Herr Conzen, wie sehr hat das Hochwasser im Westen die Landwirtschaft getroffen?
Die Lage ist noch immer unübersichtlich. Wir schätzen die Zahl der betroffenen Betriebe im RLV-Verbandsgebiet auf 2.000 bis 2.500. Vor allem entlang der Erft ist die Situation schwierig bis kritisch.
Sind unter den Todesopfern Landwirte?
Es sind auch Landwirte gestorben. Die genaue Opferzahl wissen wir noch nicht. Aber allein gestern (20.7.) wurden zwei Berufskollegen tot aufgefunden, die bisher als vermisst galten. Aus den Umständen der Bergung muss man schließen, dass sie vermutlich beim Versuch zu helfen ums Leben gekommen sind.
Was passiert gerade auf den geschädigten Betrieben?
Vorrang hat im Moment, die Gebäude und die Technik zu sichern und zu reinigen, insbesondere in einem Streifen von Heimerzheim über Weilerswist bis Erftstadt.
Wie sehen die Kulturen aus?
In den Ebenen entlang der Erft geht das Wasser nur sehr langsam zurück. Das ist vor allem für Kartoffeln, Gemüse und andere Sonderkulturen schlecht. Die Schäden sind hier noch nicht absehbar. Überschwemmtes Getreide ist häufig nicht mehr zu ernten. Die Zuckerrübe ist dagegen flexibel. Sie kann auch zwei Tage unter Wasser überstehen. Was wir noch nicht wissen, ist, wie die Böden das aushalten, wann sie anfangen zu verschlämmen.

Was bedeutet die Hochwasserlage für die aktuelle Ernte?
Die wirklich schwer getroffenen Betriebe können trotz des trockenen Wetters gar nicht ernten. Für diejenigen, die ernten können, geht es gerade Schlag auf Schlag. Nach der Gerste kommt gerade der Weizen an die Reihe. Auch der Raps sieht gut aus.
Wie steht es um die Ernte-Infrastruktur?
Die Erfassungskapazitäten des Landhandels, in dieser Region in erster Linie der Buir-Bliesheimer Agrargenossenschaft, wurden offenbar kaum geschädigt. Da sehen wir keine großen Ausfälle.
Aber es wurden viele Straßen und Brücken zerstört bis hin zu Autobahnen?
Das ist richtig. Die Landwirte helfen sich in diesen Fällen – wo immer es geht – selbst. Statt Straßen werden Wirtschaftswege stärker genutzt. Beschädigte Strecken werden in Eigenleistung provisorisch mit Recyclingmaterial aufgefüllt. Man muss generell sagen, die Landwirte leisten in dieser Krisensituation Enormes. Die Solidarität ist riesengroß.

Wir hören, die Zuckerfabrik in Euskirchen sei vom Hochwasser ebenfalls getroffen. Was wissen Sie darüber?
Das Pfeifer&Langen-Werk in Euskirchen hatte einen Wassereinbruch. Auch zwei Silos mit Zucker waren betroffen. Geräte und Technik konnten im Werk aber offenbar rechtzeitig stromlos gestellt werden und müssen gereinigt werden. Das Unternehmen geht davon, bis zum Kampagnenstart im Oktober wieder in normalem Betrieb arbeiten zu können. Das Werk Jülich blieb vermutlich vor Schlimmerem verschont, weil das Hochwasser der Inde in den Tagebau Inden einbrach. Das hat wohl auch die Stadt Jülich vor einer Evakuierung bewahrt.
Was brauchen die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe jetzt am Dringendsten?
Die Betriebe brauchen eine finanzielle Soforthilfe. Ein kurzfristig verfügbarer Hilfsfonds von 15 Mio. bis 20 Mio. Euro könnte eventuell kommen. Dazu sind wir mit dem Landesfinanzministerium im Gespräch. Die langfristige Wiederaufbauhilfe wird sich in einer deutlich höheren Größenordnung bewegen müssen.
Sie waren auch selbst vom Hochwasser betroffen. Was ist geschehen auf Ihrem Betrieb?
In meinem Heimatkreis Heinsberg gab es Überschwemmungen, die teilweise auch meine Flächen erreichten. Wir kamen aber mit einem blauen Auge davon. Zum einen waren die Niederschläge mit 100 Liter pro Quadratmeter nicht so extrem wie in manchen anderen Gebieten. Zum anderen hat sich das Wasser schnell wieder zurückgezogen.
Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute.
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