Wieso kooperiert Naturland mit Aldi Süd?
Aldi ist im Biobereich schon immer präsent gewesen, da hat man immer wieder Kontakt. Im vergangenen Jahr haben wir dann intensive Gespräche mit Aldi geführt, bis schließlich feststand: Ja, wir wollen zusammenarbeiten.
Was erwartet sich Naturland von der neuen Vermarktungsschiene?
Naturland arbeitet schon viele Jahre sehr intensiv mit verschiedenen großen Handelshäusern zusammen. Ob wir da vom Bio-Fachhandel reden, vom Lebensmitteleinzelhandel oder jetzt eben vom Discount: Uns geht es um die Qualität der Zusammenarbeit und ob man gemeinsame Zielsetzungen finden kann.
Welche Folgen wird die Zusammenarbeit mit einem Discounter haben?
Gab es Bedenken bei den Landwirten?
Die Frage, ob wir grundsätzlich eine Zusammenarbeit mit dem Discount wollen, wurde immer wieder in den Naturland-Gremien diskutiert, also von den Landwirten selbst. Da gab es natürlich auch Sorgen, welche Folgen das haben könnte. Eine Sorge war, dass Preisdruck seitens des Discounts ausgeübt werden könnte. Aber dieses Risiko besteht zu einem gewissen Grad immer, ganz unabhängig von der Handelsform.
Schwerer gewogen haben die Erfahrungen, die es mit Aldi schon vorher gab und die durchweg positiv waren. Am Ende hat sich dann die Naturland-Delegiertenversammlung im Herbst 2021 klar für die Öffnung zum Discount ausgesprochen. Zu dieser Entscheidung musste niemand überredet werden, sondern die Landwirte selbst haben die Argumente vorgebracht.
Welche Argumente waren das?
Eines der wichtigsten war der Wunsch nach alternativen Vermarktungsmöglichkeiten. Die Landwirte haben sich gewünscht, nicht nur in eine Handelskette zu liefern. Denn was ist mit der Abnahme der Produkte, falls es mal Probleme geben sollte oder die Kette sogar stockt?
Ein weiterer ausschlaggebender Punkt war, dass schon bisher viel Naturland-Rohware in verschiedenen Aldi-Produktgruppen beinhaltet war, zum Teil ohne dass wir davon wussten. Neben dem Erschließen neuer Absatzwege geht es also auch darum, endlich sichtbar zu machen, wo überall schon Naturland drin ist, und damit die Wertschätzung und auch die Wertschöpfung zu erhöhen.
Welche Produkte wird es geben?
Es geht los im ersten Halbjahr 2023. Den Anfang machen zum Beispiel Produkte aus der weißen Linie, also Milch und Molkereiprodukte, aber auch Obst und Gemüse.
Welche Produkte sind langfristig noch geplant?
Das langfristige Ziel ist die Abdeckung verschiedener Warengruppen, um ein breites Naturland-Sortiment anzubieten. Neben der regionalen Ware sehen wir zudem gute Chancen für internationale Produkte wie Kaffee, Kakao, Obst und Gemüse. Uns ist es wichtig, ein wirklich nennenswertes gemeinsames Sortiment zu erarbeiten.
Bei einem Handelsriesen wie Aldi geht es um große Warenmengen...
Große Dimensionen sind uns nicht neu. Rewe hat heute bei einem Sortiment von über 800 Rewe-Bio-Artikeln etwa 50 Prozent mit dem Naturland-Zeichen ausgelobt. Das ging auch nicht von heute auf morgen. Aldi will bis Ende des Jahres bis zu einem Viertel der Produkte mit Naturland-Zeichen ausloben.
Aktiv neue Betriebe gewinnen - auch durch Umstellung
Können die Naturland-Bauern das liefern?
In einem gemeinsamen Prozess mit gegenseitigen Absprachen: ja. Die Landwirte benötigen vor allem Informationen, was gebraucht wird, welche Kulturen und welche Mengen, damit sie ihren Anbau entsprechend planen können. Diese Absprache mit den Naturland-Betrieben hat schon letztes Jahr begonnen.
Parallel dazu geht die Beratung für Naturland aktiv auf neue Betriebe zu, auf EU-Bio-Betriebe ebenso wie auf konventionelle, um sie für die Umstellung auf Naturland-Bio zu gewinnen. Natürlich sind die Rahmenbedingungen für eine Umstellung aufgrund der hohen konventionellen Preise im Moment nicht so günstig wie noch vor ein paar Jahren, aber wenn durch unsere Kooperation mit Aldi nun neue Nachfrage entsteht, kann das ja nur gut sein.
Es war zu lesen, dass Aldi ein spezielles Naturland-Förderprogramm unterstützen wolle. Worum geht es dabei?
Es handelt sich um ein Programm zur Förderung der Artenvielfalt auf Naturland-Betrieben, das wir zunächst mit Aldi umsetzen. Langfristig können aber auch andere Handelspartner mitmachen. Dass der Handel gerne mal ein paar Nachhaltigkeitsextras verlangt, ist ja nichts Neues. Der Unterschied ist: Diesmal werden die Bauern auch dafür bezahlt!
