
Oscar Davidson, Spezialist bei LettUs Grow, einem technischen Ausstatter von Vertical Farmen, sagt: „Strom macht durchschnittlich 40 bis 50 % der Produktionskosten in der vertikalen Landwirtschaft aus. Daher ist die Sicherung eines stabilen Energiepreises der Schlüssel zum Erfolg."
Beleuchtung, Temperatur, Belüftung, Bewässerung und andere technische Vorgänge werden alle mit Strom betrieben, während in traditionellen Gewächshäusern oft Gas die primäre Energiequelle ist. Je nach Technologie können die Energiekosten in Einzelfällen bis zu 70 % der Gesamtkosten betragen, zeigen Untersuchungen. Viele Vertical-Farmen werden von der Preisexplosion bei Strom deshalb kalt erwischt.
„Ich habe gerade die Benachrichtigung erhalten, dass mein Tagestarif für Strom von 23,23 Pence/kwh auf 31,24 Pence/kwh steigt, was einem Anstieg von 31 % entspricht“, sagt Peter Lane, Executive Chairman des Vertical Farming Network vor einigen Wochen. „Wie viele echte geschlossene vertikale Farmen können sich diese Art von Erhöhung ihrer grundlegendsten Ressourcenkosten leisten", fragt Lane besorgt.
Das sieht auch Cindy van Rijswick so,. Sie ist Analystin bei der Rabobank. Rijswick sagt gegenüber dem Onlineportal Shifted, dass Strom für vertikale Farmen der wichtigste Kostenfaktor ist. Letztes Jahr verfasste sie eine Studie, der zufolge Strom mindestens 25 % der Ausgaben in den Unternehmen ausmacht.
Diese Schätzung wurde jedoch gemacht, bevor Europa mit den steigenden Energiekosten durch den Krieg in der Ukraine konfrontiert wurde. „Die Kosten werden jetzt viel höher sein“, sagt sie, „und die Energiepreise steigen immer weiter.“
Verbraucher kaufen in der Krise anders – Billig statt Salat
Investoren haben in den letzten fünf Jahren 741 Millionen US-Dollar in Vertical Farming Unternehmen in Europa gesteckt, hat Freya Pratty von Shifted herausgefunden. Da sich das Wirtschaftswachstum jedoch spürbar zu verlangsamen beginnt, werden Fragen zur Rentabilität dieser Vertical-Farmen immer dringlicher gestellt.
Anna Ottoson, eine Investorin des auf Lebensmitteltechnologie ausgerichteten Fonds Trellis Road, sagt, dass die Reduzierung der Verbraucherausgaben vertikale Farmen besonders hart treffen werden. „Ich frage mich, ob die Verbraucher bereit sein werden, in Zeiten schnell steigender Lebensmittelpreise sowie eines geringeren verfügbaren Einkommens einen Aufpreis für lokal angebauten Salat zu zahlen“, sagt sie.
Rabobank-Analystin Van Rijswick stimmt zu: „Wenn jemand wirklich Probleme hat, seine Kinder zu ernähren, ist ihm das Klima egal. Sie können sehen, dass die Discounter in Großbritannien bereits Marktanteile gewinnen“, sagt sie. Sie hat die Ausgabentrends für Lebensmittel in der Finanzkrise von 2008 untersucht, als die Menschen anfingen, mehr für billigere, verarbeitete Lebensmittel wie Tiefkühlpizzen auszugeben.
Salat, kommentiert sie, sei kein Grundnahrungsmittel. „Ich denke, bei Ernährungssicherheit geht es mehr um Grundnahrungsmittel wie Getreide“, sagt sie, als um Blattgemüse.
Traditionelle Gewächshäuser ebenfalls betroffen
Dave Dinesen ist der Chef von CubicFarms, einem Vertical Farming Unternehmen aus British Columbia, Canada. Dinesen sagt gegenüber agfundernews: „Die durchschnittliche Indoor-Farm verbraucht 38,8 Kilowattstunden Energie, um ein Kilogramm Lebensmittel zu produzieren – das ist genug Strom, um 17 Ladungen Wäsche in einer Waschmaschine zu waschen."
Der größte Teil der Energie der Indoor-Landwirtschaft wird für tausende von LED-Leuchten verwendet, die die Sonne nachahmen und das Klima gemäßigt und konstant halten. Bis jetzt haben viele kleine Indoor-Farmer sich aber nicht allzu sehr mit Energieeffizienz befasst. Dinesen sagt, dass eine Branchenuntersuchung aus dem Jahr 2021 ergab, dass 64 % der Vertical Farmen keinen Prozess zur Reduzierung ihres Energieverbrauchs eingerichtet hatten, und fast 40 % ihren Energieverbrauch überhaupt nicht verfolgten.
Allerdings sind von den steigenden Strom- und Gaspreisen auch die traditionellen Gewächshäuser betroffen. Auch hier gehen die Energiekosten steil nach oben. Energie ist hier in der Regel der zweitgrößte Kostenfaktor nach der Arbeit. Der größte Teil davon wird für gasbefeuerte Heizungen und auch für die Verwendung von elektrischer Beleuchtung zur Ergänzung des Sonnenlichts ausgegeben.
Der plötzliche Anstieg der Gaspreise hat die traditionelle Gewächshausindustrie schwer getroffen. Viele gasbeheizte Gewächshäuser steigen deshalb auf weniger energieintensive Pflanzen um, die Produktivität wird schlechter oder sie pflanzen weniger, berichtet das Fachportal agritecture.
Der britische Bauernverband NFU schätzt einen Rückgang der britischen Gewächshausproduktion von 50 %. Einige Unternehmen stellten die Produktion sogar auf unbestimmte Zeit ein.
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