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Landwirtschaft und Umwelt

Insektensterben: Forscher diskutieren Ursachen und Folgen

Bienen und Blüten
am Dienstag, 19.03.2019 - 13:00

Noch vor kurzem hat sich kaum jemand für sie interessiert: Insekten. Nun stehen sie im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses.

Ihr Vorkommen gilt als Indikator für Umweltbelastung, Klimawandel und Intensität der Landwirtschaft. Den Gründen und Folgen des Insektensterbens ging nun auch die Entomologentagung vom 11. bis 14. März an der Universität Halle-Wittenberg (MLU) nach. Dort diskutierten mehr als 300 Insektenforscher aus aller Welt. Erstmals stand dabei auch das Thema Biodiversität und Insektenschwund auf der der Tagesordnung. 

Auslöser für diesen Insekten-Boom war eine Studie aus Krefeld. Diese hat einen Rückgang der Insektenpopulation in Deutschland seit 1989 um mehr als 75 Prozent behauptet. Das löste eine Welle des Interesses bei Medien, Umweltverbänden und in der Politik aus. Jürgen Gross, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie (DGaaE) sagte dazu: „Wir warnen seit 25 Jahren vor einem Rückgang der Insekten, haben aber nie die Öffentlichkeit erreicht". Offenbar hat sich dass jetzt geändert und die Zeit ist reif.

Die Bundesregierung plant jedenfalls in einem "Aktionsprogramm Insektenschutz" die Gründung eines Zentrums für Biodiversitäts-Monitoring. Dadurch soll Zahl und Arten der in Deutschland vorkommenden Insekten erfasst werden. Keine leichte Aufgabe angesichts der Tatsache, dass es in Deutschland wahrscheinlich mehr als 33.000 Insektenarten gibt. Und die Methoden zur Messung und Zählung von Insekten sind offenbar sehr aufwendig und bislang kaum etabliert.  

Insektensterben hat verschiedene Ursachen

Biene und Blüte

Aktuelle Studien kommen zu dem Schluss, dass bis zu 40 Prozent aller Insektenarten weltweit vom Aussterben bedroht sind" sagt der Tagungsleiter Prof. Gerald Moritz vom Institut für Biologie der Universität Halle. In Deutschland hat nach den Untersuchungen des Bundesamt für Naturschutz (BfN) sowohl die Gesamtzahl der Insekten und als auch die Vielfalt der Insektenarten in den vergangenen abgenommen. Für alle bislang in den Roten Listen erfassten Insektenarten ist der langfristige Trend bei 45 Prozent der Arten rückläufig. Danach sind nicht nur Insekten betroffen, die sich vor allem fliegend fortbewegen, sondern auch solche, die überwiegend am Boden leben.

"Häufig werden einzig und allein Insektizide mit dem Insektensterben in Verbindung gebracht. Bislang zu wenig berücksichtigt werden die immer intensivere Landwirtschaft und auch die exotischen Pflanzen in unseren heimischen Gärten. Diese stellen selten eine adäquate Nahrungsquelle für heimische Insekten dar", sagt Moritz weiter. Auch der Klimawandel und die Luftverschmutzung spielen offenbar eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Neuere Studien zeigen zudem, dass offenbar auch Windparks erheblichen Einfluss auf die Dezimierung der Flug-Insektenpopulation haben. Auf der Tagung diskutiert wurden deshalb auch weitere mögliche Ursachen des Insektensterbens und wie sich diese wissenschaftlich exakt beschreiben und reduzieren lassen. Auch die Fragen, ob sich mit Hilfe von städtischen Grünflächen der Artenrückgang verhindern lässt und welche Folgen aus anderen Regionen eingeschleppte, invasive Arten für heimische Insekten haben, standen auf dem Programm.

Zu wenig belastbare Daten vorhanden

Bienen

Besonders schwierig  scheint jedoch die Frage des systematischen Monitorings der Insekten zu sein. Die grundsätzlichen Aussagen der Krefelder Studie werden trotz methodischer Mängel nicht bezweifelt. Deshalb bilden auch die Ergebnisse auch die Grundlage für die bisherigen Diskussionen. Jedoch fehlen für Deutschland bislang differenzierte und belastbare Daten. Weder die Agrar- und Umweltbehörden noch die deutsche Wissenschaft oder Umweltorganisationen verfügen über langfristige wissenschaftlich fundierte Monitoring-Programme.

Wolfgang Wägele, vom Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn hält es deshalb für notwendig, mehr in die Forschung zu investieren, insbesondere in ein umfassendes Monitoring der Artenvielfalt. Seiner Einschätzung nach gibt es viel zu wenige Daten über die Biodiversität. Deshalb seien mehr Langzeitbeobachtungen, die Auswertung von Satellitendaten, sowie die Entwicklung neuer Sensortechnologien und der Bau neuer Messstationen nötig.

Bis diese neuen Langzeitstudien jedoch Ergebnisse bringen, dürften noch 10 bis 15 Jahre vergehen. Wolfgang Wägele, würde die Zählung der Insekten gerne automatisieren und ein Netz aus Messstationen aufbauen, die dann wie Wetterstationen funktionieren. Dort könnten die Insekten automatisch gefangen werden und der Insektenfang würde über DNA-Sequenzierung ausgewertet.