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Waldsterben und Holzpreise

Der Wald in der Krise und die Holzpreise im Keller

Baumsterben
am Montag, 23.12.2019 - 12:27 (1 Kommentar)

Von der größten Krise des Deutschen Waldes sprechen einige Fachleute.

Die Schäden sind viel schlimmer als beim Waldkollaps durch den sauren Regen in den 80er Jahren, heißt es aus Fachkreisen. Weit über 200.000 Hektar, ein Gebiet dreimal so groß wie Hamburg, wurde von zwei Jahren Dürre und einer gigantischen Borkenkäfer-Invasion dahingerafft. Wann dieses Sterben gestoppt werden kann, ist zur Zeit immer noch nicht ganz klar.

Die Holzpreise sind dadurch auf den tiefsten Stand seit rund 10 Jahren abgestürzt. Ganz besonders dramatisch nach unten ging es mit den Preisen für Fichtenholz. Dieses Nadelholz wurde vom Borkenkäfer besonders stark befallen und überschwemmt praktisch den Markt.

Unzählige Bäume mussten gefällt werden, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Das drückte die Holz-Preise natürlich immer weiter nach unten.

Überangebot drückt Preise in den Keller

Schadholz

Waldbesitzer wie Jörg von Beyme aus Sachsen-Anhalt sehen sich in einer existenziellen Krise. "Ich werde mein Holz einfach nicht mehr los. Durch das Überangebot sind die Preise derart im Keller, dass ich kein Einkommen mehr erzielen kann. Wie ich meine Kredite bedienen soll, ist mir zur Zeit ein Rätsel", sagt Beyme.

Für die Weiterverarbeitung sei es zudem wichtig, dass die befallenen Bäume sofort geschlagen würden, nur dann drohe dem Holz kein Qualitätsverlust. Das ist aber bei der Masse der kranken und befallenen Bäumer nicht möglich. Sobald ein Baum anfange, seine Rinde zu verlieren, hätten Pilze und andere Schädlinge schnell freie Bahn. Dann kann das Holz oft nur noch zu Paletten verarbeitet werden.

"Das Holz ist einfach nichts mehr wert", sagte auch Heidrun Buß-Schöne, Geschäftsführerin des nordrhein-westfälischen Waldbauernverbands. Zwischen 60 bis 100 Jahre alte Fichten konnten so oft nur noch für den Brennholzpreis verkauft werden.

Bäume oft ohne Abwehrkräfte

Fichtenholz Preise

"Wie nach einem Atomkrieg!", haben Wanderer im Harz ihre Eindrücke beim Aufstieg auf den Brocken beschrieben. Das Mittelgebirge in der Mitte Deutschlands ist vom Baumsterben besonders hart getroffen. Millionen Fichten sind allein in den vergangenen Monaten dem Waldsterben zum Opfer gefallen. Grund war die Kombination aus Sturmschäden, Dürrefolgen und massivem Borkenkäferbefall.

„Weil die Bäume durch die lange Trockenheit im vergangenen Jahr bereits stark geschwächt waren, hatte der Borkenkäfer leichtes Spiel“, sagt Jan Kurth, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Holzindustrie. Der Grund: Ohne ausreichend Regen konnten die Bäume kein Harz bilden, dass sonst wie ein natürliches Insektizid wirkt und die Angreifer erstickt.

Hinzu kommt: Die Menge der Schädlinge war einfach gigantisch. Wir sehen die stärkste Massenvermehrung von Borkenkäfern mindestens seit Ende des Zweiten Weltkrieges“, hatte Michael Müller von der TU Dresden, bereits 2018 gesagt.

Aufarbeitung der Schäden dauert Jahre

Fichtenholz Preise

Förster und Waldbesitzer hätten die befallenen Stämme gerne schnell aus den Wäldern geholt, um die weitere Ausbreitung des Borkenkäfers einzudämmen. Doch Waldarbeiter und Transportunternehmen, die die Stämme zu den Sägewerken bringen müssen, waren 2019 deutschlandweit Mangelware. Die Aufarbeitung der Schäden werde vermutlich noch Jahre dauern, sagte Jörg Dommermuth vom Regionalforstamt Märkisches Sauerland.

Schon jetzt ist jedoch unter Fachleuten klar, dass sich die Wälder deutlich verändern werden. Die lange Zeit als sichere Ertragsquelle von den Waldbesitzern geschätzte Fichte könnte künftig besser an den Klimawandel angepassten Baumarten weichen. "Die Bedeutung der Fichte wird abnehmen", ist sich auch Michael Blaschke vom nordrhein-westfälischen Waldbauernverband sicher. Denn sie leidet als Flachwurzler ganz besonders unter den geringen Niederschlägen. Wenn der Wasserspiegel sinkt, ist sie deshalb schnell an ihren Grenzen. 

Revierförsterin Anne-Sophie Knop aus dem Soonwald in Rheinland- Pfalz sieht deshalb im Anbau von Monokulturen – wie Fichten - eine der Ursachen für die Krise des Waldes. Viele Forstbetriebe haben deshalb schon vor Jahrzehnten begonnen, Mischwald zu pflanzen. „Doch das Problem ist dieses Jahr noch nicht beendet. Die Käfer schaffen es, im Boden zu überwintern, teilweise auch im Stamm. Und nächstes Jahr sind sie dann wieder da“, sagt Knop.

Bekämpfung wurde erschwert

Waldschäden

Auch die Veränderungen im Forstwesen und bei der Waldbewirtschaftung kommen dem Borkenkäfer zur Hilfe. Früher sei Totholz aus dem Wald geschafft worden, heute lässt man es dort, als Lebensraum für andere Lebewesen, sagt Gerd Womelsdorf, Leiter des Forstamtes Idarwald im Hunsrück. Zudem dürfen im Wald heute keine Insektizide mehr eingesetzt werden, mit denen die Schädlinge früher deutlich effektiver bekämpft werden konnten.

„Normalerweise haben wir zwischen 1000 und 1.500 Festmeter Schädlingsholz. In diesem Jahr rechnen wir mit bis zu 5.000 Festmetern“, sagt Womelsdorf. In ganz Europa seien es mehr als 100 Millionen Festmeter.

Auch Baumarten, die bisher als relativ klimastabil angesehen wurden, haben massiv unter der Trockenheit der letzten beiden jahre gelitten, hat Gerd Womelsdorf beobachtet. So zeigen Buchen, Douglasien und Kiefern ebenfalls Absterbe-Erscheinungen. Neue klimaangepassten Baumarten werden sich vermutlich deutlich vom derzeitigen Artenspektrum unterscheiden, erwartet der Förster.

Kommentar

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