Die aktuelle Agrarpolitik verhindert Investitionen. Ursache ist: Die Politik schafft keine stabilen Rahmenbedingungen. Das wäre aber ihre Aufgabe. Bauern, die in neue Ställe oder Technik investieren wollen, fehlt die Planungssicherheit und sie gehen voll ins Risiko. Das Problem: In immer kürzeren Abständen ändern sich die staatlichen und gesellschaftlichen Anforderungen. Immer neue Auflagen kommen hinzu.
Beispiele sind die mehrfach veränderte Düngeverordnung oder immer neue Auflagen beim Tierwohl. „Wir müssen langfristig planen können“, fordert der niedersächsische Landwirt Onno Osterloh. „Die Halbwertzeit politischer Entscheidungen ist einfach zu kurz“, sagt er.
Diese Aussage bekräftigt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied. Er sagt: „Ein neuer Stall amortisiert sich erst nach 30 Jahren, aber die Politik ändert ihre Vorgaben für die Tierhaltung mitunter alle zehn Jahre.“ Deshalb seien planbare Investitionen nicht möglich.
Sichtbare Konsequenz dieser Politik sind die massiven und in diesem Ausmaß bisher nicht gekannten Bauernproteste. Das zeigt: Die Not vieler Bauern ist groß und die Probleme lassen sich nicht unter den Teppich kehren. „Die Proteste seien ein Hilfeschrei der Betriebe, die um ihre Existenz“, sagt der Landwirt Georg Mayerhofer aus dem Kreis Passau.
Hohes Risiko für Fehlinvestitionen
Die fehlende Planungssicherheit wird jedoch nicht nur von Bauern als größtes Investitionshindernis gesehen. Die Wissenschaft kommt zu ganz ähnlichen Erkenntnissen: Die Chefin des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft, Prof. Hiltrud Nieberg, sagte auf einer Veranstaltung in Berlin: „Ein junger Landwirt, der heute einen neuen Schweinestall bauen will, hat ein Risiko von 50 Prozent, eine Fehlinvestition zu tätigen“.
Für Nieberg ist die fehlende Planungssicherheit die entscheidende Ursache für den gegenwärtigen Unmut der Landwirte. Die Wissenschaftlerin spricht sich deshalb dafür aus, „in der derzeitigen Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft ökonomische Fragen angemessen zu berücksichtigen.“
Das fordert Bauernpräsident Joachim Rukwied schon seit Langem. Auf der Grünen Woche in Berlin sagte er: „Die wirtschaftliche Lage in der Landwirtschaft ist schwierig“. Die Zukunft der europäischen Agrarförderung und die Ausrichtung der Tierhaltung stimmt die Branche nachdenklich. „Diese Unsicherheiten, die verunsichern auch uns“, betonte der Bauernpräsident.
Bauern kämpfen an vielen Fronten
Die Sorgen um die Zukunft haben direkte Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft. „Wir Bauern sind Unternehmer“, sagt Rukwied. „Jeder, der etwas unternehmen will, braucht verlässliche Rahmenbedingungen, um Zukunftsinvestitionen tätigen zu können. Darauf muss die Politik ausgerichtet werden.“
Land zu bewirtschaften werde deshalb immer schwieriger. „Geplante Verbote, Auflagen und politische Unsicherheiten hemmen dringend notwendige Investitionen – auch zum Schutz des Klimas“, sagt Rukwied.Eine der großen Herausforderungen für die kommenden Jahre sei es deshalb, den Widerspruch zwischen gesellschaftlichen Verlangen nach mehr Ökologie und Tierwohl einerseits und andererseits der fehlenden Bereitschaft, im Laden dafür mehr zu bezahlen, aufzulösen, glaubt der Bauernpräsident.
Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt. „Landwirtschaft steht auch im internationalen Wettbewerb“, sagt die Thünen-Wissenschaftlerin Nieberg. Dies bedeute, dass sich die Preise in der Regel an der jeweils kostengünstigsten Produktionstechnik orientierten. Wolle man für die Landwirte einen anderen Weg, gehe dies nur, „wenn sie einen finanziellen Ausgleich zur Abdeckung der erhöhten Produktionskosten erhalten“, ist Nieberg überzeugt.
Investieren oder aufgeben
Ganz besonders machen die unsicheren Rahmenbedingungen den Milchvieh- und Schweinehaltern zu schaffen. Hier sind meist sehr hohe Investitionen nötig, um die Betriebe zukunftsfest zu machen. Der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Deutscher Schweinehalter (ISN) Torsten Staack sagte auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der ISN: „Die Betriebe wollen investieren, können aber nicht, deshalb hätten deutsche Schweinehalter keine Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln“.
Der Grund für das Dilemma: Die Politik müsse endlich die Zielkonflikte lösen, die sich bei Um- und Neubauten von Ställen ergeben. „Wer heute einen Außenklimastall bauen möchte, bekommt keine Genehmigung, weil die Behörden es gar nicht entscheiden können. Schlimmer noch, der Landwirt riskiere mit einem Änderungsantrag sogar eventuell seine bestehende Genehmigung“, sagte Staack.
Nicht ohne Grund ist die Zahl der Betriebsaufgaben in der Schweinehaltung besonders hoch. So haben allein in den letzten 20 Jahren 85 Prozent der Schweinehalter die Produktion aufgegeben. Ein Grund sind die hohen Investitionen, die sich unter anderem aus den neuen Anforderungen der Düngeverordnung und des Tierwohls ergeben.
„Alleine 150.000 Euro muss ich in die Güllegrube stecken und noch einmal 150.000 Euro in die Gülletechnik.“ Wenn dazu noch die Kastenstände oder Abferkelbuchten um 60 Prozent vergrößert werden, bedeute das einen neuen Stall“, sagte der bayerische Schweinehalter Horst Graser. „Ich müsste eine Million Euro investieren“, sagte der Landwirt – oder den Beruf aufgeben.
Auflagen treiben die Baukosten
Auch bei den Milchbauern ist die Entwicklung nicht viel besser. Hier sind schnell mehrere Millionen Euro an Investitionen nötig. Doch die Milchpreise kann man nicht beeinflussen und damit auch nicht die Erlöse, um die Investitionen zu refinanzieren. Deshalb haben in den letzten 20 Jahren 60 Prozent der Milchbauern die Stalltüren dicht gemacht.
Auch der neue Milchviehstall, den die Brüder Franz und Matthias Kraus aus Oberfranken gebaut haben, hat eine Million Euro gekostet. So war es möglich, den Kuhbestand zu erweitern, auf eine Größe, die den beiden Familien ein auskömmliches Wirtschaften sichern sollte. „Heute müssten wir für den gleichen Stall 300.000 Euro mehr zahlen“, sagt Matthias Kraus. Das könne ihr Betrieb aber nicht mehr erwirtschaften.
Verursacht werde diese Kostenexplosion durch steigende Auflagen. So kostet etwa die Spezialfarbe für ein Futtersilo gleich mehrere 10.000 Euro. Doch die beiden Milchbauern haben noch ein weiteres Problem: Entsprach der offene Laufstall, den sie vor fünf Jahren gebaut haben, noch dem neuesten Stand der Erkenntnis, so wird jetzt gefordert, die Ställe dicht zu machen, damit das von den Kühen erzeugte Methangas nicht in die Atmosphäre entweichen kann.
„Landwirtschaftliche Anlagen, die beim Bau den Vorschriften entsprechen, benötigen Bestandsschutz für die gesamte Abschreibungszeit“, fordert deshalb Hans-Jürgen Rebelein, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (BBV).
