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Landwirtschaft und Klimaschutz

Green Deal: Die Bauern zahlen einen hohen Preis

grüne felder.
am Donnerstag, 26.08.2021 - 11:34 (Jetzt kommentieren)

Die Auswirkungen des Green Deals auf Produktion und Einkommen der deutschen Bauern sind gewaltig. Das bestätigt eine Studie.

Rapsfeld.

Viele Folgeabschätzungen des Green Deals auf die wirtschaftliche Lage der Bauern gibt es bisher nicht. Dabei sind die Auswirkungen auf landwirtschaftlichen Einkommen und Produktionsstrukturen gewaltig. Die Verlagerung von Produktion und auch von Treibhausgasen in andere Länder ist eine weitere Konsequenz. Das hat jetzt sogar der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission (JRC) in einer ersten „vorsichtigen Folgeabschätzung“ bestätigt.

Zuvor hatte bereits das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) und auch eine Gruppe Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature, die Konsequenzen für die europäische Landwirtschaft untersucht. Kürzlich haben nun Agrarökonomen der Uni Göttingen unter Leitung von Rainer Kühl eine Studie zu den Folgen des Green-Deals für die deutschen Bauern vorgelegt. Dabei ging es um die konkreten Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf die deutschen Bauern bzw. die hiesige Landwirtschaft.

Dazu haben die Wissenschaftler zunächst eine detaillierte Bestandaufnahme der gegenwärtigen Anbau- und Produktionsstrukturen im Ackerbau und in der Tierproduktion vorgenommen  - einschließlich des Einsatzes von Dünger, Pflanzenschutz und der Verwendung bestimmter Futtermittel – und dann die (wahrscheinlichen) ökonomischen Folgen der geplanten Maßnahmen auf die deutsche Landwirtschaft ermittelt.  

Mehr Ökoanbau kostet viel Geld

Acker.

Derzeit werden in Deutschland etwa 1,5 Millionen Hektar bzw. etwa 9 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet. Dabei werden keine mineralischen Düngemittel und keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Außerdem ist die Hälfte der ökologisch bewirtschaften Fläche Grünland, während der Grünlandanteil im konventionellen Anbau bei etwa einem Viertel liegt.

Zudem ist der Anteil von Weizen, Mais und Zuckerrüben auf den Ackerflächen im ökologischen Landbau deutlich geringer. Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass zur Erreichung des Green-Deal-Ziels von 25 Prozent die ökologische Anbaufläche in Deutschland um 2,54 Millionen Hektar – auf etwa 16 Prozent der gesamten Nutzfläche ausgedehnt werden müsste.

Die Agrarökonomen gehen davon aus,  dass die Ausdehnung der ökologischen Landwirtschaft jährlich zusätzliche Produktionskosten von etwa 257 Millionen Euro verursacht. Dieser Wert wurde aus der Differenz der durchschnittlichen variablen Kosten der konventionellen Wirtschaftsweise von 868 Euro je Hektar und der in der ökologischen Produktion von 969 Euro je Hektar – sowie der unterstellten Flächenausdehnung von 2,54 Millionen Hektar, errechnet.

Die Kosten einer Ausweitung der ökologischen Tierhaltung sind in den 257 Millionen Euro noch nicht berücksichtigt.

Weniger Einkommen im Ackerbau

Auch bei den wichtigsten Getreidearten würde es bei einer Umsetzung der Maßnahmen zu erheblichen Veränderungen kommen. So würden die Anbauflächen von Winterweizen und Wintergerste auf 2,0 bzw. 0,5 Millionen Hektar schrumpfen und die von Winterroggen aufgrund der Anbaubedeutung auf schwächeren Standorten bei 0,5 Millionen Hektar stabil bleiben.

Insgesamt ergibt sich dadurch jedoch eine deutliche Einschränkung der relativ intensiv (Dünger, Pflanzschutz) geführten Wintergetreidearten auf 3 Mio. ha. Obwohl die variablen Kosten im Ackerbau insgesamt deutlich sinken würden, wären die ökonomischen Auswirkungen für die Landwirte negativ.

Während die Wissenschaftler in der Ausgangssituation im Durchschnitt Deckungsbeiträge von 387,3 Euro je Hektar errechnet haben, wären es bei den unterstellten Veränderungen im Jahr 2030 nur noch 343,7 Euro je Hektar, was einem Einkommensverlust von 43,6 Euro je Hektar entspricht.

Das größere Anbaurisiko infolge der Reduzierung von Pflanzenschutzmaßnahmen ist dabei noch nicht berücksichtigt, sagen die Wissenschaftler um Rainer Kühl.

Schrumpfende Produktion und Produktionsverlagerung

Getreideernte.

Am Anfang der Untersuchung verweisen die Wissenschaftler noch einmal ausdrücklich auf die zahlreichen sehr vage formulierten Zielvorgaben des Green Deals und die Schwierigkeiten, daraus konkrete Folgen abzuleiten. Dennoch kommen die Agrarökonomen zu einigen deutlich Aussagen – die sich im Prinzip auch mit den bereits vom USDA und vom wissenschaftlichen Dienst der Kommission gemachten Erkenntnissen decken.

So wird unter anderem ein Rückgang der inländischen Agrarproduktion um 9 Prozent bis 10 Prozent erwartet. Unter der Annahme gleichbleibender Preise rechnen die Autoren zudem mit schlechteren Deckungsbeiträgen im Ackerbau von reichlich 40 Euro je Hektar - in der konventionellen Landwirtschaft. Außerdem sind allein im Ackerbau trotz sinkender Erlöse zusätzliche Investitionen von etwa 3,1 Milliarden Euro erforderlich. Der für Deutschland bereits bestehende negative Importsaldo würde sich vergrößern.

Vor dem Hintergrund der weltweit stetig steigenden Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen, besteht außerdem die Gefahr, dass es in anderen Ländern zu einer Ausdehnung der Produktion kommt und auch die Umweltbelastungen dorthin verlagert werden. Allerdings hat die Kommission angekündigt, künftig bei Importen die gleichen Umweltstandards wie innerhalb der EU zu verlangen. Es dürft jedoch schwierig werden, die höheren EU-Standards auf Produzenten außerhalb der EU zu übertragen und deren Einhaltung zu kontrollieren, sagen die Autoren.

Gelingt die Durchsetzung höherer Standards für ausländische Produzenten nicht, könnte es auch zu billigen Importen und einem weiteren Produktionsrückgang kommen, befürchten die Ökonomen.

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