte ein Sprecher gegenüber dem Sender MDR.

Rabobank schreibt Russlandgeschäft ab

Ein anderes Beispiel für ein negativ betroffenes Unternehmen ist die Rabobank, die auf Agrar-Finanzierungen weltweit spezialisiert ist. Das niederländische Kreditinstitut zog sich als Antwort auf Putins Angriffskrieg vollständig aus Russland zurück.

Die Bank musste darum Wertminderungen auf finanzielle Vermögenswerte vornehmen. In der Folge schrumpfte der Nettogewinn der Rabobank im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 27 Prozent auf 1,57 Mrd. Euro. Weltweit spürt die Bank zudem die negativen Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren und Überschwemmungen auf die Agrarwirtschaft.

Tönnies hat Russland rechtzeitig verlassen

Gerade noch rechtzeitig den Kopf aus der Schlinge gezogen hat der in Russland gut vernetzte Clemens Tönnies. Seine Tönnies-Gruppe verkaufte ihre russische Tochtergesellschaft APK Don, die auf die Schweineproduktion spezialisiert ist, im September 2021 an den thailändischen Agrarkonzern Charoen Pokphand Foods.

Bei Claas ruht die Produktion in Krasnodar noch immer

Claas Werk in Russland

Nicht ausgestiegen ist hingegen die Claas-Gruppe. Der Landtechnikhersteller ist trotz der westlichen Sanktionen weiter in Russland aktiv. Doch das Geschäft leidet. Seit März ruht die Produktion im Mähdrescherwerk im russischen Krasnodar.

Einen Rückzug aus Russland lehnt die Vorsitzende des Aufsichtsrats der Claas KGaA mbH, Cathrina Claas-Mühlhäuser, bislang ab. Ob es dabei auch künftig bleibt, „hängt von den Rahmenbedingungen ab“, erklärte ein Unternehmenssprecher heute (18.8.) gegenüber agrarheute. Die Einbußen in Russland könnte Claas jedenfalls offenbar verschmerzen.

Dank der weltweit guten Landtechnikkonjunktur kann das Unternehmen Ausfälle in Russland durch Mehrverkäufe in Europa und Amerika ausgleichen, wie der Sprecher weiter mitteilte. An seiner Jahresprognose hält das Unternehmen fest.

Agrarholding Ekosem Agrar muss Zinsen stunden

Existenzbedrohende Folgen haben der Krieg und die Sanktionen für Stefan Dürrs Agrarholding Ekosem Agrar. Nur durch eine Restrukturierung von zwei in Euro geführten Unternehmensanleihen inklusive Verlängerung und Zinsstundung konnte der Konzern eine drohende Insolvenz abwenden.

Das operative Geschäft in der Milchviehhaltung und im Ackerbau in Russland verlief nach Unternehmensangaben im ersten Halbjahr 2022 zwar weiter positiv. Einen am 1. August fälligen Zinscoupon auf eine Anleihe von 100 Mio. Euro musste die Holding jedoch stunden.

John Deere liefert keine Neumaschinen nach Russland

Der ebenfalls von Stefan Dürr geführte Landtechnikhändler Ekotechnika sieht hingegen auch operativ sehr schwierigen Zeiten entgegen. Ekotechnika ist der größte Importeur von Traktoren und Landmaschinen von John Deere nach Russland. Der in den USA beheimatete Weltmarktführer hat die Lieferung von Neumaschinen in Putins Reich jedoch eingestellt.

„Die Erlöse im Neumaschinengeschäft dürften bei anhaltenden Lieferstopps stark zurückgehen“, warnte das Ekotechnika-Management Ende Juli die Aktionäre. Doch dass der Krieg in der Ukraine und damit die disruptiven Veränderungen der Wirtschaftsbeziehungen bald enden würden, danach sieht es nicht aus.

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