Die Wirtschaft in weiten Teilen Ostdeutschlands steht einem raschen Embargo für russisches Erdöl ablehnend gegenüber. „Erst muss klar sein, was hat das genau für Konsequenzen für die ostdeutschen Unternehmen und wie teuer wird es“, sagte der Hauptgeschäftsführer der IHK in Neubrandenburg, Torsten Haasch, gegenüber der dpa.
Hintergrund ist die Abhängigkeit tausender ostdeutscher Unternehmen von der Raffinerie PCK im brandenburgischen Schwedt. Dort wird russisches Erdöl über die sogenannte Druschba-Pipeline angeliefert und zu Diesel, Benzin, Kerosin und anderen Rohstoffen verarbeitet wird. „Erstens muss die Versorgungssicherheit gewährleistet sein, und zweitens zu bezahlbaren Preisen“, kommentierte Haasch die Pläne der Kommission.
Dazu kommt, dass das russische Schweröl als Zusatzstoff für die Asphaltfertigung benötigt wird. Wenn jedoch in Schwedt kein russisches Erdöl mehr ankommt, dann können auch die Asphalthersteller der Region dicht machen.
Die Raffinerie Schwedt spielt eine Schlüsselrolle bei der Versorgung Ostdeutschlands mit Treibstoff und Rohölprodukten. Eigentümer der PCK ist allerdings der russische Rosneft-Konzern.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte dazu in der ARD gesagt: „Wir treffen Vorsorge, dass wir für den Fall eines Ausfalls von russischem Öl Wege finden, den Großraum Berlin und Brandenburg zu versorgen, auch über die Raffinerie Schwedt.“
Regional katastrophale Auswirkungen
Die Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg kritisiert das Öl- und Gasembargo gegen Russland ebenfalls. Mittel- und Ostdeutschland wären besonders betroffen und die Republik teile sich damit wieder, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Gundolf Schülke gegenüber der dpa.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat Ende April ebenfalls vor den Folgen eines Ölembargos gegen Russland gewarnt. Bei einer Pressekonferenz sagte er, er habe ein „großes Interesse daran, nicht zu einem plötzlichen Embargo zu kommen. „Es hätte regional katastrophale Auswirkungen, die wir kurzfristig in keiner Weise abfedern können“.
Auch Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach warnte im Falle eines Boykotts von russischem Öl vor schweren Konsequenzen. Die PCK-Raffinerie in der Stadt in der Uckermark wäre von einem Öl-Embargo „entscheidend getroffen“, sagte der SPD-Politiker der Rheinischen Post.
Von dort aus würden Norddeutschland, der Flughafen BER und Regionen im westlichen Polen mit Diesel, Benzin und Kerosin versorgt. „Ohne PCK wäre dort weitgehend Stillstand“, sagte Steinbach.
Ölpreise steigen bereits kräftig
Die Ölpreise stiegen am Donnerstag weiter, nachdem die Europäische Union ihre Pläne für neue Sanktionen gegen Russland vorgelegt hatte, darunter ein Embargo für Rohöl. Brent-Rohöl stieg bis Donnerstagmittag um 1,50 USD auf 111,60 USD pro Barrel. Das US-Leichtöl West Texas Intermediate (WTI) kletterte um 1,30 USD auf 109,10 USD.
Beide Rohölpreise legten bereits am Mittwoch um mehr als 5 US-Dollar je Barrel zu. Der Sanktionsvorschlag der Kommission, der von den 27 EU-Ländern einstimmig unterstützt werden muss, sieht neben dem Ölemabargo auch einen schrittweisen Abbau der Einfuhr russischer Raffinerieprodukte bis Ende 2022 vor und ein Verbot aller Versand- und Versicherungsdienstleistungen für den Transport von russischem Öl.
Ungarn und der Slowakei würden jedoch bis Ende 2023 Zeit bekommen das Embargo umzusetzen. Die EU steht nun vor der Aufgabe, Alternativen für das russische Öl zu finden, da die Energiepreise bereits extrem hoch sind. Der Vorschlag der Kommission muss von den 27 EU-Ländern einstimmig unterstützt werden, um in Kraft treten zu können.
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