
Und dieser Einkommensrückgang erfolgt trotz – oder vielleicht gerade wegen – der vielen agrarpolitischen Maßnahmen, die eigentlich auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in der Landwirtschaft abzielen müssten. Doch es könnte für die Bauern noch dicker kommen als die Projektion zeigt: Die Folgen von Corona und Afrikanischer Schweinepest sind in der Projektion nämlich noch gar nicht berücksichtigt.
Von den großen Produktionszweigen geraten nach Einschätzung der Thünen-Experten vor allem die Fleischerzeuger massiv unter Druck. Grund sind weiter steigenden Umwelt- und Tierwohlkosten und die damit verbundenen Auflagen. Ganz besonders hart trifft es hier die Schweinehalter. Dagegen rechnet das Thünen-Institut mit relativ stabilen Milchpreisen und Milchkuhbeständen. Wegen der steigenden Milchleistung wächst die Milchmenge sogar moderat. Wie viele Milchbauern diese Milchmenge erzeugen, sagen die Thünen-Wissenschaftler aber nicht.
Im pflanzlichen Sektor gewinnt nach Einschätzung der Wissenschaftler der Anbau von Ölsaaten wieder an Wettbewerbsfähigkeit und wird deshalb deutlich ausgedehnt. Zurückzuführen ist das vor allem auf die stärkeren Preissteigerungen bei Ölsaaten im Vergleich zu Getreide. In der so genannten Thünen-Baseline beschreiben die Wissenschaftler die erwarteten Entwicklungen auf den Agrarmärkten unter Beibehaltung der derzeitigen Agrarpolitik und unter der Umsetzung bereits beschlossener Politikänderungen.
Dabei konzentriert man sich auf die Entwicklungen des deutschen Agrarsektors im Vergleich zur Situation im Basiszeitraum 2017 bis 2019.
Preise: Mehr Geld für Ölsaaten, Milch stabil, Verluste bei Fleisch
Die Erzeugerpreise für Agrarprodukte werden im Wesentlichen durch die Entwicklung der globalen und regionalen Versorgungslage bestimmt, schreiben die Thünen-Wissenschaftler. (Für die Agrarpolitik gilt dieser Ansatz leider nicht). Festgestellt wird: Sowohl am Weltmarkt als auch in Deutschland haben sich die Getreidepreise zuletzt wieder erholt, da die Getreideernten der EU in den letzten Jahren nur durchschnittlich bis unterdurchschnittlich ausgefallen sind.
In der Thünen-Baseline steigen die Getreidepreise in Deutschland deshalb bis 2030 moderat an. Aufgrund einer weitgehend stagnierenden inländischen Nachfrage fällt die Preiserholung jedoch weniger kräftig aus als am Weltmarkt, glauben die Wissenschaftler. Bei Ölsaaten, Ölschroten und Pflanzenölen führt eine wachsende globale Nachfrage indessen zu deutlich höheren Preisen, heißt es weiter. Bei Zucker und Zuckerüben erwarten die Thünen-Wissenschaftler nach dem deutlichen Preisverfall zum Ende des EU-Quotensystems eine Erholung der Preise. Im Vergleich zum Preisniveau vor dem Ende der Produktionsquoten, bleiben die Preise im Zuckersektor jedoch auf einem relativ niedrigen Niveau.
Günstige Absatzaussichten am Weltmarkt führen zudem bei Milch und Milchprodukten zu einer in der Tendenz positiven Preisentwicklung über die Projektionsperiode, schreiben die Wissenschaftler. Das gilt ganz besonders für Vollmilch- und Magermilchpulver. Doch leider gibt es nicht nur gute Nachrichten: Im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Akzeptanz, Umwelt und Klimaschutz entwickeln sich die Preise für Fleisch in Deutschland schwächer als am Weltmarkt, erwarten die Forscher.
Allerdings folgen die Preise für die unterschiedlichen Fleischarten keinem einheitlichen Trend. Während nämlich die Preise für Rind- und Lammfleisch stagnieren, sinkt der Schweinefleischpreis und für Hähnchenfleisch geht es sogar nach oben. Zu dieser Entwicklung tragen in erster Linie eine weiter wachsende globale Nachfrage nach Geflügelfleisch sowie eine Erholung der Schweinefleischerzeugung in China nach dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest im Jahr 2019 bei.
Einkommen gehen zurück – und Kosten steigen

Bei den Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe geht die Untersuchung bis 2030 von einem recht deutlichen Rückgang von etwa 7 Prozent übr alle Betriebsformen aus. Dennoch erreicht man damit im Jahr 2030 immer noch das durchschnittliche (ziemlich niedrige) Niveau der letzten zehn Jahre, heißt es in der Studie.
