Seit der Finanzkrise 2008 hat sich die Situation der aktiven Landwirte am Bodenmarkt drastisch verschlechtert. Das stellte Jobst Jungehülsing vom Bundeslandwirtschaftsministerium gestern im Rahmen der Gewisola-Tagung 2019 in Braunschweig fest. Der Leiter des Bodenmarktreferats plädierte für eine moderate und präzise Neujustierung des Agrarstrukturrechts, die aktiven Landwirten und Neueinsteigern den Rücken stärke.
Den für das Grundstückverkehrsrecht zuständigen Länderministern warf Jungehülsing vor, mit ihrer Untätigkeit die Landwirtschaft und den ländlichen Raum zu beschädigen.
Einfallstor ist der Generationswechsel
Viel beachtet wurde auf der Tagung der Vortrag von Andreas Tietz vom Thünen-Institut. Der Wissenschaftler untersucht im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministerium die Eigentümerstruktur in Ostdeutschland. Das kommt einer Detektivarbeit gleich, weil die sogenannten Share Deals nicht erfasst werden. Anhand verschiedener Quellen wie Grundbüchern und Handelsregistereintragungen analysiert Tietz die Betriebs- und Eigentümerstruktur in ausgewählten Landkreisen.
Ein Zwischenergebnis der noch laufenden Studie: Im Osten findet eine deutliche Konzentration des Flächeneigentums statt. Das Einfallstor für außerlandwirtschaftliche Investoren ist dabei in der Regel der Generationenwechsel: Wenn die Inhaber ihre Anteile verkaufen wollen, ist kaum ein anderer Bieter als Investoren in der Lage, das notwendige Kapital aufzubringen.
Tietz geht davon aus, dass die Tendenz zur Konzentration des Bodeneigentums in Holdingsstrukturen anhalten wird.
Rentabilität besser als festverzinsliche Anlage
Prof. Martin Odening von der Humboldt-Universität Berlin verwies darauf, dass der deutsche Bodenmarkt im europäischen Vergleich kaum reguliert sei. Am stärksten gesetzlich geregelt ist der Bodenmarkt danach in Frankreich, Ungarn und Polen. Das liberalste Bodenrecht findet sich in Großbritannien, Griechenland und Irland.
Odening verdeutlichte auch, dass die Rentabilität einer Investition in landwirtschaftliche Flächen in Deutschland seit 2011 deutlich besser ist als die festverzinslicher Anlagen. Dennoch sei am Bodenmarkt keine Preisblase entstanden. Deflationiert seien landwirtschaftliche Flächen in den achtziger Jahren sogar teurer gehandelt worden als heute.
Bodeneigentum zur Besicherung unverzichtbar
In der anschließenden Podiumsdiskussion stimmten alle Experten darin überein, dass eine Konzentration des Bodeneigentums stattfinde. Diese Entwicklung hat inzwischen auch westdeutsche Flächenländer wie Niedersachsen erfasst. Ob die Politik eingreifen sollte, wurde allerdings unterschiedlich bewertet.
Der Landwirt Jörn Ehlers gab zu bedenken, dass hohe Bodenpreise den aktiven Landwirt zwar einerseits benachteiligten, andererseits werthaltiges Bodeneigentum als Sicherheit für Investitionen unverzichtbar sei. Ehlers empfahl daher lediglich ein dosiertes Nachschärfen des Rechtsrahmens. So sollte die doppelte Grunderwerbsbesteuerung für Siedlungsgesellschaften entfallen. Außerdem sollte durchgesetzt werden, dass alle neuen Pachtverträge wirklich verlässlich angezeigt würden.
Eingriffsregelung macht im Westen große Probleme
Prof. Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) teilte die Einschätzung, dass es eine weitere Flächenkonzentration geben werde, bewertete eine Konsolidierung aber nicht unbedingt negativ. Balmann riet, die Politik sollte sich erst einmal darüber klar werden, welche Landwirtschaft die Gesellschaft überhaupt wolle, ehe sie in den Bodenmarkt eingreife. Eine Überregulierung wie in Frankreich friere die Strukturen ein und hemme die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe.
Dr. Ralf Nolten, CDU-Landtagsabgeordneter in NRW und Agrarökonom, sieht die Probleme am Bodenmarkt eher in der Eingriffsregelung. Wenn die Eingriffsregelung nicht angepasst werde, gebe es in einigen Kreisen in NRW in 20 bis 30 Jahren keine landwirtschaftlichen Flächen mehr, stellte Nolten fest. Er warnte vor einer Debatte über ein Agrarstrukturgesetz. Diese würde nicht von landwirtschaftlichem Sachverstand bestimmt, sondern dabei würden sich andere gesellschaftliche Interessengruppen durchsetzen.
"DBV soll Bremserrolle aufgeben"
Im Gegensatz dazu forderte Heinrich Kasten vom Landwirtschaftsministerium in Sachsen-Anhalt, der Deutsche Bauernverband (DBV) sollte seine Bremserrolle bei der Debatte um ein Agrarstrukturgesetz aufgeben. Kasten vertrat die Auffassung, die Politik sollte ein klares Leitbild der erwünschten Agrarstruktur entwickeln und auch nur dafür Direktzahlungen überweisen.
Jochen Dettmer, Präsident des Bauernbunds Sachsen-Anhaltm sagte voraus, die Entwicklung im Osten werde zeitversetzt auch in den westdeutschen Ländern ankommen. Seinen Angaben zufolge hat das Land Sachsen-Anhalt einen neuen Gesetzentwurf zur Agrarstruktur beim Bund zur Prüfung eingereicht. Dettmer unterstrich, die nächste Generation der Landwirte brauche klare Signale. Die bäuerliche Landwirtschaft sei ein Zukunftsmodell. Der Verbandspräsident plädierte darum für eine Kappung und Degression der Direktzahlungen.
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