Viele Höfe schreiben rote Zahlen
Wie kritisch die Landwirte die agrarpolitischen Rahmenbedingungen beurteilen, verdeutlicht eine Befragung auf einer Veranstaltung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Volksbanken Ende des vorigen Jahres. Dort nannten rund 75 Prozent der mehr als 300 befragten Bauern „fehlende Planungssicherheit und unsichere politische Rahmenbedingungen" als die größten Hemmnisse für Investitionen.
Hinzu kommen die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen: In Niedersachsen brach der Gewinn der Bauern – vor Steuern, Versicherungen, Altersvorsorge und Investitionen – im Wirtschaftsjahr 2018/19 um fast 30 Prozent ein. Rund 15 Prozent der Betriebe schrieben rote Zahlen. Zwei Drittel der Höfe erreichen das Durchschnittseinkommen nicht. "Das unternehmerische Risiko ist also abschreckend groß", beschrieb der Präsident der niedersächsische Landwirtschaftskammer Gerhard Schwetje die Lage.
Da ist ist es schwer, auch noch zu investieren. Und nun kommen auch noch die massiven wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Krise hinzu. Mehr als ein Viertel aller Bauern wollen die geplanten Investitionen wegen Corona auf unbestimmte Zeit verschieben, sagt das Konjunkturbarometer des Bauernverbandes.
Sorgen um die Zukunft
Kammer-Präsident Gerhard Schwetje äußerte angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage Verständnis für die Reaktionen vieler Bauern auf die Agrarpolitik. "Wer Sündenbock für alles ist und dabei gleichzeitig die Daumenschrauben immer fester angezogen bekommt, muss innerlich schon sehr gefestigt und stark sein, auch weiterhin seiner Berufung als Bäuerin und Bauer nachzugehen", sagte er.
Hinzu kommt aber noch ein anderer Aspekt. "Viele meiner Berufskollegen sind auch psychisch am Ende, nicht zuletzt wegen des großen öffentlichen Drucks", sagte der niedersächsische Landwirt Dieter Wilharm-Lohmann. Und dann stimmten die wirtschaftlichen Ergebnisse nicht einmal. "Viele sehen, wie ihnen das Hab und Gut, das seit Generationen erwirtschaftet wurde, durch die Finger rinnt", beschreibt Lohmann die Lage unter seinen Berufskollegen.
Das sieht auch Heribert Meller aus dem Schönfelder Hochland bei Dresden so. Er bewirtschafte 2.000 ha und hat 20 Mitarbeiter. Er sagt: „Wir machen uns Sorgen über die Zukunft der Landwirtschaft und wie wir die Arbeitsplätze für unsere Mitarbeiter erhalten können. Grund sind die immer größer werdenden Anforderungen von Politik und Umweltbehörden, die leider, wie wir Bauern alle feststellen, oft nicht fachlich begründet sind“.
Düstere Aussichten?
Anzeichen für eine Besserung der Situation sind bisher nicht zu sehen – trotz aller Bauernproteste und der Corona-Krise. Deshalb planen nur wenige Bauern für die nächsten Monate Investitionen. Das zeigt das aktuelle Konjunkturbarometer des DBV.
„Nicht nur das Coronavirus, sondern vor allem die Verschärfung der Düngeverordnung drücken die Stimmung der Landwirte“, sagt Bauernpräsident Rukwied. Nicht einmal 30 Prozent der Landwirte wollen in den nächsten 6 Monaten investieren. Rückläufig sind vor allem Investitionen in Stallanlagen und die dazu gehörige Technik. Dagegen bleiben die Ausgaben für Maschinen und Geräte relativ stabil.
Ruckwied befürchtet, dass die anhaltende Verunsicherung ein Bremsklotz für Investitionen in die Zukunft der Betriebe ist. Gerade in Zeiten, in denen das Thema Versorgungssicherheit wieder eine größere Rolle spiele, brauche die Landwirtschaft verlässliche Rahmenbedingungen, fordert der Bauernpräsident.
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