Zum ersten Mal ist Kersten Stutz im Mai 2017 in das Altmark-Dorf Groß Graz gefahren, um Fleisch zu kaufen. Der Mecklenburger hatte im Internet von „Mein BioRind“ gelesen. Der Clou des Unternehmens: Landwirte ziehen die Tiere auf und der Besitzer erhält anschließend das Fleisch.
„Vor Ort habe ich mir ein zwei Monate altes Kalb ausgesucht“, sagt Stutz. Das wog nach zwei Jahren auf der Weide schon 600 kg. Für den Transport der 300 kg aus der Schlachtung hat der Kunde sogar einen Hänger benötigt. Was Stutz kurz und knapp beschreibt, ist ein noch junges Vermarktungsmodell: Rinder-Leasing.
Als Fachfremder in die Landwirtschaft
Der Mann, der das Leasing für Rinder eingeführt hat, heißt Kevin Schulze. Der 37-Jährige hilft aber nicht im Stall mit, seine Werkzeuge sind Laptop und Kamera. Auf der Firmen-Homepage klickt er Bilder von verschiedenen Rindern durch. Zu sehen sind idyllische Bilder von grasenden Tieren in der Abenddämmerung.
„Die meisten Tiere stehen von April bis Anfang November in den Elbauen“, erzählt er. Die Besitzer wohnen jedoch meist in der Stadt, in Berlin, Köln oder München. Sie haben entweder Anteile erworben und bekommen dafür eine bestimmte Menge Fleisch – Schulze nennt das Rinder-Sharing – oder sie haben wie Familie Stutz das Tier komplett gekauft, also das Rind „geleast“.
Im Unterschied zum klassischen Leasing gibt es jedoch kein Rückgaberecht.
Start mit geringem Aufwand
Die Idee für das Unternehmen kam Schulze beim Tourismus-Studium in Berlin. Immer mehr Verbraucher wollen wissen, woher ihre Lebensmittel stammen. So entstand der Entschluss, einen Teil der Rinder vom Biohof seiner Frau Ulrike Gernecke selbst zu vermarkten.
Die war anfangs aber skeptisch: „Welche Kunden warten denn ein oder zwei Jahre auf ihr Fleisch?“ Der Hof hat in der Vergangenheit die Rinder komplett über die Biopark Markt GmbH vermarktet. Doch die Investitionen in das Leasing-Projekt waren gering. Zunächst, so berichtet Gernecke, sei die einzige Vorgabe gewesen, mindestens den gleichen Abnahmepreis zu erzielen.
Kunden bekommen Bilder und Videos ihrer Rinder
„Auf der Internetseite können die Kunden regelmäßig Bilder und Videos von der Aufzucht ihres Tiers sehen“, so Schulze. Damit wird aus seiner Sicht das Bewusstsein geschärft, dass es sich um ein Lebewesen handelt und sorgsam mit Lebensmitteln umgegangen wird.
„Im Supermarkt denkt kaum ein Käufer darüber nach, dass für ihn ein Tier geschlachtet wurde“, sagt der Unternehmer.
Engpass Schlachtung
Verbandschef Müller bestätigt: „Immer mehr Kunden wollen genau wissen, woher das Biofleisch kommt und ob artgerechte Haltungsbedingungen wirklich eingehalten wurden.“ Landwirte mit Direktvermarktung können das nach seiner Einschätzung am ehesten gewähren.
Es gibt jedoch ein Problem: „Die Zahl der kleinen Schlachtereien nimmt kontinuierlich ab“, sagt Müller. Damit werde es auch für die Rinderhalter aufwendiger, ihr Fleisch selbst zu vermarkten. Vor allem im Osten Deutschlands gebe es nur noch wenige private Schlachtbetriebe. Der Verband Bioland arbeitet daher an Modellen des mobilen Schlachtens, um den Tieren weite Fahrten zu den Schlachthöfen zu ersparen.
Die ganze Reportage, wieviel Geld Kevin Schulze je geleastem Rind bekommt und was er für die Zukunft plant, lesen Sie in der Septemberausgabe von agrarheute ab Seite 138.
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