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Corona-Krise und wirtschaftliche Folgen

10 Tipps: So bringen Bauern ihren Hof durch die Corona-Krise

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am Freitag, 22.05.2020 - 08:00 (Jetzt kommentieren)

Für Landwirte ist jetzt die Zeit, Entscheidungen zu treffen. Der Grund: Die COVID-19-Pandemie und ihre Nachwirkungen auf die Agrarwirtschaft werden noch eine ganze Weile andauern.

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Sich den Problemen zu stellen und Konzepte zu entwickeln, empfehlen Agrarbanker und Berater den Farmern in den USA. Die gleichen Fragen stellen sich aber auch Landwirten in Deutschland und Europa. Deshalb lohnt es sich, einmal genau hinzuschauen, was die US-Experten den Landwirten in der Krise empfehlen.

Dort heißt es unter anderem: Wenn es ein Wort gibt, das die Entwicklung während der COVID-19-Pandemie prägt, ist es das Wort Unsicherheit. „In der Agrarwirtschaft herrscht in der Coronakrise erheblich mehr Unsicherheit als in der gesamten jüngsten Vergangenheit“, sagt dazu David Widmar, Mitbegründer von Agricultural Economic Insights, einem agrarökomischen Beratungsdienst.

"Wir sind gerade mit der Frühjahrsbestellung fertig und die Unsicherheit unter Landwirten ist riesig. Dabei geht es beileibe nicht nur darum, wie groß die Ernten bei Weizen, Mais und Soja sein werden“, sagt David Widmar. Viele Landwirte fragen sich vielmehr, was in Zeiten von Corona mit der Nachfrage geschieht. Fakt ist: Niemand weiß es.

“Um der Unsicherheit zu begegnen, haben David Widmar und der Agrarbanker Nate Franzen, eine Reihe von Tipps und Hinweisen gegeben, worauf die Farmer in den USA (und anderswo) in der Corona-Krise achten müssen und wie sie sich am besten verhalten sollen.

1. Erwarten Sie eine sehr hohe Preis-Volatilität

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Das Coronavirus hat die globale Wirtschaft, einschließlich der Landwirtschaft, ins Wanken gebracht und zu heftigen Turbulenzen geführt. Der Agrarökonom David Widmar weist darauf hin, dass die 2008 durch die Finanzkrise ausgelöste große Rezession die US-Wirtschaft um rund 9 Prozent nach unten riss. Schätzungen für den wirtschaftlichen Schaden, der durch die Folgen der Corona-Pandemie im zweite Quartal 2020 entstanden sind, gehen von einem Einbruch von 20 Prozent aus.

In Deutschland erwarten der Finanzanalyst Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut im zweiten Quartal einen wirtschaftlichen Einbruch von 12 Prozent und für des Gesamtjahr von knapp 7 Prozent. Für die Ernährungsindustrie rechnet man mit einem Rückgang der Produktionsleistung von 6 Prozent. Und auch die Landwirtschaft wird erheblich unter den wirtschaftlichen Folgen leiden. So hat COVID-19 die Schlachtindustrie und auch die Milchwirtschaft in heftige Turbulenzen gebracht. Außerdem fehlen Saisonarbeiter und die Lieferketten bei Pflanzenschutz und Dünger könnten gestört sein.

Der Absturz der Rohöl- und Energiepreise hat außerdem dazu geführt, dass viele Ethanolanlagen nur mit 50 Prozent ihrer Kapazität arbeiten und gleichzeitig die Preise für Ethanol- und Mais auf historische Tiefstände abgestürzt sind. Insgesamt sind die Auswirkungen von COVID-19 ganz offenbar größer als zur Finanzkrise. Während der Finanzkrise brachen die globalen Energiepreise immerhin um zwei Drittel ein, gleichzeitig gaben die globalen Agrarpreise immerhin um 30 Prozent nach.

Mittlerweile gibt es jedoch Schätzungen, dass die US-Wirtschaft im dritten und vierten Quartal 2020 wieder um 10 bis 15 Prozent wachsen könnte. Für die deutsche Wirtschaft liegen die Wachstumserwartungen von Timo Wollmershäuser für das dritte und vierte Quartal zwischen 5 und 7 Prozent. Diese Dynamik dürfte auch die Agrarwirtschaft mit nach oben ziehen. "Wir sprechen also von Rekordbrüchen bis zum möglichen Tief der Krise und möglichen Rekordsprüngen bis zum möglichen Hoch", sagt der Berater Widmar.

