Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Warum Landwirte keine besseren Milchpreise von den Molkereien erhalten

Ein Landwirt im Melkstand
am Samstag, 16.09.2023 - 05:15 (1 Kommentar)

Molkereien haben beim Milchgeld nur geringen Spielraum. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Thünen-Instituts.

Die Ökonomen haben die Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Molkereien nicht nur selbst unter Wettbewerbsdruck stehen und daher die Preise nicht anheben können. Die Milchverarbeiter könnten es sich angesichts der positiven Skaleneffekte in der Produktion zugleich auch nicht leisten, Liefermengen zu verlieren, indem sie die Auszahlungspreise unter die Kosten der effizientesten Erzeuger sinken lassen. Im Ergebnis ist ihr Preisspielraum sehr begrenzt. 

Die Forscher widersprechen damit dem Vorwurf, Molkereien würden ihre Marktmacht nutzen, um Rohmilchpreise zu drücken. Für ihre Studie befragten die Thünen-Wissenschaftler Experten aus Molkereien und Milcherzeugergemeinschaften nach möglichen Stellschrauben, um die Preisfindung stärker im Interesse der Milcherzeuger zu gestalten.

Lebensmitteleinzelhandel drückt Preise für Milchprodukte der Handelsmarken

Laut den Thünen-Marktexperten stehen die Molkereien unter erheblichem Preisdruck, weil der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) vor allem die Preise der Nicht-Markenprodukte unter den direkt von den Molkereien bezogenen Spezialitäten drückt. 

Die Preise für die Massenware würden weitgehend an den internationalen Märkten bestimmt, heißt es in der Thünen-Analyse. Je nach Lage an diesen Märkten und Ausrichtung der Molkereien zahlten mal die einen und mal die anderen Molkereien mehr für die Rohmilch

Für die Forderung, den Milchpreis stärker an den Produktionskosten zu orientieren, sehen die Wissenschaftler daher wenig Umsetzungspotential. Sie weisen darauf hin, dass die Produktionskosten ohnehin indirekt in die Preisbildung eingingen. Ihrer Einschätzung nach würde eine direkte Berücksichtigung hingegen mit hohen Transaktionskosten einhergehen und Fragen aufwerfen, wie die jeweils maßgeblichen Produktionskosten zu bestimmen seien. Außerdem würden die Marktteilnehmer solche individuelle Vertragsvereinbarungen aus Gründen der Transparenz und des Vertrauens überwiegend ablehnen.

Ökonomen empfehlen Milchbauern die Teilnahme an Qualitätsprogrammen

Den Autoren zufolge haben die Milcherzeuger dennoch Möglichkeiten, Einfluss auf ihre Stellung in der Wertschöpfungskette zu nehmen. Sie könnten beispielsweise Zuschläge erhalten, wenn sie besondere Qualitäten liefern oder an freiwilligen Programmen teilnehmen, die der Qualitätsdifferenzierung dienen. Diese Preiszuschläge hätten den zusätzlichen Vorteil, dass sie weniger volatil seien als der von den Molkereien gebotene Grundpreis. 

Manche Molkereien böten ihren Zulieferern demnach Festpreismodelle zur Absicherung gegen Preisschwankungen. Das gehe allerdings mit teilweise erheblichen Abschlägen an den Auszahlungspreis für die Erzeuger einher. Normalerweise gäben die Molkereien die Auszahlungspreise kurzfristig bekannt. Die Erzeuger akzeptierten diese Preise auch deshalb, weil sie die Liefermengen kurzfristig nur geringfügig beeinflussen könnten.

Betriebsvergleiche lassen auf Produktivitätsreserven schließen

Betriebsvergleiche zeigten zudem, dass viele Betriebe noch erhebliche Produktivitätsreserven hätten. Die Wissenschaftler sehen darin eine wichtigere Stellschraube als die Beeinflussung der Auszahlungspreise, um die Wettbewerbsfähigkeit auf der Erzeugerseite insgesamt zu steigern. Dies gelte selbst dann, wenn Molkereien über eine gewisse Marktmacht gegenüber ihren Zulieferern verfügen.

Mit Material von AgE
Das agrarheute Magazin Die digitale Ausgabe September 2023
agrarheute_magazin_composing

Kommentar

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...