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Zukunft der Ernährung

Kunstfleisch: Konkurrenz für die Landwirtschaft?

Laborfleisch
am Freitag, 21.06.2019 - 14:42 (Jetzt kommentieren)

Kunstfleisch erobert die Kühlregale des deutschen Einzelhandels. Gleichzeitig rückt das neue Produkt in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit.

Verschlafen die deutschen Fleischkonzerne einen Trend? Und erwächst den Landwirten eine neue Konkurrenz? Glaubt man den deutschen Medien, dann trifft beides zu. Sicher ist das aber noch lange nicht.

Wie so oft klaffen Wunsch und Wirklichkeit in der öffentlichen Darstellung ziemlich auseinander. Bislang sind die Produkte nämlich  sehr teuer und die hergestellten Mengen sind sehr klein. Außerdem ist die Produktion ohne massive finanzielle Unterstützung von außen nicht rentabel.

Die Kunstfleisch-Pioniere wollen zwar die Umwelt retten – aber sie wollen auch viel Geld damit verdienen. Dennoch sollte man die neue Entwicklung nicht unterschätzen. Gerade vor dem Hintergrund der immer heftiger geführten Klima- und Umweltdebatte gewinnt das Thema enorm an Gewicht.

Echtes Fleisch – nur künstlich?

Laborfleisch

Zwei ganz unterschiedliche Methoden zur Herstellung von Kunstfleisch konkurrieren derzeit miteinander. Beide Ideen haben ihren Ursprung im Silcon Valley in Kalifornien. Dort arbeiten derzeit ein halbes Dutzend an der Entwicklung von künstlichem Fleisch.

Der US-Unternehmer Paul Shapiro hat dazu ein Buch veröffentlicht: "Clean Meat" - sauberes Fleisch. Gemeint ist Fleisch, dass in einem Bio-Reaktor bzw. in Petrischalen gezüchtet wurde. Es ist richtiges Fleisch, gewonnen aus den Stammzellen von Rindern, Schweinen oder Geflügel, sagte Shapiro im Interview mit der BBC."Es sei eben keine Alternative zu Fleisch, kein Ersatz: "Es handelt sich um echtes Fleisch - nur, dass man dafür keine Tiere großziehen und schlachten muss." sagt Shapiro.

Allerdings ist dieses Verfahren immer noch extrem teuer. Das US-Unternehmen Memphis Meat hat 2013 den ersten Hamburger aus Kunstfleisch für 330.000 US-Dollar auf den Markt gebracht. Das ist nicht gerade günstig. Mittlerweile produziert Memphis Meat das künstliche Fleisch für etwa 40 Dollar pro Gramm.

Das holländische Startup Mosa Meats des Clean-Meat-Pioniers Mark Post will bis 2020 einen Burger für 10 Dollar verkaufen. Damit sind die Preise immer noch meilenweit von normalen Fleischpreisen entfernt .

Wie groß ist der deutsche Markt?

Das kalifornische Startup Impossible Foods von Patrick Brown ist schon weiter. In Oakland, östlich von San Francisco, werden jeden Monat 200 Tonnen Fleischersatz produziert. Was aussieht wie rote Sägespäne, ist eine Mischung aus Weizen, Kokosöl, Proteinen und im Labor entwickelten pflanzlichen Zutaten. Maschinen pressen die Masse in die Form von Burger-Patties.

In Deutschland liegen Veggie-Alternativen wie Spinat-Schnitzel und Tofu-Burger längst in den Kühlregalen der Supermärkte. Doch sie haben einen Nachteil: Sie schmecken, riechen und sehen anders aus als Fleisch. Marktführer Tönnies hat deshalb sechs von sieben Veggie-Würsten wieder aus dem Sortiment genommen. Grund: Bei den Verbrauchern fehle schlicht die Akzeptanz für das Kunstfleisch.

Mittlerweile kommt das rein pflanzliche Kunstfleisch in Geschmack und Aussehen echtem Fleisch immer näher. Das die Verbraucher das auch in Deutschland so sehen, zeigt der Hype um den von Lidl vertriebenen kalifornischen Burger Beyond Meat. Die Patties von Beyond Meat waren Ende Mai in einigen Lidl-Filialen innerhalb von Minuten ausverkauft. Auch die zweite Verkaufsrunde Im Juni lief nicht anders ab.

Hergestellt aus Erbsenprotein, soll Geschmack und Aussehen so perfektioniert worden sein, dass auch Fleischliebhaber zugreifen. Und das zu einem Preis, der deutlich höher ist als für echtes Fleisch: Lidl verkauft den Burger-Doppelpack (227 Gramm) für 4,99 Euro. Auch der Discounter Netto bietet jetzt ebenfalls einen Beyond Meat Burger für 4,24 Euro an.

Neues Image und neue Zielgruppe

Veggie Burger

Das Potential der neuen Generation von Kunstfleisch-Produkten scheint jedenfalls größer zu sein als zunächst vermutet. Vor allem auch weil sich das Image erheblich gewandelt hat. Zielgruppe sind diesmal nicht nur Veganer, sondern vor allem auch Leute, die gern Fleisch essen, wegen der zunehmenden gesellschaftlichen Kritik am Fleischkonsum nach Alternativen suchen. Aus dem Bioreaktor oder pflanzlich, tierischen Ursprungs oder vegan: Entscheiden werden am Ende die Verbraucher.

Bislang wirtschaften die neuen Fleisch-Hersteller jedoch nicht rentabel. Für das Wachstum werden viele Millionen Investoren-Gelder gebraucht. Das niederländische Startup Mosa Meat hat gerade 7,5 Millionen Euro eingesammelt. Investiert hat unter anderem der Darmstädter Chemiekonzerns Merck und der Schweizer Fleischverarbeiter Bell Food. In den USA hat das Startup Impossible Foods insgesamt schon 400 Millionen Dollar Kapital bekommen. Geldgeber sind etwa der Microsoft-Gründer Bill Gates und der britische Milliardär Richard Branson. Auch große Agrarkonzerne wie Cargill oder Tyson Foods sind engagiert.

In Deutschland ist die PHW-Gruppe (Wiesenhof) aus dem Landkreis Vechta in Niedersachsen beteiligt. Noch ist der Markt allerdings sehr klein und vor allem in Schwellenländern kann sich wohl kaum jemand die teuren Fleischalternativen leisten. Doch dies sind die Hauptargument der Kunstfleischentwickler: Die Umwelt schützen und zugleich die Welt in der Zukunft ernähren. Ob dies am Ende auch funktioniert ist noch lange nicht entschieden.

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