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Energiekrise und Bioenergie

Wie die Bauern mit Bioenergie die Energiekrise lösen

Biogasanlagen.
am Sonntag, 20.03.2022 - 05:00 (6 Kommentare)

Europa steckt in einer beispiellosen Energiekrise. Landwirte könnten mit Bioenergie viele Probleme lösen. Wenn man sie lässt. Und wenn es sich lohnt.

Manche nennen es eine Krise, die mit dem arabischen Ölembargo der 1970er Jahre vergleichbar ist – mit verheerenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen, schreibt das US-Wirtschaftsmagazin forbes. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die anschließenden Sanktionen haben die Energiekrise noch zusätzlich verschärft und die Preise für Öl und vor allem für Gas auf immer neue Höchststände getrieben.

Russland produziert etwa 10 Prozent des globalen Öls und liefert 40 Prozent des europäischen Gases, sagt die Europäische Kommission. Deutschland ist sogar zu 50 Prozent auf russisches Gas angewiesen. Der wiederauflebende Energiebedarf nach der Corona-Pandemie, extreme Wetterereignisse, Unterbrechungen der Lieferketten und eine schlechte Bevorratung haben zur aktuellen Krise mit beigetragen. Die rückläufige Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, in Verbindung mit der anziehenden Nachfrage waren weitere Faktoren, die die Strompreise auf neue Rekordstände getrieben haben.

Dies ist in Europa am stärksten zu spüren, aber auch in China wo es zu Stromrationierungen kam und in den USA, wo die Verbraucher ebenfalls rekordhohe Preise an den Zapfsäulen und ihren Gasrechnungen sehen. Angesichts der Verknappung von Erdgas in Europa und von Kohle in China und Indien sowie stark steigenden Preisen, scheint die Energiewelt derzeit aus den Fugen.

Klimaschutz, Energieversorgung und Erneuerbare - Die Ziele

Die EU verhandelt derzeit über eine Reihe neuer Klimaschutzmaßnahmen, darunter auch Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien sowie eine schnellere Senkung des Energieverbrauchs im nächsten Jahrzehnt.

Die Vorschläge würden die Abhängigkeit der EU von Gas bis 2030 um 23 % verringern, heißt es in dem Entwurf, und die Kommission forderte die EU-Länder und das Europäische Parlament dazu auf, sie schnell zu billigen. In Deutschland lag der Anteil erneuerbarer Energieträger am Gesamtenergieverbrauch im Jahr 2021 bei knapp 20 Prozent – bei der Stromversorgung waren es immerhin 41 Prozent.

Dabei ist die Biomasse aufgrund ihrer vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten in allen Sektoren (in Form von festen Brennstoffen zum Heizen, als Biokraftstoffe im Verkehr oder als Biogas zur Stromerzeugung) mit einem Anteil von 55 Prozent an der Bereitstellung von erneuerbarer Endenergie noch immer der wichtigste erneuerbare Energieträger. Die Windenergie folgte mit einem Anteil von 24 Prozent an zweiter Stelle.

EEG-Reform, Energiesicherheit und feste Biomasse-Ziele

Primärerverbrauch Energie.

Im Januar stellte der neue Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne), seine Pläne für die geplante EEG-Reform vor die Anhebung der Ausbauziele für erneuerbare Energien auf 80 Prozent bis 2030. Entsprechend sollen die Ausbaupfade und Volumen der Ausschreibungen für die Technologien angepasst werden. Die Vertreter der Ampel-Regierung hatten sich zudem auf die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 – also ein halbes Jahr früher als geplant – geeinigt.

Die neuen Herausforderungen für Importunabhängigkeit und Energiesouveränität werden im neuen Entwurf noch nicht ausreichend abgebildet“, sagt indessen Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Bioenergie (BEE). Dennoch weist das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2021) deutliche Verbesserungen gegenüber dem bisherigen EEG 2017 auf, sagt Peter weiter.

Dazu gehören: Die Einführung eines Biomasse-Ziels, die Anhebung der Ausschreibungsvolumina, die verbesserten Vergütungsbedingungen für Neu- und Bestandsanlagen, die Einführung einer Anschlussregelung für Altholzanlagen sowie die Streichung des Deckels für die Flexibilitätsprämie.

Landwirte: Mit Biomasse die Energielücke füllen

Stromerzeugung in Deutschland.

Landwirt Martin Hintermaier, der seinen Hof in der vierten Generation führt, sagte gegenüber dem Münchner Merkur, welche große Bedeutung Biogas als künftige Energiequelle haben könnte. „In so genannten Kaltdunkel-Flauten – wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht – zeigt unser Land deutliche Schwachstellen. Hier könnte Biogas als eine Art Notstrom-Aggregat funktionieren, eine Energie-Speichermöglichkeit für die Zukunft. Denn 2022 wird bei uns das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet, spätestens ab 2038 gibt es keine Braunkohle mehr."

