Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Landwirtschaft und Wirtschaftskrise

Inflation und Agrarkrise: Bauern stehen schwere Zeiten bevor

Getreideernte.
am Dienstag, 12.04.2022 - 11:29 (19 Kommentare)

Die Agrarpreise und die Kosten für Betriebsmittel steigen im Rekordtempo. Das hat es schon einmal gegeben. Mit fatalen Folgen.

Agrar- und Energiepreise.

Das derzeitige inflationäre Wirtschaftsumfeld hat viele Parallelen zu den 1970er und 80er Jahren, sagen Ökonomen und Analysten. Und dieses Jahrzehnt endete für viele Landwirte mit hohen Schulden und Betriebsaufgaben. Zumindest in den USA. In Europa war die Landwirtschaft zu diesem Zeitpunkt noch ein relativ geschlossenes System, dass kaum Verbindung zu Weltmarkt hatte. Eine der Parallelen zu den 70ern ist der gestörte Handel mit Russland, sagt der Marktanalyst Doug Johnson, gegenüber dem agrarportal DNT.

Denn: 1980 gab es ebenfalls ein Getreideembargo gegen die damalige Sowjetunion. Und auch jetzt richten sich die globalen Lieferketten als Reaktion auf die Unterbrechung der Exporte aus der Ukraine und die Sanktionierung der Handelsbeziehungen mit Russland neu aus. Eine weitere Parallele – große Rechnungen und explodierenden Kosten für Landwirte, Verbraucher und Unternehmen. Das Resultat: In den 80er Jahren waren viele Kreditnehmer in den USA hoch verschuldet, insbesondere auch in der Landwirtschaft.

Eine dritte Parallele zu den 70ern ist das deutlich steigende Zinsumfeld. So lag der Leitzins in den USA, die sogenannte „Fed Funds Rate“, an der die Banken ihre Zinssätze ausrichten, von 1979 bis 1980 bei 20 %. Der Grund: Mit den hohen Zinsen wollte man die steigende Inflation bekämpfen. Jetzt, nachdem sie den Zinssatz 15 Jahre lang nahe null gelegen hat, ist die Federal Reserve in den USA bereit, die Zinsen in diesem Jahr noch bis sechs Mal anzuheben, möglicherweise um mehr als 0,25 % auf einmal, wenn nötig.  

Die EZB hält sich zwar bislang zwar zurück, dürfte der Fed aber rasch folgen. Der große Unterschied zwischen den 1970er Jahren und heute besteht vor allem darin, dass das Verhältnis von Verschuldung zum Eigenkapital der Landwirte in einer viel besseren Relation steht, sagt Analyst Johnson. Die Bauern besitzen mehr von ihrem bewirtschafteten Land, und der Wert dieses Landes steigt weiter.

Explodierende Kosten lösen die Gewinne in Luft auf

Dünergpreise steigen und steigen.

Vor dem Hintergrund der explodierenden Kosten und Einkaufspreise auf immer neuen Allzeithochs, erwarten immer mehr Analysten und Ökonomen deutlich schrumpfende Gewinne für die Landwirte im Jahr 2022. Viele Bauern suchen nach Wegen die immens steigenden Kosten – etwa für Dünger, Treibstoff und Futter - und den akuten Mangel an Betriebsmitteln zu bewältigen. Zwar waren auch die Getreidepreise - und damit die Erlöse – in den Jahren 2021 und 2022 sehr hoch, doch die steigenden Inputkosten schmälern die Gewinne immer stärker. Die höheren Preise für Betriebsmittel beeinflussen sowohl die Anbauplanung als auch die laufende Düngung und das Risikomanagement der Betriebe.

Im Dezember hatte eine Umfrage der landwirtschaftlichen Terminbörse CME und der Purdue University in den USA ergeben, dass 57 % der befragten US-Landwirte erwarten, dass die landwirtschaftlichen Betriebsmittelpreise im Jahr 2022 um mehr als 20 % steigen werden. Und fast 40 % der Farmer gingen davon aus gaben an, dass sie mit einem Anstieg der Betriebsmittelpreise um mehr als 30 % rechnen müssen. Und die aktuellen Zahlen geben ihnen mehr als recht.

Volkswirtschaften und Landwirte auf der ganzen Welt haben bereits jetzt mit einer außergewöhnlich hohen Inflation zu kämpfen, die größtenteils durch stark steigende Energiepreise, aber auch durch die steigenden Rohstoff- und Agrarpreise verursacht wird. Der aktuelle Food-Price-Index der FAO von März zeigt, dass die globalen Lebensmittelpreise auf einem Allzeithoch sind.

Eine längere Periode von Düngemittelknappheit und hohen Betriebsmittelpreisen könnte die landwirtschaftlichen Erträge und die Versorgung sehr negativ beeinflussen. Während ein Großteil der Diskussionen über die Rekordpreise für Energie nach der russischen Invasion dominiert wurde, wird nun erwartet, dass der Angebotsschock bei Düngemitteln, Weizen und anderem Getreide die Diskussion über eine globale Hungerkrise verschärft.

Angebotsschock mit schwerwiegenden Folgen

In einer Untersuchung der Barclays Bank, fanden die  Bank-Ökonomen Fabrice Montagné und Christian Keller heraus, dass „das Ausmaß und die Intensität des aktuellen Angebotsschocks schwerwiegendere Folgen haben könnten als frühere Rohstoffpreisspitzen, da der Inflationsdruck so mächtig zunimmt .“

Die Produktion von Nahrungs- und Düngemitteln hat aufgrund von Mechanisierung, Industrialisierung und Transport mitterweile einen sehr hohen Energiebedarf und konkurriert außerdem auch mit anderen Industrien um Rohstoffe: So bestehen zwischen der Produktion von Biokraftstoffen enge Wechselwirkungen mit dem Energiesektor sowie mit der Produktion Pflanzen für Erzeugung von landwirtschaftlichen Nahrungsmittel. Gleichzeitig werden etwa für die Produktion von Lithium-Ionenbatterien ähnliche Chemikalien benötigt, die etwa bei der Herstellung von P-Dünger verwendet werden“, sagen die Bank-Ökonomen.

Angesichts des bereits sehr angespannten Getreide- und Ölsaatenmarktes und der Bedeutung sowohl Russlands als auch der Ukraine auf diesen Märkten, ist die Inflation der Lebensmittelpreise ein weltweit immer größeres Risiko für eine deutliche Eskalation der Krise“, lautet das Fazik der Bank-Ökonomen.

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...