Zum 1. Juli hat der Gesetzgeber die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr von 19 auf 16 und von 7 auf 5 Prozent gesenkt. Doch was als Maßnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Corona-Krise gedacht war, könnte sich zum Bumerang für die Ernährungswirtschaft entwickeln.
Denn allen voran die Discounter Lidl und Aldi liefern sich seither einen erbitterten Preiskrieg. Statt nur die Steuersenkung an die Verbraucher weiterzugeben, packen die Einzelhandelskonzerne zusätzliche Rabatte oben drauf.
Markenjoghurt 50 Prozent im Preis reduziert
Die Händler senken die Preise für zahlreiche Lebensmittel derzeit massiv. Lidl soll bereits Ende Juni rund 100 Produkte verbilligt haben. Und die Discounter drehen die Preisschraube weiter nach unten, auch bei Markenprodukten.
Lidl verkauft den 150-Gramm-Becher Zott Sahnejoghurt heute (10.07.) in einer Wochenendaktion für nur 32 Cent. Das ist 50 Prozent unter dem üblichen Preis. Für Schweinenackensteaks senkte der Discounter den Preis diese Woche um 17 Prozent.
Aldi Süd hält dagegen mit einer Preissenkung von 41 Prozent bei Ehrmann Obstgarten für 29 Cent im 125-Gramm-Becher. Gervais Hüttenkäse reduzierte Aldi Süd zum Wochenende im Preis um 23 Prozent auf 99 Cent je 200 Gramm.
Wer macht den Einkaufswagen billiger voll?
In großformatigen Anzeigen und Online-Kampagnen werben die Discounter damit, wer den Einkaufswagen am billigsten füllt. Die direkte vergleichende Werbung ist gerade für Aldi geradezu eine Majestätsbeleidigung, beanspruchen Aldi Nord und Süd doch traditionell die Preisführerschaft in Deutschland.
Lidl verspricht dem Kunden jedoch: „Der Erfinder von bester Qualität und günstig hat die besseren Preise!“ Ein Warenkorb mit 68 Artikeln sei bei Lidl am 4. Juli um rund 10 Prozent billiger gewesen als bei Aldi Nord und Süd. Die Behauptung untermauert das Unternehmen im Internet mit den entsprechenden Kassenbons.
Edeka appelliert an den verantwortungsbewussten Verbraucher
Edeka, Deutschlands größter Lebensmittelhändler, hat inzwischen in die Preisschlacht eingegriffen. In der Werbung heißt es: „Den Weg zum Discounter können Sie sich sparen“.
In einem offenen Brief an die Verbraucher unterstreicht Edeka Südwest, der Preis müsse für ein Produkt nicht das alleinige Kriterium sein. Die Discounter legten mit ihrem Verhalten einen besonderen Druck auf die gesamte Wertschöpfungskette. Edeka appelliert mit seinem Schreiben unausgesprochen an die Verbraucher, sich ihrer Verantwortung für Regionalität, Qualität und Nachhaltigkeit bewusst zu sein. Ob diese Strategie in Zeiten von Kurzarbeit und drohender Arbeitslosigkeit aufgeht, ist allerdings fraglich.
Hersteller wollen für den Preiskrieg nicht bezahlen müssen
In der Ernährungsindustrie wächst jedenfalls die Sorge, dass die Handelskonzerne die Hersteller an den Kosten ihrer Rabattschlacht beteiligen werden. Nach einem Bericht der Lebensmittelzeitung hat die Drogeriekette Rossmann ihre Lieferanten bereits zu einem „Partnerschaftsbeitrag“ aufgefordert. Manager in der Ernährungsindustrie fürchten ähnliche Bittschreiben. Sie wissen, den „Wünschen“ des Handels nicht nachzukommen, können sie sich aufgrund der Marktmacht der Einkäufer oftmals nicht leisten.
Und damit wäre der Preisverhau am Anfang der Lieferkette angekommen, bei den Landwirten. Aus Sicht des Verbandes der Milcherzeuger Bayerns (VMB) stellt sich derzeit jedenfalls sehr akut die Frage, wie der Lebensmitteleinzelhandel eigentlich eine „systemrelevante“ und „nachhaltige“ Landwirtschaft definiert.
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