Die angespannte wirtschaftliche Lage hat sich mit dem Krieg in der Ukraine so sehr verschärft, dass nun auch Schlachtunternehmen wie Tönnies, Vion und Westfleisch von hohen Kosten und Engpässen betroffen sind. Weil die Kosten für Energie, Logistik und landwirtschaftliche Produkte nach dem russischen Angriff am 24. Februar immer weiter gestiegen sind, ist die Wirtschaftlichkeit der Schlachthöfe kaum noch gegeben. Tönnies wandte sich in einem Notbrief an den Einzelhandel. Wie auch Vion und Westfleisch verlangt der Konzern höhere Preise.
Tönnies: Engpässe bei Wurst und Fleisch zu befürchten
In ihrem Notbrief warnt die Tönnies-Geschäftsleitung davor, wegen des Mangels an Schlachttieren die Versorgungssicherheit nicht mehr aufrecht erhalten zu können. Am Rindermarkt seien kaum Schlachtrinder vorhanden und die Preise seien auf ein Allzeithoch gestiegen. Bis Ostern könnten die Tiere für die Rindfleischproduktion sogar ausgehen, „nur mit enormem finanziellen Mehraufwand“ könnten die Schlachttiere gebunden werden.
Für Schlachtschweine seien die Preise innerhalb weniger Wochen um 45 Prozent gestiegen. Die kriegsbedingt stark gestiegenen Getreidepreise hätten zu einer Rekordverteuerung bei der Schweineproduktion geführt.
Darüber hinaus habe die Ukraine wöchentlich 3.000 Tonnen Hähnchenbrustfilets und Futtermittel geliefert. Die Hähnchenbrustfilets fehlten jetzt, weshalb vorhandene Kontrakte gekündigt worden seien und Lieferungen nachverhandelt würden, erläutert Tönnies in dem Brief. Der Ausfall von Lieferungen an den Handel könne nicht mehr ausgeschlossen werden.
Wirtschaftliche Grenze übertroffen
Außerdem seien die Grundvoraussetzungen zur weiteren Herstellung von Fleischprodukten nach Angaben des Unternehmens nicht mehr gegeben. Das Fehlen ukrainischer Fahrer mache sich in den logistischen Abläufen bemerkbar. Strom- und Gasanbieter nutzten ihr Sonderkündigungsrecht. Engpässe gebe es auch bei Frittierfetten, Paniermehlen und Senfmehl. Sämtliche bestehende Geschäftsgrundlagen würden gestört.
Daher sei „die Grenze des wirtschaftlich vertretbaren jetzt endgültig übertroffen“, heißt es in dem Notbrief. Dringlich bittet Tönnies den Handel darum, einen partnerschaftlichen Abschluss über Preisänderungen beim Fleisch umzusetzen. Es handle sich um eine Sondersituation, die aus der höheren Gewalt des Krieges entstanden sei.
Westfleisch erwartet vorerst keine Entspannung auf dem Fleischmarkt

Die Westfleisch-Genossenschaft wandte sich in einem Schreiben ebenfalls an die Kunden und kündigte ab dieser Woche einen Aufschlag von 6,8 Cent/kg für Schweinefleisch und 6,9 Cent/kg für Rindfleisch an. Grund seien die stark gestiegenen Energiepreise. Der Aufschlag werde wöchentlich überprüft und gegebenenfalls angepasst.
Seinen Mitgliedern erklärte Westfleisch am vergangenen Mittwoch (09.03.), dass die deutsche Fleischwirtschaft in einem schwachen Jahr 2021 gegen viele Herausforderungen ankämpfen musste. Beeinflusst wurde das Geschäft durch die Corona-Pandemie, die Afrikanische Schweinepest (ASP) und den damit verbundenen Exportstopp nach Asien sowie durch den abnehmenden Pro-Kopf-Fleischkonsum in Deutschland.
Wegen des extrem niedrigen Schweinepreises sei der Konzernumsatz trotz nur leicht rückläufiger Schlachtzahlen um etwa neun Prozent zurückgegangen. Dem Schweinepreis standen höhere Personalkosten, Corona-Sonderkosten und gestiegene Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik gegenüber. Durch die anhaltend schwierige Lage auf den Exportmärkten für deutsches Schweinefleisch und das Ansteigen der „Rohstoffpreise in nie gekannter Größenordnung“ nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erwartet Westfleisch auch für das laufende Jahr keine Besserung. Der Wettbewerb und der hohe Ergebnisdruck werden sich nach Einschätzung des Unternehmens weiter verschärfen. Um sich darauf vorzubereiten, habe Westfleisch 250 Einzelmaßnahmen zur Steigerung der Profitabilität getroffen.
Nach Angaben des Westfalen-Blatts verlangt das niederländische Schlachtunternehmen Vion ab heute (14.03.) vom Einzelhandel einen Krisenzuschlag von 5,2 Cent/kg.
Inflationsrate im Februar wieder bei über 5 Prozent

Am Freitag (11.03.) teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) mit, dass die Inflationsrate im Februar 2022 um 5,1 Prozent höher lag als im Vorjahresmonat. Damit ist die 5-Prozent-Marke erneut überschritten worden. Für diese Entwicklung seien die Energiepreise maßgeblich gewesen: „Ohne Berücksichtigung der Energie hätte die Inflationsrate im Februar 2022 bei + 3,3 Prozent gelegen, ohne Energie und Nahrungsmittel bei + 3,0 Prozent“, erklärt das Statistische Bundesamt.
Die Preise für Energieprodukte lagen im Februar um 22,5 Prozent höher als im Vorjahresmonat.
Um 21,1 Prozent stieg der Erzeugerpreisindex für landwirtschaftliche Produkte laut Destatis von Dezember 2021 bis Januar 2022 (vorläufige Angabe).
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