Landwirtschaftliche Böden haben viele Funktionen. Eine davon ist der Humusaufbau und die Speicherung von CO2. So weit so gut. Das Thünen-Institut in Braunschweig hat in einer umfassenden Untersuchung der landwirtschaftlichen Böden in Deutschland viele Erkenntnisse gewonnen.
Eine davon ist: Die pfluglose Bodenbearbeitung, bei der der Acker mit chemischen Pflanzenschutzmitteln unkrautfrei gemacht wird, hat offenbar kaum positive Wirkungen auf den Humusgehalt des Bodens. Das widerspricht ganz offensichtlich der bislang geltenden Mehrheitsmeinung unter Landwirten und auch den Aussagen von zahlreichen Wissenschaftlern.
Wir haben deshalb nach der Veröffentlichung unseres Beitrags „Agrarböden sind Klimaschützer“ (agrarheute September Heft 2019), in dem das Phänomen beschrieben wurde, zahlreiche Leserbriefe bekommen – die sich überwiegend kritisch zu dieser Aussage äußerten. Wir wollen das Thema deshalb hier noch einmal aufgreifen und zur Diskussion stellen.
Keine Humus-Anreicherung im Boden
Aber was sind nun die Fakten und Erkenntnisse, die zu der Kontroverse und zur möglichen Neubewertung der CO2-Speicherung im Boden führen könnten. Der Bodenforscher des Thünen-Instituts in Braunschweig, Dr. Axel Don, war für die umfassende Bodenzustandserhebung des BMEL verantwortlich. Don hat auch die Effekte der pfluglosen Bodenbearbeitung untersucht und zudem zahlreiche andere Studien ausgewertet und zur Beurteilung herangezogen.
Der Thünen-Forscher sagt: „Für eine Klimabilanz ist mehr als ein im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlicher Blick nötig. Während es an der Bodenoberfläche unter Direktsaat zu einer Humusakkumulation kommt, nimmt der Humusgehalt in den darunter liegenden Schichten der Ackerkrume ab.“
Weiter sagt Don: „Humus stammt nämlich aus Wurzel- und Ernterückständen und Wirtschaftsdüngern und kommt deshalb hauptsächlich von oben in den Boden. Ohne wendende Bodenbearbeitung mit dem Pflug bleibt der neu gebildete Humus nahe der Bodenoberfläche.“ Er wird also nicht gleichmäßig in die Ackerkrume eingemischt, wodurch weniger Humus in den unteren Teil der Ackerkrume gelangt.
Nur oberflächliche Speicherung
In mehr als 100 Feldversuchsstudien die das gesamte Bodenprofil berücksichtigen hat das Thünen-Instituts herausgefunden: Bei Direktsaatverfahren ohne Bodenbearbeitung ergab sich im Mittel eine Speicherung von gerade einmal 150 kg/ha Kohlenstoff im Jahr. Bei vielen Studien kam es sogar zu Humusverlusten.
Fazit ist also: Die Wissenschaftler haben bei der pfluglosen Bodenbearbeitung keine signifikante Humusakkumulation gefunden. Gleiches gilt auch für eine reduzierte Bodenbearbeitung: Auch hier ergaben langjährige Versuche im Mittel nur eine geringe Erhöhung der Humusvorräte. Außerdem waren diese nach mehreren Jahrzehnten nicht sicher nachweisbar.
Vielleicht etwas überraschend: Die Thünen-Forscher erhalten bei ihren Aussagen Unterstützung vom Büro für Bodenschutz und ökologische Agrarkultur. Die Agrarwissenschaftlerin Andrea Beste hat unter anderem im Auftrag der Grünen zahlreiche Studie zum Boden durchgeführt und ausgewertet.
Sie sagt zum Humusaufbau: „Das hat sehr viel mehr damit zu tun, wie viel Kohlenstoff ich in den Boden reinbringe über organische Düngung oder über vernünftige Fruchtfolge. Was ich danach mit dem Kohlenstoff mache, ob ich den durchrühre mit dem Pflug, dann finde ich ihn auch in tieferen Bodenschichten, oder ob ich ihn weiter oben an der Oberfläche liegenlasse, wie beim Pflugverzicht – insgesamt macht das keinen Unterschied für die Kohlenstoffspeicherung im Boden.“
Erheblich höhere Lachgasemissionen
Hinzu kommt eine weitere überraschende Erkenntnis. Axel Don fand nämlich heraus: „Die Klimawirksamkeit pflugloser Bodenbearbeitung wird noch durch weitere Faktoren bestimmt. Neben Kohlendioxid ist dies Lachgas (N2O) - ein Treibhausgas mit fast 300-mal größerer Klimawirksamkeit. Lachgas wird im Boden durch mikrobielle Prozesse gebildet. Insbesondere geschieht dies unter Sauerstoffmangel und wenn gleichzeitig ausreichend mineralischer Stickstoff im Boden vorhanden ist.
Axel Don sagt dazu: „Bei ausbleibender Lockerung durch Bodenbearbeitung können in bestimmten Bodentypen vermehrt sauerstoffarme Bedingungen auftreten, die durch mikrobiellen Nitratabbau (Denitrifikation) zu erhöhten Lachgasemissionen führen können“. Berechnungen des Thünen Instituts aus fast 50 Feldversuchen haben gezeigt: Lachgasemissionen sind bei Direktsaat um 86 Prozent und bei reduzierter Bodenbearbeitung um 63 Prozent erhöht.
Fazit ist also: Die erhöhten Lachgasemissionen kompensieren nicht nur die mittlere Humusakkumulation - Vielmehr führen sie zu einer negativen Klimabilanz der pfluglosen Bearbeitungsverfahren.
Auch diese Erkenntnis wird durch die Untersuchungen von Andrea Beste bestätigt. Sie sagt: „Die Bildung des extrem klimaschädlichen Lachgases in pfluglos bearbeiteten Böden ist aufgrund der dichten Lagerung und der höheren Bodenfeuchte häufig höher. Humusanreicherung, Klimaanpassung oder gar Klimaschutz werden mit dieser Technik also nicht gefördert“.
Vorteile: Erosionsschutz und Zeiteinsparung
Direktsaat ist in Deutschland nicht so stark verbreitet wie in den USA oder in Südamerika. Aber: Immer mehr Landwirte haben in den letzten Jahren auf reduzierte Bodenbearbeitung umgestellt. Ziel der Ackerbauern ist eine Verbesserung der Bodenstruktur, Schutz vor Erosion. Und natürlich auch weniger Arbeitsaufwand und Feldüberfahrten. Einen positiven Klimaschutzeffekt durch Humusanreicherung gibt es wie oben gesamt aber nicht.
Ein weiterer Nachteil ist nach Einschätzung der Thünen-Forscher um Axel Don: Die Direktsaat ist nur in Kombination mit einem erhöhten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich. Mindestens ein zusätzlicher Einsatz eines Totalherbizids (z.B. Glyphosat) ist bei Direktsaatverfahren nötig. Positiv für die Umwelt und die Geldbörse ist jedoch der geringere Verbrauch an Dieselkraftstoff bei pfluglosen Verfahren.
Aber: Sowohl die Herstellung als auch der Transport von Pflanzenschutzmitteln erzeugen Treibhausgase. Diese müssen letztlich auch in der CO2-Bilanz zu berücksichtigt werden. Danach ist es also fraglich, ob der Verzicht auf den Pflug dem Klimaschutz wirklich dient. Die eindeutigen Vorteile der pfluglosen Bodenbearbeitung liegen vor allem beim Erosionsschutz und der Einsparung von Arbeitszeit. Nicht aber beim Humusaufbau.
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