
Nun ist sie doch da: Die Folgenabschätzung des Green Deal durch der Kommission. Auch wenn die Studie nach Meinung der Autoren nicht so genannt werden soll. Fakt ist jedoch: Mitten in der Sommerpause hat der wissenschaftliche Dienst der Kommission (JRC) einen so genannten technischen Bericht zu den Auswirken des Green Deal auf die Landwirtschaft und die Agrarhandel vorgelegt.
Und die Folgen für Bauern und die Agrarwirtschaft sind katastrophal: Die Produktion bricht in allen wichtigen landwirtschaftlichen Produktionszweigen ein – und die landwirtschaftlichen Einkommen sinken deutlich, obwohl die Erzeugerpreise wegen der schrumpfenden Erzeugung steigen (könnten). Gleichzeitig gehen die Ausfuhren an Agrarprodukten stark zurück. Das Problem ist jedoch: Ein Großteil der schrumpfenden europäischen Produktion – und damit auch der THG-Emissionen – wird ins Ausland verlagert (Leckage).
Um die Rückkehr dieser unter „schlechteren“ Bedingungen erzeugten Agrarprodukte zu erschweren, müsste der europäische Markt möglicherweise durch hohe Importzölle „geschützt“ werden. Ansonsten würde auch der Anstieg der Erzeugerpreise durch die billigen Importe rasch wieder zu Nichte gemacht.
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen war bereits der wissenschaftliche Dienst des US-Landwirtschaftsministeriums und eine Studie von Richard Fuchs in Nature gekommen. Doch wer glaubt, dass der JRC-Bericht deutlich auf die zu erwartenden Probleme und Verwerfungen hinweist, täuscht sich. „Selten hat ein Bericht so sorgfältig darauf verzichtet, zu sagen, was er zu sagen hat“, stellt der Verband der europäischen Landwirte und Genossenschaften Copa Cogeca deshalb in einer Presseerklärung fest.
Produktion und Emissionen gehen ins Ausland

Gut versteckt zwischen vielen technischen Erläuterungen und detaillierten Ausführungen zu den Unterschieden der verwendeten Rechenmodelle, finden sich dennoch einige konkrete Folgen der Umsetzung des Green-Deals für die Landwirtschaft. Dabei stellen die Modellrechnungen der Wissenschaftler zunächst auch das eigentliche Ziel der Maßnahmen – nämlich die deutliche Reduzierung der Emissionen - in Frage.
Die unter den verschiedenen Szenarien erreichten Reduzierung der Treibhausgasemissionen wird nämlich ganz überwiegend ins Ausland verlagert (Lackage). Ohne eine Änderung der bisherigen GAP, würden fast 70 % aller in der EU reduzierten Emissionen durch Emissionserhöhungen im Rest der Welt ersetzt. Bei den derzeitigen Regelungen der neuen GAP würde die „Leckagerate“ – also die Abwanderung der Emissionen ins Ausland – um 23 % reduziert – auf „nur noch 50 %“.
Dabei würden fast 50 % der Reduzierung durch Änderungen des Produktionsmixes aber vor allem durch eine Reduzierung der Produktionsmengen erreicht. Die Abwanderung der Emissionen ins Ausland würde jedoch ebenfalls in der Nähe dieser Zahl liegen.
Ein Grund für die hohe „Leckagerate“ ist, dass die EU diese Maßnahmen allein einführt. Darauf hatte auch schon das USDA in seiner Analyse hingewiesen. Reduziert werden könnte die Abwanderung der Emissionen nach Ansicht der europäischen Wissenschaftler, durch eine weitere Reduzierung der Fleischnachfrage und eine Ernährungsumstellung auf mehr pflanzliche Produkte sowie durch weniger Lebensmittelverschwendung. Das würde auch den Bedarf an Importen als Ersatz für die deutlich reduzierte Inlandsproduktion begrenzen.
Getreideproduktion bricht deutlich ein

Egal welches der möglichen Szenarien sich am Ende bestätigt: alle Produktionszweige sind von deutlichen Produktions- und Einkommensrückgängen betroffen. Dabei hängt das Ausmaß der Einkommensrückgänge davon ab, wie hoch die Binnenmarktpreise trotz billiger Importe steigen. Bei Getreide erwarten die Wissenschaftler einen Rückgang der Getreideanbaufläche (-4 %) und vor allem der Getreideerträge (-11 %) – infolge geringerer Düngung und geringeren Pflanzschutzes.
Das Resultat wäre ein Rückgang der Produktion um etwa 15 %. Das wären bezogen auf die aktuelle Getreideernte von etwa 295 Millionen Tonnen eine Produktionsreduzierung von 44 Millionen Tonnen bzw. etwa die Getreideproduktion Deutschlands – dem zweitgrößten Produzenten der EU. Gleichzeitig entspräche das etwa der derzeit aus der EU exportierten Getreidemenge.
Ein erheblicher Teil des Ackerlandes würde zudem in Stilllegungsflächen (oder andere nichtproduktive Nutzung) umgewandelt, was ebenfalls zu einem zu einem Rückgang der Getreidefläche führt. Dieser Effekt wird jedoch teilweise durch einen höheren Flächenbedarf kompensiert, um geringere Erträge durch Umstellungen auf ökologische Produktionsmethoden und weniger Pflanzenschutz auszugleichen.
Geplant ist jedenfalls, dass „mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Fläche im ökologischen Landbau bewirtschaftet werden und die Übernahme agroökologischer Praktiken deutlich erhöht wird“. Derzeit liegt der Anteil der Bio-Fläche in der EU bei 8,1 %. Ein Umsetzung der Ziele reduziert zwar die Pflanzenschutzkosten, erhöht jedoch die Kosten für alternative Anbau- und Unkrautbekämpfungsmethoden deutlich.
Tierbestand und Milchproduktion schrumpfen

Die Reduktionsziele hätten erhebliche negative Auswirkungen auf die Größe der Tierherden, schreiben die Wissenschaftler. Egal welches Szenario unterstellt wird: Die Tierbestände würden deutlich reduziert, unter anderem um die Effekte der Gülleausbringung zu verringern und eine Verbesserung der Stickstoffbilanz zu erreichen.
In der Folge sinkt das Fleischangebot um 14 bis 16 % und das Rohmilchangebot schrumpft um etwa 10 %. Allerdings steigen auch die Fleisch- und Milchpreise. Wie hoch, ist jedoch nicht sicher. Das hängt unter anderem auch von der sogenannte Elastizität der Nachfrage ab – also wieviel Fleisch und Milch die Verbraucher zu bestimmten (höheren) Preisen kaufen würden. Der Grund ist, dass der menschliche Konsum tendenziell stärker abnimmt, wenn die Preise stärker steigen.
Der Rückgang der Fleischnachfrage führt nach Einschätzung der Autoren außerdem dazu, dass die Fleischproduktion (noch) weiter absinkt, denn die Einnahmen der Tierhalter gehen wegen der steigenden Kosten und der geringeren Produktivität deutlich zurück.
Als Reaktion auf den Bericht sagte Pekka Pesonen, der Generalsekretär von Copa-Cogeca: „Dieser Bericht bestätigt trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die hinsichtlich seiner Methodik und seines Umfangs zu berücksichtigen sind, viele unserer Analysen. Strategien wie Farm-to-Fork oder Biodiversity werden eine immer größer werdende Kluft in Praxis und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber unseren internationalen Wettbewerbern schaffen.“
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