Landwirtschaftlich genutzte Böden haben viele Funktionen. Vor allem sichern sie die menschliche Ernährung. Sie dienen aber auch dem Klimaschutz. Der Grund: Sie speichern riesige Mengen Kohlendioxid. Wie viel CO2 der Boden enthält, hängt aber vom Humusgehalt ab. Fakt ist also: Ändert sich der Humusvorrat, ändert sich auch der Vorrat an Bodenkohlenstoff. Und das ist klimawirksam.
Wissenschaftler des Thünen-Instituts in Braunschweig haben das herausgefunden. Über viele Jahre hat das Team um den Bodenforscher Axel Don die landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland akribisch untersucht. Daraus entstand im Jahr 2018 die erste Bodenzustandserhebung. Das Ergebnis: Die Bedeutung landwirtschaftlicher Böden für den Klimaschutz und die Klimaanpassung ist groß. Viel größer als von vielen Klimaexperten vermutet.
Messen, kartieren, analysieren
Die Vermessung des Bodens ist extrem aufwendig. Axel Don und seine Kollegen zogen ein Rasternetz über die ganze Bundesrepublik. Alle acht Kilometer wurde ein Punkt definiert. Traf er eine Agrarfläche, also Äcker, Wiesen, Weiden und Obstplantagen, wurde eine Bodenprobe genommen. An mehr als 3.000 Stellen zogen die Forscher jeweils acht Bohrkerne. „Die Probenentnahme erfolgte dann mit einem elektrischen Bohrhammer und einem Zylinder, der ein Meter lang ist und sechs Zentimeter Durchmesser hat“ beschreibt der Leiter des Projekts das Vorgehen.
„Als wir vor acht Jahren damit angefangen haben, hat wohl niemand geahnt, wie viel Aufwand das wird. Allein die Kommunikation mit den Landwirten vor Ort, wann und wo wir beproben dürfen. Es waren mehr als 20.000 Telefonate, die dort geführt wurden, wir sind mit bis zu acht Kartier-Teams kreuz und quer durch ganz Deutschland gefahren“ erklärt Axel Don. Diese Teams haben über die Jahre mehr als 25.000 Bohrkerne nach Braunschweig gebracht. Dort wurden die Kerne zerteilt, getrocknet, gesiebt, kartiert und analysiert.
Mehr Humus als im Wald
Die wichtigste Erkenntnis: Grünland, also vor allem Viehweiden, speichert im Schnitt doppelt soviel Kohlenstoff wie ein Ackerboden. Mit bis zu acht Prozent Humusgehalt findet sich im Grünland sogar mehr Kohlenstoff als in der Erde unter Wäldern. Außerdem sind tonhaltige und feuchte Flächen in Senken und Flussnähe humusreicher als etwa sandige Böden. Mit Abstand am meisten Kohlenstoff fanden die Wissenschaftler aber in den landwirtschaftlich genutzten Moorböden. Diese befinden sich vor allem in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. „Insgesamt speichern die landwirtschaftlichen Böden im obersten Meter zweieinhalb Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Das ist mehr als doppelt so viel organischer Kohlenstoff wie derzeit in allen Bäumen in den Wäldern Deutschlands bevorratet ist“, betonen die Autoren in der Studie.
Die Ergebnisse belegen, dass landwirtschaftlich genutzte Böden der mit Abstand größte terrestrische Speicher von organischem Kohlenstoff sind. Die Speicherkapazität ist jedoch regional sehr unterschiedlich und abhängig von den Bodentypen. So können Moorböden ein Vielfaches an organischem Kohlenstoff speichern wie mineralische Böden. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sagte dazu: „Daten und Fakten zeigen, wie bedeutend der Agrarboden für den Klimaschutz und für die Klimaanpassung ist.“ Doch sind nicht die derzeit vorhandenen CO2-Vorräte klimarelevant, sondern ihre Veränderungen über die Zeit. „Im Gegensatz zu allen anderen Wirtschaftssektoren können Land- und Forstwirtschaft Kohlenstoff speichern und damit als natürliche Treibhausgassenke fungieren“, ist die Ministerin überzeugt.
Humusaufbau durch Biomasse
Humus besteht überwiegend aus Pflanzenresten und den Umwandlungsprodukten von Bodentieren und Mikroorganismen. Er liefert Nährstoffe für Pflanzen, saugt Wasser auf wie ein Schwamm und hält das Erdreich zusammen. „Um Humus aufzubauen oder zu stabilisieren, hilft das Düngen mit Pflanzenresten, Kompost, Gärresten oder Mist. Da haben wir in Deutschland ein Problem, dass wir schon 40 Prozent der Äcker haben, wo gar keine organische Düngung mehr hinkommt“ sagt Bodenforscher Axel Don. Nur in der obersten Bodenschicht ist zudem die Art der Landnutzung ein wichtiger Faktor für die Humusvorräte.
Eine zentrale Rolle spielt jedoch das Wasserregime: Mit steigendem Grundwasserstand nehmen die Kohlenstoffvorräte nämlich zu. Eine weitere Erkenntnis ist: Auf die räumliche Verteilung der Humusvorräte hat das Klima wenig Einfluss. Eine Klimaerwärmung dürfte nach Einschätzung von Bodenforscher Don aber „zu Humusverlusten führen, wenn diese nicht durch einen höheren Eintrag an Biomasse wie Ernteresten und organische Düngung ausgeglichen werden“. Wurzeln werden zudem deutlich besser zu Humus umgebaut als Stroh oder organischer Dünger.
