30.000 Erntearbeiter aus Osteuropa haben bisher die Möglichkeit genutzt, sich für die Erntearbeit in Deutschland anzumelden. Das teilte der Deutsche Bauernverband (DBV) mit. Für April hätten sich 21.000 Saisonarbeiter aus Osteuropa registriert, für Mai bislang 9.000, erklärte der Verband auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
"Wir rechnen damit, dass die Zahlen im Mai noch deutlich steigen werden, weil die Anmeldungen in der Regel erst kurz vor der Einreise erfolgen", sagte der DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Im Mai gilt der Bedarf nach Erntehelfern als besonders groß, da sich der Spargel mit den Erdbeeren überschneidet. Neben der Sorge, ob genügend Erntehelfern einreisen, bereitet auch die Trockenheit den Bauern große Sorgen.
Die Bundesregierung hatte eine Ausnahmeregel für die Einreise von 80.000 Helfern aus Osteuropa erteilt - 40.000 für April und 40.000 im Mai. Üblicherweise kommen pro Jahr 300.000 Saisonarbeiter nach Deutschland. Bislang werde das Kontingent bei weitem nicht ausgeschöpft, da viele langjährige Helfer aus Osteuropa aus Sorge vor Ansteckung in diesem Jahr auf die Saisonanstellung verzichten, ergänzte der Geschäftsführer des Provinzialverbands Rheinischer Obst- und Gemüsebauer, Peter Muß.
Ganz nah dran - soweit der vorgeschriebene Mindestabstand das erlaubt - an den Erntehelfern ist übrigens Fotograf Timo Jaworr, der für agrarheute ein Erntehelfer-Blog führt.
Offizielle Regelungen zum Umgang in der Krise vermisst
Einreise und Unterbringung der Saisonarbeitskräfte sorgten laufend für Kritik. Das ARD-Magazin Panorama berichtete im Beitrag "Die Ernte ist sicher - nur die Erntehelfer nicht", dass Betriebsleiter in Rheinland-Pfalz die strengen Schutzmaßnahmen gegen Ansteckungen mit dem Coronavirus missachten. Berichtet wurde über mehr als 40 Erntehelfern in einer Arbeitsgruppe auf den Feldern ohne die vorgeschriebenen Mindestabstände und Masken. Sie seien außerdem weiterhin in Mehrbettzimmern mit voller Auslastung untergebracht.
Das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hatten am 2. April ein Konzept beschlossen, unter welchen Bedingungen Saisonarbeiter wieder einreisen dürfen. Wie die Vorgaben von BMEL und BMI umgesetzt werden müssen, darüber besteht erhebliche Uneinigkeit in der Branche, berichtet Panorama. Offenbar wurde keine Regelung darüber getroffen, wie mit den Saisonarbeitskräften umzugehen sei, die bereits vor dem 2. April nach Deutschland eingereist sind. Ist dort die Arbeitsgruppenbeschränkung und die halbe Zimmerbelegung ebenfalls einzuhalten - und was gilt nach Ablauf der 14-tägigen faktischen Quarantäne?
Umgang mit Saisonarbeitern: Was Sie jetzt wissen müssen
Das sind die Vorgaben für den Einsatz von Erntehelfern vom BMEL (Veröffentlichung vom 2. April 2020):
- Im April und im Mai wird jeweils bis zu 40.000 Saisonarbeitern die Einreise ermöglicht. Diese werden auf Basis der Rückmeldung des Berufsstandes und der nachweisbaren strikten Hygienestandards ausgewählt.
- Begleitend wird angestrebt, für April und Mai jeweils rund 10.000 Personen aus dem großen Potential der verschiedenen Personengruppen im Inland (Arbeitslose, Studierende, Asylbewerber, Kurzarbeiter) zu gewinnen.
- Die ausländischen Saisonarbeiter sollen ausschließlich mit dem Flugzeug ein- und ausreisen (keine stundenlangen Busreisen durch Europa aus Infektionsschutzgründen). Die Bundespolizei legt in Abstimmung mit den Bauerverbänden die entsprechenden Flughäfen fest. Durch ein abgestimmtes Verfahren zur zweifelsfreien Identifizierung der Saisonarbeiter sollen die Kontingente sowie Kontaktketten im Hinblick auf den Corona-Virus jederzeit nachvollziehbar sein. Die Arbeitnehmer werden am Flughafen durch den Betrieb abgeholt (keine Einzelanreise).
- Bei der Einreise wird ein von den Arbeitergebern veranlasster Gesundheitscheck durch medizinisches Personal nach standardisiertem Verfahren durchgeführt. Die Ergebnisse sind dem örtlichen Gesundheitsamt zuzuleiten.
- Neuanreisende müssen in den ersten 14 Tagen strikt getrennt von den sonstigen Beschäftigten leben und arbeiten und dürfen das Betriebsgelände nicht verlassen (faktische Quarantäne bei gleichzeitiger Arbeitsmöglichkeit). Es gilt eine zwingende Unterkunfts- und Arbeitsteam-Einteilung: Arbeiten in gleichbleibenden, möglichst kleinen Gruppen von fünf bis zehn, max. ca. 20 Personen.
- Bei den Arbeiten sind Mindestabstände einzuhalten bzw. (sofern nicht möglich) Mundschutz, Handschuhe oder Schutzscheiben/-folien zu tragen.
- Mit Ausnahme von Familien gilt eine Zimmerbelegung mit maximal halber Kapazität. In den Unterkünften gelten strenge Hygienevorschriften, die in der jeweiligen Landessprache zur Verfügung gestellt werden.
- Bei begründetem Verdacht auf Infizierung eines Arbeitnehmers mit dem Coronavirus ist dieser umgehend zu isolieren, ein Arzt zu kontaktieren, damit der Arbeitnehmer auf das Virus getestet werden kann. Zusätzlich soll das gesamte Team isoliert und ebenfalls auf das Virus getestet werden.
Infektionsschutz für Landwirte an erster Stelle
Die IG BAU hatte sich bereits Anfang April gegen die Einreise von Erntehelfern ausgesprochen. Man könne nicht "auf einmal Tausende Saisonkräfte" einfliegen und "es fast ausschließlich den Betrieben" überlassen, ob und wie der Infektionsschutz eingehalten wird", so Harald Schaum, stellvertretender IG BAU-Bundesvorsitzender. Der Gewerkschafter warf sowohl Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner als auch der berufsständischen Interessenvertretung vor, sie ließen "zum Schutz der Betriebe den Schutz der Erntehelfer schleifen". Der Gesamtverband der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) wehrt sich gegen Kritik, die Landwirte vernachlässigten den Gesundheitsschutz für Saisonkräfte. „Der Infektionsschutz steht auch für Landwirte an erster Stelle“, erklärte die GLFA- Geschäftsführerin, Nicole Spieß.
Stunk auf den Feldern
Durch die Corona-Krise ist die Lage auf den Feldern jedenfalls angespannt. So berichtet der rbb Radio Berlin Brandenburg in einem Fernsehbeitrag über eine Gruppe von rumänischen Erntehelfern, die ihren Spargelbetrieb verlassen möchten, wegen der Quarantäne aber daran gehindert werden. Die Gründe für die Auseinandersetzung ist nicht ganz klar, aber auch dem Landwirt werden Versäumnisse vorgeworfen.
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