"Auch Steinkohle entfällt, um das Energienetz zu stabilisieren. In der Summe haben wir dann ein Energie-Defizit von rund 30 bis 40 Gigawattstunden", sagt Hintermaier. Das von einigen Umweltverbänden und Politikern  gewünschte Zurückfahren oder Abschalten von Biogasanlagen, da ist sich Hintermaier sicher, fördert den teuren Stromimport. Der Betrieb von Biogas-, Windkraft- und Photovoltaikanlagen hingegen schafft Arbeitsplätze und sichert Familieneinkommen.

Einer der stärksten Kritikpunkte an der Biomasse ist derzeit der großflächige Anbau von Mais und die "Tank oder Teller Diskussion". Der Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz von der CSU sagt: „Wir müssen der Bevölkerung klarmachen, dass wir keine Vermaisung haben.“ Die Energiewende habe jedoch einen Preis. Ein Ausstieg aus Kohle- und Atomkraft sei deshalb nicht möglich, ohne erneuerbare Energien, also auch Biomasse, auszubauen.

DHU: Gegen Biokraftstoffe und Bioenergie - Tank oder Teller Diskussion

Das sieht die Deutsche Umwelthilfe (DHU) – erwartungsgemäß anders: „Der Krieg in der Ukraine mache die langjährige Tank-oder-Teller-Diskussion nun „massiv akut“, heißt es in einer Erklärung. Allein in Deutschland würden derzeit 782.000 Hektar für den Anbau von Raps, Getreide und anderen Pflanzen für Biokraftstoffe genutzt, sagt die DHU. Das sind fast 5 Prozent der Agrarfläche, lautet die Kritik.

Stattdessen solle man diese Fläche lieber für Lebensmittel oder effizientere erneuerbare Energie wie Photovoltaik oder Windenergie nutzen, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Dem widerspricht etwa die Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz Anja Siegesmund von den Grünen. Sie sagt: „Biomasseanlagen vereinen Klima- und Umweltschutz, zudem sichern sie der Landwirtschaft verlässliche Einnahmen. Für unsere Klimaschutzziele ist die Bioenergie unverzichtbar.“

Siegesmund bezeichnet die Biomasseanlagen als flexible Arbeitsbienen der Energiewende. Sie stehen sowohl für die Grundlastsicherung im Stromnetz, können aber auch für Spitzenlast leicht zugeschaltet werden. Und die haben noch einen Vorteil: Mit ihnen lassen sich sowohl Wärme als auch Kraftstoffe erzeugen.

Wissenschaft: Für Biomasse muss kein Wind wehen

Dem stimmt im Prinzip auch Volker Quaschning zu, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Er sagt gegenüber der ARD: Biomasse ist nicht davon abhängig, ob gerade der Wind weht oder die Sonne scheint. Und sie kann für Landwirte ein zusätzliches Einkommen generieren und somit die Entwicklung im ländlichen Raum stärken.

Der Energiewirtschaftler Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TU Hamburg, sieht es ähnlich: "Künftig werden die ländlichen Räume die Städte nicht nur mit Nahrungsmitteln versorgen, sondern auch mit erneuerbarer Energie. Dies gilt insbesondere für Biomasse und elektrische Energie aus Windkraft und Solarstrahlung."

Doch einige Wissenschaftler sehen auch Konfliktpotential. Steigt nämlich die Nachfrage nach Biomasse als klimafreundlicher Alternative zu fossilen Rohstoffen, kann das auch Folgen für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion weltweit haben. Die Konkurrenz um Landflächen wird sich dann verschärfen, sagt jedenfalls die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Biomasse hat noch Luft nach oben

Biogas.

Landwirte können aber auf jeden Fall zum Gelingen der Energiewende beitragen und mit Bioenergie eine steuer- und regelbare Ergänzung zu Wind und Sonne liefern. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) kommt im Rahmen einer Potenzialabschätzung für das Jahr 2050 zu folgenden Ergebnissen: Bis zum Jahr 2050 könnte der Primärenergiebedarf in Deutschland zu über einem Viertel aus einheimischer Biomasse gedeckt werden.

Der Löwenanteil käme mit Anbaubiomasse und Reststoffen wie Stroh, Gülle und Mist aus der Landwirtschaft. Dieses Potenzial ist derzeit erst zu einem Drittel ausgeschöpft, sagt die FNR. An zweiter Stelle in der Nutzung folgt Energieholz, wie Wald- und Industrierestholz sowie Altholz. Dieses Potenzial wird bereits zu zwei Dritteln genutzt.

Insgesamt ist der Energiepflanzenanbau in Deutschland 2050 nach Erkenntnissen der FNR, unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Restriktionen, auf bis zu 4 Mio. ha machbar, sagt jedenfalls die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Das wäre gegenüber 2015 fast eine Verdopplung der Fläche.

Für Landwirte also eine gute Möglichkeit die Energiekrise zu lösen, das Klima zu retten und auch noch Geld zu verdienen.

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