2. Behalt sie die Kontrolle und bleiben sie flüssig (liquide)

"Sehen Sie sich Ihre Betriebsbilanz genau an und stellen Sie sicher, dass Sie alles tun, um sich in der Krise gut zu positionieren", empfiehlt der Bankexperte Franzen. Manchmal bedeutet dies auch, bestimmte Vermögenswerte zu verkaufen, die Sie eigentlich nicht verkaufen möchten.

"Manchmal ist das jedoch die beste Entscheidung, die Sie treffen können, um sich in stärkeren Abwärtszyklen gut und erfolgreich zu positionieren", sagt Franzen und natürlich auch um in der Not flüssig zu bleiben.

3. Beobachten sie ihre Finanzkennzahlen

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„Wir sehen, dass Betriebe, die ihre tatsächliche Leistungsfähigkeit anhand eines Budgets verfolgen, bessere und zeitnahe Entscheidungen treffen können und das Jahr in einer viel besseren (finanziellen) Position abschließen“, sagt Finanzexperte Franzen. Das Budget kann fließend sein und sich anpassen, sobald im Laufe des Jahres neue Informationen verfügbar werden, fügt er hinzu.

Für Landwirte gibt es gute digitale Tools zur Verfolgung von Produktions- und Finanzkennzahlen. Umgekehrt bevorzugen einige Landwirte weniger komplexe Überwachungstools wie Excel-Tabellen, die sie regelmäßig aktualisieren können.

 "Ich glaube fest an den" Keep it simple"-Prozess" (halte es einfach), erklärt Franzen. "Den Weg, der für Sie am einfachsten ist, um sicherzustellen, dass Sie über „Echtzeitdaten“ verfügen, die Sie zeitnah verfolgen können, müssen Sie verwenden.

Das ist unabhängig davon, ob es sich um eine einfache Tabelle oder um großartige Softwaretools handelt." Der Schlüssel ist, dass es genau und zeitnah sein muss, damit Sie während des gesamten Produktionsjahres Entscheidungen treffen können.“

4. Denken Sie an kleine Fortschritte, nicht an große Erfolge

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"Diese Bedingungen werden keine spektakulären Erfolge ermöglichen", erklärt Franzen. "Es geht darum, kleinen Korrekturen vorzunehmen und in kleinen Schritten voran zu kommen.

„Rückblickend wäre es beispielsweise für viele Ackerbauern ein brillanter Marketingschritt gewesen, einen Teil der Ernte 2020 schon im vergangenen Januar oder Februar zu verkaufen, bevor COVID-19 viele Märkte zum Absturz brachte.

Falls Sie es nicht getan haben, stehen sie wieder vom Boden auf und passen Sie sich an die Entwicklung an. „Überarbeiten und erstellen Sie einen neuen Marketingplan basierend auf den aktuellen Realitäten“, sagt Widmar. So kommen sie auf jeden Fall besser durch die Krise.

5. Sichern sie sich die niedrigen Inputkosten

„Ein Großteil unserer Inputkosten hängt mit den Energiepreisen zusammen“, sagt Franzen. Es gibt heute viele Möglichkeiten, sich auf niedrige Energie- und Kraftstoffpreise einzustellen und diese für langfristige Einkäufe zu nutzen.

Das Gleiche gilt für die Festlegung von Zinssätzen. "Wir sind mit den Zinsen so niedrig wie nie zuvor", sagt Franzen. "Wir können sicher darüber streiten, ob wir glauben, dass die Zinsen noch niedriger werden, aber eigentlich können sie nicht unter null fallen."

6. Vermeiden sie Unentschlossenheit oder „Entscheidungslähmungen“

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"Wir können so viele Informationen hören, dass wir nur noch unseren Kopf in den Sand stecken wollen und nicht wissen, was wir tun sollen", sagt Franzen. „Wir sind einfach gelähmt. Wenn es einmal so weit kommt, befinden Sie sich an einem sehr gefährlichen Punkt.