Ein Blick auf die unterschiedlichen Betriebsformen zeigt, dass insbesondere in Veredlungsbetrieben (also in der Schwein- und Geflügelhaltung) und bei den „sonstigen Futterbaubetrieben“ (also bei Rinderhaltern und Schafhaltern) das reale Einkommen am stärksten sinkt. Hauptursachen hierfür sind ein deutlicher Rückgang der Erzeugerpreise für Schweine und Rindfleisch. Diesem Rückgang stehen ein ebenso kräftiger Anstieg der Preise für proteinhaltige Futtermittel sowie zusätzliche Belastungen aus der Umsetzung der Auflagen der neuen Düngeverordnung gegenüber.
Trotz dieser negativen Einkommensentwicklung erzielen Veredlungsbetriebe im Jahr 2030 – im Vergleich zu anderen Betriebsformen – immer noch ein leicht überdurchschnittliches Einkommen, schreiben die Wissenschaftler (siehe Grafik). Dagegen sollen Futterbaubetriebe deutlich weniger als der Durchschnitt aller Betriebsformen verdienen. Im Gegensatz dazu bleiben die Einnahmen bei den Ackerbaubetrieben relativ stabil und auch Milchviehbetriebe können ihr Einkommensniveau knapp behaupten. Beiden Betriebsformen begegnen dem Problem der steigenden Kosten und Aufwendungen vor allem durch Größenwachstum und Leistungssteigerung, erwarten die Thünen-Experten.
Zudem profitieren der Ackerbau und auch die Milch von der positiven Preisentwicklung in ihrem Produktions-Segment – wird von den Thünen-Wissenschaftlern jedenfalls erwartet. Im Ergebnis würden Ackerbaubetriebe damit im Jahr 2030 ein Einkommen erzielen, dass in etwa dem durchschnittlichen Einkommen über alle Betriebsformen entspricht. Das reale Einkommen von Milchviehbetrieben wäre nach den Erkenntnissen der Thünen-Experten im Vergleich zu anderen Betriebsformen sogar „überdurchschnittlich“.
Wenn man einmal die aktuelle und künftige Entwicklung der Milchpreise betrachtet, ist diese Einschätzung nicht so leicht nachvollziehbar – doch sie bedeutet vielleicht auch, dass die landwirtschaftlichen Einkommen im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen insgesamt sehr niedrig sind. Also auch bei den Milchbauern.
Produktion: Ölsaaten sind Gewinner – Tierhalter sind Verlierer

Auch zur Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion und der Anbauflächen haben die Thünen-Experten Überlegungen angestellt. Danach steigt die Erzeugung von Getreide in Deutschland über den Projektionszeitraum infolge der ehr verhaltenen Preisentwicklung nur geringfügig, heißt es im Thünen-Report. Dagegen gewinnt der Anbau von Ölsaaten bis zum Jahr 2030 an Wettbewerbsfähigkeit und wird deshalb deutlich ausgedehnt: Ursachen sind die stärkeren Preis- und Ertragssteigerungen im Vergleich zu Getreide.
Die Anbaufläche von Zuckerrüben stabilisiert sich in etwa auf dem Niveau der Basisperiode (Durchschnitt 2016-18). Bei den wichtigsten tierischen Erzeugnissen führen die stabilen Milchpreise und Milchviehbestände in Verbindung mit einer weiteren Steigerung der Milchleistung zu einem moderaten Anstieg der Milchproduktion. Dabei nimmt die regionale Konzentration der Milcherzeugung in Deutschland weiter zu, wobei die Erzeugung insbesondere in Grünlandregionen und in weniger ertragreichen Ackerbau-Standorten weiter wächst.
Im Fleischsektor bewirken die immer höheren Umwelt- und Tierwohlstandards, dass sich das Produktionswachstum der vergangenen Jahre spürbar abschwächt – bzw. sogar umgekehrt, erwarten die Thünen-Wissenschaftler. Während jedoch für die Geflügelfleischerzeugung sogar noch ein Zuwachs erwartet wird, entwickelt sich die Erzeugung von Schweinefleisch rückläufig, steht jedenfalls in dem Thünen-Bericht. Und auch die Rindfleischerzeugung setzt ihren zuletzt eindeutig zu beobachtenden Abwärtstrend weiter fort, ist in der Thünen-Projektion zu lesen.
Alles in allem also kein besonders positiver Ausblick für die meisten Landwirte. Eine Überraschung ist diese Projektion jedoch ebenfalls nicht – wenn man einmal die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für Landwirte betrachtet und außerdem die mittelfristigen Politikziele berücksichtigt. Insbesondere bei den Tierhaltern kann man den hohen ökonomischen und gesellschaftlichen Druck seit einiger Zeit sehr gut an der hohen Zahl an Betriebsaufgaben ablesen. Damit ist jedoch auch die immer wieder aufgestellte und wiederholte politische Forderung nach einer Beendigung des Höfesterbens nicht besonders glaubwürdig.
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