Aldi stellt einen Fördertopf zur Verfügung, der über die Produkte gefüllt wird, die als Naturland ausgelobt werden. Für jeden verkauften Artikel zahlt Aldi einen festgelegten Prozentsatz in den Topf. Dieses Geld wird unseren Landwirten für Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt zur Verfügung gestellt. Ab dem nächsten Jahr können die Landwirte in Deutschland und Österreich daran teilnehmen. Der Fördertopf wird aber dieses Jahr schon gefüllt.
Zu welchen Preisen werden die Produkte angeboten – im Vergleich zum Fachhandel?
Die Preise werden an anderer Stelle gemacht, nämlich zwischen den Verarbeitern und den Händlern. Der Preis, den die Verbraucher im Laden zahlen, und der Preis, den die Erzeuger bekommen, sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Für uns ist vor allem wichtig, dass die Naturland-Landwirte zufrieden sind, weil sie für ihre Erzeugnisse einen fairen Preis bekommen. Darüber haben wir uns mit Aldi auch verständigt. Was ein Produkt dann später im Laden kostet, hängt zu einem großen Teil mit den Kosten zusammen, die im späteren Verlauf der Lieferkette entstehen, und mit den Mengen. Da ist Aldi mit sehr schlanken Logistik-Strukturen im Vorteil.
Bei welchen Handelsketten ist Naturland außerdem vertreten?
Es gibt nicht mehr viele, mit denen wir nicht in Kontakt sind. Die vergangenen zwei Jahre waren da sehr dynamisch. Wichtig ist uns bei allen Gesprächen mit neuen Partnern, dass wir auch die Zusammenarbeit mit unseren langjährigen Handelspartnern aktiv pflegen und ausbauen.
Aldi ist als verlässlicher Partner bekannt
Ist Discount-Bio die neue Strategie, um wieder am Markt bestehen zu können?
Naturland ist immer Premium-Bio, egal wo es verkauft wird, aber die Zusammenarbeit mit dem Discount ist ein wichtiges zusätzliches Standbein in einem Markt, der gerade sehr dynamisch ist. Als wir den Prozess begonnen haben, sah die Situation noch anders aus. Bio boomte, unsere Betriebe wollten vor allem mehr Flexibilität durch neue Absatzmöglichkeiten und dass Naturland-Ware im Markt sichtbarer wird. Das waren damals ausschlaggebende Punkte für die Öffnung Richtung Discount. Die Umsetzung dieser Entscheidung kommt jetzt in einem grundlegend veränderten Marktumfeld. Man könnte auch sagen: genau zum richtigen Zeitpunkt. Viele unserer Verarbeiter fanden es übrigens sehr gut, dass wir mit Aldi zusammenarbeiten, denn bei ihnen ist Aldi als verlässlicher Partner bekannt.
Wohin geht der Markt?
In der Agrarbranche kippt die Stimmung für Bio gerade ziemlich. Aber wichtiger als die Einschätzung der Landwirtschaft ist die des Handels. Aldi würde nicht so handeln, wenn sie nicht an die Zukunft von Bio glauben würden. Das tun sie, weil die Menschen weiter Bio kaufen. Mit dieser Einschätzung ist Aldi nicht allein. Alle im Handel bauen ihre Biosortimente weiter aus und sichern ihre Rohstoffversorgung. Wir sehen das auch an der stetig steigenden Zahl von Produktfreigaben bei Naturland. Unsere Aufgabe besteht darin, Erzeugung und Nachfrage möglichst gut in Übereinstimmung zu bringen. Dafür besprechen wir – mit Aldi ebenso wie mit anderen Handelspartnern –, wo Sortimente ausgebaut werden sollen. Mit klaren Aussagen, wo mehr Mengen benötigt werden, können wir unsere Landwirte zum Anbau motivieren, damit am Ende möglichst kein Landwirt auf seiner Ware sitzen bleibt.
Welchen Einfluss hat die politische Stimmung?
Die politischen Rahmenbedingungen spielen natürlich eine Rolle. Wir wollen als Naturland ja Bio insgesamt voranbringen, in der Produktion wie auch in den Regalen. Wir wollen nicht nur bestehende Ware kanalisieren, sondern weiterdenken, neue Absatzmärkte schaffen, weitere Betriebe umstellen und mehr Bio produzieren, damit das 30-Prozent-Ziel der Regierung erreicht werden kann. Dafür brauchen wir Partner mit Ausbaupotenzial.
Die Betriebsmittelkosten sind deutlich höher als zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie den Deal mit Aldi verhandelt haben. Wird das abgedeckt?
Die aktuelle Preisentwicklung hat mit der grundsätzlichen Entscheidung über eine Zusammenarbeit mit dem Discount nicht wirklich etwas zu tun. Bei den konkreten Lieferverträgen, die gerade geschlossen werden, müssen die zusätzlichen Kosten natürlich mit eingepreist werden, sonst kommen sie nicht zustande. Aldi ist grundsätzlich auch zu langfristigen Verträgen bereit, aber das ist eine Frage bilateraler Vereinbarungen zwischen dem Händler und dem jeweiligen Verarbeiter.
Mit welchem Gefühl gehen Sie in die nächste Phase?
Bisher war es sehr viel Theorie, Aufbauarbeit, Vertrauensarbeit, Qualitätssicherung. Deshalb freuen wir uns jetzt wahnsinnig darauf, endlich die ersten Naturland-Produkte im Regal zu sehen.
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