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Marktorganisation

Landwirte sollen Lieferverträge mit Milchpreis und Menge erhalten

Milchkühe in einem Auslauf
am Montag, 04.09.2023 - 10:20 (6 Kommentare)

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) will in die Lieferbeziehungen zwischen Landwirten und Molkereien eingreifen und dazu einen umstrittenen Artikel des EU-Rechts in Deutschland anwenden. Das plant das Ministerium konkret.

Bei einer Milchkonferenz vorige Woche in Berlin bekräftigte Staatssekretärin Silvia Bender das Ziel der Ampel-Regierung, die Stellung der Erzeuger in der Wertschöpfungskette zu stärken. „Ein Puzzleteil“ dabei werde sein, die EU-rechtlichen Möglichkeiten von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) zu nutzen, sagte Bender. 

Nach Artikel 148 kann ein Mitgliedstaat Molkereien und Milchlieferanten verpflichten, Preise und Liefermengen in einem schriftlichen Vertrag zu regeln. Bender räumte ein, dass ein Großteil der Molkereigenossenschaften in der Zwischenzeit auf freiwilliger Basis Vereinbarungen mit ihren Lieferanten getroffen habe. Diese Unternehmen würden von etwaigen Regelungen nicht tangiert, soweit sie den Ansprüchen gerecht würden.

Regierung will die Markttransparenz am Milchmarkt erhöhen

Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMEL, Dr. Ophelia Nick, kündigte in ihrem Schlusswort an, man werde „entsprechende Maßnahmen, die uns das EU-Recht ermöglicht“, mit den Koalitionspartnern erörtern. „Wir setzen uns dafür ein, die Kräfteverhältnisse in der Wertschöpfungskette auszubalancieren und die Stellung der Milcherzeugerinnen und ‑erzeuger zu stärken“, betonte die Grünen-Politikerin. 

Die Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien werde dabei „ein Schwerpunkt“ sein. Ein weiteres wichtiges Anliegen sei es, die Markttransparenz zu erhöhen.

Geteiltes Echo aus der Milchwirtschaft

In den Diskussionen auf der Konferenz löste die Ankündigung ein unterschiedliches Echo aus. Unterstützung signalisierte das Vorstandsmitglied vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Hubert Heigl, sowie die Landwirtin und Mitglied im Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM), Kirsten Wosnitza. Man müsse bestehende Möglichkeiten nutzen, dass die Erzeuger „kostendeckende Preise“ erzielen. 

Demgegenüber widersprach der Vorstandsvorsitzende der Molkerei Hochwald, Detlef Latka, der Auffassung, mit zusätzlichen staatlichen Regulierungen ließe sich der Milchmarkt verbessern. Die Wiederauflage einer solchen Diskussion sei nichts weiter als „neuer Wein in alten Schläuchen“.

Der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, hatte bereits im Vorfeld vor übertriebenen Erwartungen an die Anwendung von GMO-Artikel 148 gewarnt, die nicht zu erfüllen seien. 

Der Sprecher der Interessengemeinschaft Genossenschaftliche Milchwirtschaft (IGM), Peter Manderfeld, erinnerte an die Ergebnisse einer früheren Befragung der IGM-Mitgliedsunternehmen. Von mehr als 20 000 Milcherzeugern habe sich eine deutliche Mehrheit gegen staatliche Eingriffe in die Lieferbeziehungen ausgesprochen.

Genossenschaften und ihre Mitglieder wollen Milchanlieferung selbst regeln

Manderfeld vertrat die Auffassung, die Anwendung von Artikel 148 hätte aufgrund einer Ausnahmeregelung für Genossenschaften in der GMO keine Folgen für diese Unternehmen. Der IGM-Vorsitzende erteilte externen Eingriffen in die bäuerliche Selbstverwaltung der Molkereigenossenschaften erneut eine strikte Absage

„In ihren Unternehmen bestimmen die Landwirte als Eigentümer in demokratischen Verfahren die Unternehmensstrategie mit und regeln die in Satzung und Anlieferungsordnung festgelegten Lieferbedingungen selbst“, sgte Manderfeld.

Er zeigte sich überzeugt, die nationale Umsetzung des Artikels 148 werde weder den Milcherzeugern helfen, noch würden dadurch die grundlegenden Verhältnisse der Erzeuger am Milchmarkt positiv und nachhaltig verändert. „Ein solcher Ansatz wird insbesondere in Krisenphasen keinen positiven Effekt auf den Gesamtmarkt haben.“

Stegemann kritisiert Ankündigung gegen Mehrheitswillen der Teilnehmer

Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, reagierte mit Verwunderung auf die Ankündigung des BMEL. Der CDU-Politiker warf Nick und Bender vor, mit der Initiative „Schattenboxen“ zu betreiben. „Der Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation wird die Situation der Milchviehhalter kein bisschen verbessern“, sagte Stegemann voraus.

„Höchst irritierend“ sei es, dass die Grünen-Politikerinnen wie aus dem Nichts die Anwendung von Artikel 148 gefordert hätten. Nur wenige Minuten vorher hätten sich die Teilnehmer eines Workshops im Rahmen der BMEL-Konferenz zur Zukunft der Milchviehhaltung mit klarer Mehrheit gegen die Anwendung des Paragrafen ausgesprochen. „Wenn man so mit den Konferenzteilnehmern umgeht, kann man sich solche Veranstaltungen besser sparen“, kritisierte der CDU-Politiker.

Stegemann hielt dem Bundeslandwirtschaftsministerium vor, es habe bei seiner Konferenz wichtige Themen wie die Öko-Regelungen für Grünland in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) oder die Unterstützung in der Kälbermast außen vor gelassen.

Mit Material von AgE

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