An dieser Stelle kann die Überwachung Ihrer betrieblichen Kennzahlen sehr hilfreich sein, denn dann wissen sie, wo sich gerade befinden.

Damit kann einen Großteil der „Außengeräusche“ beseitigt werden und Sie können sich auf das konzentrieren, was Sie heute auf ihren Hof tun müssen, um Verbesserungen zu ermöglichen. "

7. Schauen sie nach vorne und nicht zurück

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wir Landwirte zu oft zurückblicken und uns fragen warum wir uns auf diesen Weg eingelassen haben“, sagt Franzen. „Oder wir machen uns Sorgen darüber, was unser Nachbar tut.

Doch wir Bauern müssen die Augen weit offenhalten und sehen, was jetzt in unserer Umgebung passiert und wie es sich auswirken könnte. Dann müssen wir, basierend auf dem, was im Moment sehen, einen Weg nach vorne festlegen und Ziele für unseren Betrieb festlegen. “

8. Achten Sie darauf, dass sie nicht an der falschen Stelle sparen

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Im Agrargeschäft zu sein, erfordert hohe Effizienz, und ein Teil davon ist die Kostenkontrolle. Es gilt jedoch auch ein Gleichgewicht zu finden. Übermäßige Kostensenkungen können nämlich den Umsatz schmälern. Zum Beispiel kann das sparen von Düngemittel- oder Pflanzschutzkosten nach hinten losgehen, wenn es zu viel Ertrag kostet, sagt Widmar.

Landwirte können nach Meinung von Agrarberater Widmar jedoch größere Kosteneinsparungen erzielen, ohne das Risiko niedrigerer Einnahmen einzugehen: Er schlägt vor (kurzfristig) lieber bestimmte Ausgaben wie sofortige Barzahlungen, Maschinenkosten und auch bei den Lebenshaltungskosten für ihre Familien zu reduzieren.

"Das sind Bereich, in denen es zwar schwierig sein kann, Einsparungen vorzunehmen, aber kurzfristig bringt es jedoch eine spürbare finanzielle Entlastung – ohne dass die Erlöse schrumpfen.

9. Isolation vermeiden – Kommunikation ist der Schlüssel

Landwirte in Berlin

"Meiner Erfahrung nach stellen die besten Betriebsleiter fest, dass sie nicht auf alle Probleme eine Antworte haben", sagt Franzen. "Sie erkennen, dass sie nicht perfekt sind. Wenn du Angst hast, wenn du über etwas gestresst bist, ist das in Ordnung. "Doch diese Bauern unterscheiden sich dadurch, dass sie ihre Probleme nicht für sich behalten.

"Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation ist der Schlüssel", sagt Franzen. „Lassen Sie sich von denen beraten, denen Sie vertrauen. Und vergessen Sie niemals, dass Kommunikation, Rat suchen, Hilfe bekommen eine Stärke und keine Schwäche ist. Zu oft sind wir in der Landwirtschaft isoliert.

Landdwirte denken, sie können es selbst herausfinden. Isolation ist aber keine gute Sache, wenn wir mit Stress zu tun haben. Hab keine Scheu davor, dich mit Berufskollegen auszutauschen“, fordert Widmar.

10. Akzeptieren Sie, dass die Krise länger dauern kann

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"Derzeit besteht die Erwartung, dass wir uns in einem Jahr von der Krise erholen können und dann wieder unter normalen Bedingungen arbeiten werden", sagt Widmar. "Doch es kann durchaus auch einige Jahre dauern. "Kurzfristig werden massive Konjunkturmaßnahmen den Landwirten und der Wirtschaft helfen. Langfristig wird es jedoch auch wirtschaftliche Konsequenzen geben.

Das zeigt auch die Vergangenheit. Staatliche Finanzprobleme und Budgetkürzungen wirkten sich negativ auf die Einkommen in der Landwirtschaft aus. Außerdem könnten Inflation oder Deflation als Folge der heute getroffenen Entscheidungen eintreten, und die Märkte verändern. Auch auf diese Möglichkeit sollte man sich einstellen.

 

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