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Tierwohl

Ferkelkastration: Ebermast büßt ein

am Montag, 29.04.2019 - 09:48

Die Ebermast ist nicht mehr so lukrativ wie vor ein paar Jahren. Am günstigsten ist die Immunokastration, so eine Thünen-Studie.

Die Ebermast ist nicht mehr so günstig wie vor drei Jahren. Grund dafür sind die schlechteren Abrechnungsmasken der Schlachtunternehmen. Das geht aus einer aktuellen Studie des Thünen-Instituts (TI) für Betriebswirtschaft hervor. Die Wissenschaftler Mandes Verhaagh und Dr. Claus Deblitz haben ihre Untersuchungen angepasst.

Dennoch bleibt die Ebermast gemeinsam mit der Immunokastration das rentabelste Verfahren. Bei den chirurgischen Verfahren schneidet die Injektionsnarkose wirtschaftlich am schlechtesten ab, sie ist das teuerste der untersuchten Verfahren.

Davor rangiert die Inhalationsnarkose mit Isofluran. Deutlich kostengünstiger ist die Lokalanästhesie. Die ermittelten Kosten je Ferkel gehen bei den Betäubungsverfahren spürbar zurück, wenn der Landwirt die Anwendung selbst vornehmen darf.
 

Immunokastration ist für die meisten Mäster sehr rentabel

Die Kosten der Immunokastration werden durch die höhere Leistung der Tiere und eine bessere Futterverwertung kompensiert. Damit ist das Grundverfahren in den meisten Betrieben langfristig rentabel. Die Wissenschaftler rechnen mit einem Kostenvorteil von 15 Cent/100 kg SG bis zu Mehrkosten von 19 Cent/100 kg SG.

Ein voraussichtliches Patentende und die damit einhergehende mögliche Preisreduktion für den Einsatz von Improvac dürften die Wirtschaftlichkeit sogar verbessern. Die Experten sehen hier gar sinkende Mastkosten von 0,78 bis 1,15 Euro/100 kg SG. Für diese Beurteilungen müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Der Landwirt muss gezielt zwei Impfungen einsetzen, bei denen der zweite Impftermin vier Wochen vor der Schlachtung erfolgt. Eine dritte Impfung im gesamten Bestand ist wirtschaftlich unrentabel. Die Kosten für vereinzelte Tiere, die aus Sorgfalt ein drittes Mal nachgeimpft werden müssen, sind an dieser Stelle nicht betrachtet und müssten gegebenenfalls berücksichtigt werden.
  •  Für den Einsatz der Immunokastration müssen Ferkelerzeuger und Mäster die Sicherheit haben, dass geimpfte Schweine grundsätzlich an den Schlachthof verkauft werden können.
  • Die Tiere müssen als Kastraten am Schlachthof abgerechnet werden. Eine einheitliche Branchenregelung könnte die dafür nötige Planungssicherheit geben.
  • Die Verbraucherakzeptanz innerhalb Deutschlands sollten die verarbeitende Industrie und den Lebensmitteleinzelhandel stützen. Eingeschränkte Exportmöglichkeiten können möglicherweise ein Hindernis beim Absatz von diesem Schweinefleisch darstellen.

 

Ebermast: Höhere Anforderungen ans Management nötig

Die Ebermast hat aufgrund der im Vergleich zu 2016 verschlechterten Bezahlung durch die deutsche Schlachtindustrie (Eberpreismaske) an Vorzüglichkeit verloren, bleibt aber gemeinsam mit der Immunokastration das rentabelste Verfahren.

Sind Investitionen bei der Ebermast nötig, müssen Mäster mit Kosten zwischen 0,97 Euro bis 1,25 Euro/100 kg SG rechnen. Ohne Investitionen sinkt der Aufwand auf 0,22 bis 0,27 Euro/100 kg SG. Je nach Einzelbetrieb können die Kosten aber stärker abweichen.

Es bestehen außerdem regionale Unterschiede. Bei der Erzeugung von Ferkeln für die Ebermast wird der Sauenhalter entlastet. In der Mast steigen die Managementanforderungen und die Ansprüche an eine gezieltere Fütterung. Außerdem ist eine getrennt-geschlechtliche Aufstallung erforderlich.

  • Die höheren Managementanforderungen sind nötig, um eine ruhige Aufstallung zu ermöglichen. In der Ebermast können massive Rangordnungskämpfe zu verletzten Tieren führen. Das Auftreten von Penisbeißen ist möglich.
  • Die Durchgänge in der Ebermast müssen Landwirte buchtenweise an das Leistungspotenzial (höhere Mastleistung und verkürzte Mastdauer) anpassen.

Chirurgische Kastrationsverfahren: Lokale Betäubung ist am günstigsten

Bei den chirurgischen Verfahren sind die Ergebnisse zwischen den einzelnen Betriebsklassen und Regionen in Deutschland homogener. Die Injektionsnarkose ist das teuerste der untersuchten Verfahren, gefolgt von der Inhalationsnarkose mit Isofluran.

So kostet dies die Mäster schon mehr als 3 Euro/100 kg SG. Führen Landwirte die Inhalationsnarkose selbst durch, sind immer noch 1,50 bis 1,84 Euro/kg nötig.

    Günstige Lokalanästhesie

    Die viel diskutierte Lokalanästhesie durch den Tierarzt ist hingegen deutlich kostengünstiger. Landwirte benötigen je nach Betriebsgröße nur 56 bis 82 Cent/100 kg SG mehr. Dürfen Landwirte die Ferkel selbst lokal betäuben, sinken die Kosten gar auf 16 bis 21 Cent/100 kg SG. 

    Die Thünen-Wissenschaftler haben für die chirurgische Kastration das Wichtigste zusammengefasst:

    • Die Injektionsnarkose kann durch eine verlängerte Nachschlafphase zu erhöhten Ferkelverlusten führen und benötigt dadurch eine zeit- und kostenintensive Nachkontrolle der Narkose.
    • Es gibt Hinweise darauf, dass die Inhalationsnarkose aus Umweltsicht (Ausstoß von Treibhausgasen) und aus Sicht des Arbeitsschutzes für den Anwender bedenklich ist. Eine abschließende Stellungnahme der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zur Anwendung der Isoflurannarkose zur Ferkelkastration steht noch aus.
    • Für eine Anwendung der Methoden einer chirurgischen Kastration unter Vollnarkose ist es aus betriebswirtschaftlichen Aspekten sinnvoll, dass der Landwirt die Anwendung selbst vornehmen kann, um die Mehrkosten je männliches Ferkel zu reduzieren.
    • Für eine flächendeckende Kastration der männlichen deutschen Ferkel unter Inhalationsnarkose wären 6 Prozent mehr praktizierende Tierärzte in Deutschland notwendig, die ausschließlich täglich Ferkel kastrieren. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass bei der jetzigen Ausrichtung von Veterinärstudierenden mittel- bis langfristig 3 % mehr Absolventen unter 29 Jahren an deutschen Hochschulen in der Veterinärmedizin (Spezialisierung auf landwirtschaftliche Nutztiere) notwendig wären.
    • Die Anwendung der Lokalanästhesie (vierter Weg) ist deutlich kostengünstiger, weist allerdings tierschutzrechtliche Fragen auf.