Don sieht eine tiefere Durchwurzelung deshalb als Schlüssel, die Pflanzen resistent gegenüber Trockenstress zu machen. Wenn der Acker abgeerntet wird, bleiben die Wurzeln außerdem im Boden und fördern den Humusaufbau
Pfluglos bringt nicht viel
Überraschend ist: Die pfluglose Bodenbearbeitung, bei der der Acker mit chemischen Pflanzschutzmitteln unkrautfrei gemacht wird, hat offenbar keine positive Wirkung für den Humusaufbau. Axel Don beschreibt das Problem folgendermaßen: „Für eine Klimabilanz ist mehr als ein im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlicher Blick nötig. Humus stammt aus Wurzel- und Ernterückständen und Wirtschaftsdüngern und kommt hauptsächlich von oben in den Boden. Ohne wendende Bodenbearbeitung mit dem Pflug bleibt der neu gebildete Humus nahe der Oberfläche und wird nicht mehr gleichmäßig in die Ackerkrume eingemischt.“ Die Sache hat aber noch einen Haken: Ohne Lockerung des Boden kann es zu verstärktem mikrobiellen Nitratabbau und zu höheren Lachgasemissionen kommen. Und dieses Gas ist mehr als 300mal so klimaschädlich wie CO2.
Für den Humushaushalt im Boden gibt es aber noch ein weiteres Dilemma: Viele Landwirte düngen fast nur mit Mineraldünger. Der ernährt zwar die Pflanzen, nicht aber das Bodenleben. Die Bodenforscher betonen deshalb die Wichtigkeit, Humusvorräte durch ausreichende Zufuhr von Pflanzenresten, Wurzeln und organischen Düngern zu erhalten. Axel Don ergänzt: „Eine Erhöhung der Kohlenstoffzufuhr ist auch mit dem Anbau von Zwischenfrüchten möglich. Deren Biomasse kann im Frühjahr als Gründüngung eingearbeitet werden.“ Wichtig ist dabei jedoch das Humusmanagement. Es muss immer an ein effizientes Nährstoffmanagement gekoppelt werden, um unerwünschte Umweltfolgen und zusätzliche Treibhausgasemissionen zu vermeiden.
Humusaufbau als Klimaschutz
Auf- und Abbau von Humus im Boden ist ein natürlicher Prozess, der nicht aufzuhalten ist. Ob die Humusvorräte in Deutschlands Äckern längerfristig zu- oder abnehmen konnten die Bodenforscher nicht empirisch ermitteln. Mit Hilfe von Rechen-Modellen wurde jedoch eine Abschätzung getroffen. Dabei kam heraus: Es gibt keine signifikanten Veränderungen der Bodenkohlenstoffvorräte unter Dauergrünland. Sie befinden sich in einem sogenannten Fließgleichgewicht. Dagegen verlieren grundwasserferne Mineralböden unter kontinuierlicher Ackernutzung jährlich etwa 190 kg CO2 pro Hektar. Das entspricht deutschlandweit etwa 8 Mio. t CO2-Emissionen pro Jahr. „Dies ist ein in dieser Deutlichkeit unerwartetes Ergebnis.
Bisherige Studien zu zeitlichen Trends von Bodenkohlenstoffvorräten in Deutschland hatten meist keine signifikanten Änderungen gefunden“ stellen die Wissenschaftler fest. Am höchsten waren die erwarteten Verluste in Teilen Ostdeutschlands. Sie gingen mit den niedrigeren Kohlenstoffeinträgen durch geringere organische Düngung einher. Hierfür dürfte der starke Rückgang der Nutzierhaltung im Osten zumindest eine Ursache sein. „Unter den sich verändernden klimatischen Bedingungen ist der Erhalt und, wo möglich, der Aufbau von Humus eine große Herausforderung, aber auch eine wichtige Maßnahme zur Klimaanpassung“, sind die Thünenforscher überzeugt.
Humus besteht immerhin zur Hälfte aus Kohlenstoff, der aus der Luft stammt. Durch eine mögliche Erhöhung des Humusgehalts im Boden wird die Atmosphäre vom Treibhausgas Kohlendioxid entlastet.
Gutschriften im CO2-Handel
Für Landwirte dürfte vor Hintergrund einer möglichen CO2-Bepreisung die Messung des Humus-Gehalts ihrer Böden immer wichtiger werden. Sollten nämlich für Emissionen aus der Bodenbearbeitung, mineralischer Düngung und Viehhaltung Preise gefordert werden, müsste dies für die Speicherung von CO2 in landwirtschaftlichen Böden ebenso gelten. Landwirte könnten die positiven Effekte der CO2-Speicherung dann gegen die betriebsinternen Emissionen gegenrechnen lassen. Oder sie könnten diese als Zertifikate bei einem möglichen CO2-Handel an der Börse oder auch über Händler verkaufen. Letzteres ist jetzt schon möglich.
Das Thünen-Institut kann den Humusgehalt und dessen Veränderung in den Böden jedenfalls exakt messen. Auch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen bietet Landwirten die Aufstellung einzelbetrieblicher Klimabilanzen an. So lässt sich die Klimaeffizienz in der Tier- und Pflanzenproduktion verbessern. Außerdem können die Parameter Humus, Nährstoffe und Energie bilanziert werden. „Das ist nicht nur gut fürs Klima sondern auch für die Wirtschaftlichkeit der Betriebe“, fasst der Klimabeauftrage der Kammer, Ansgar Lasar, das Projekt zusammen.
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