Nach den zahlreichen Bauernprotesten gegen Dumpingpreise im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) haben führende Wirtschaftsverbände des Handels und der Landwirtschaft beschlossen, eine „Zentrale Koordination Handel Landwirtschaft“ zu errichten. Das geht aus einer gemeinsamen Verbändeerklärung hervor, die im Laufe des Tages (2.3.2021) veröffentlicht werden soll und agrarheute exklusiv vorliegt. Als primäres Ziel wird die „Optimierung der Lieferkette“ genannt. Gemeinsam erreichte Effizienzgewinne und eine höhere Wertschöpfung sollen allen Teilnehmern der Kette, insbesondere den Landwirten, zugutekommen.
Die Koordinationszentrale soll für einen besseren Dialog und Klarheit sorgen. Eine Verhärtung der Fronten soll vermieden werden.
Die Marktpartner vereinbarten, eine Ombudsstelle einzurichten und einen gemeinsamen Lebensmittelkodex zu entwickeln.
QS als konzeptionelle Grundlage
Die gemeinsame Erklärung zur Errichtung der Koordinationszentrale wird vom Handelsverband Deutschland (HDE), dem Deutschen Bauernverband (DBV) und dem Deutschen Raiffeisenverband (DRV) getragen. Weitere Verbände und Organisationen sollen hinzugezogen und eingebunden werden.
Gedankliches Vorbild und konzeptionelle Grundlage stellen die QS Qualität und Sicherheit GmbH und die Initiative Tierwohl (ITW) dar.
Die Leitung der Koordinationszentrale übernimmt Dr. Hermann-Josef Nienhoff, der Ende April als QS-Geschäftsführer in den Ruhestand tritt.
HDE-Präsident spricht von einem "Neuanfang"
HDE-Präsident Josef Sanktjohanser sprach von einem „Neuanfang nach den immer wieder auftretenden Eskalationen zwischen Landwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel“.
DBV-Präsident Joachim Rukwied erklärte, die landwirtschaftlichen Betriebe benötigten dringend eine Perspektive für bessere Marktbedingungen und eine angemessene Honorierung von hohen Standards bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
Im Fokus der Koordinationszentrale sollen zunächst die Frischeartikel im Lebensmitteleinzelhandel stehen, also vor allem Milch, Fleisch, Eier und Geflügel sowie Obst und Gemüse. Perspektivisch sollen weitere Bereiche hinzukommen.
Verbindliche Regeln zur Streitbeilegung geplant
Die Marktpartner wollen Standards diskriminierungsfrei entwickeln und umsetzen. Dabei sollen bestehende wirtschaftsgetragene Standards wie das QS-Prüfsystem, QM-Milch und KAT sowie die ITW und andere bei Konflikten hinzugezogen werden.
Der geplante Lebensmittelkodex soll verbindliche Verhaltensregeln sowie klare Prozesse zur Streitbeilegung festlegen. Die beteiligten Verbände wollen sicherstellen, dass die Arbeit der Koordinierungszentrale mit den aktuell laufenden Agrargesprächen des Bundesverbandes des Lebensmitteleinzelhandels (BVLH) in Einklang stehen wird.
Landwirtschaftliche Interessen sollen besondere Beachtung finden
Über die Grundlagen der Arbeit der Koordinierungsstelle und über die Grundzüge des Lebensmittelkodexes wird der Vorstand der neuen Organisation entscheiden. Er setzt sich aus den Präsidenten beziehungsweise Vizepräsidenten der Trägerverbände zusammen.
Ein Lenkungskreis soll Vorschläge zu den Regeln, Maßnahmen und Aktivitäten entwickeln. Der Lenkungskreis wird das operative Führungsgremium bilden. Die fachgerechte Einbringung der Interessen der Landwirtschaft soll besondere Beachtung finden. Themenbezogene Arbeitsgruppen sollen dem Lenkungskreis zuarbeiten.
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