In Gebieten mit intensiver Landwirtschaft und spürbarem Klimawandel ist die Insektenpopulation um etwa 50 Prozent geringer als in weitgehend natürlichen und bisher kaum von Erwärmung betroffenen Lebensräumen. Um 27 Prozent geringer ist die Anzahl der Arten.
Dieses Ergebnis haben Wissenschaftler in der britischen Fachzeitschrift nature veröffentlicht. Sie analysierten Temperaturdaten, Veränderungen in der Landnutzung und Bestände von etwa 18.000 Insektenarten an 6.000 Orten weltweit. Dabei bezogen sie sich auf den 20-jährigen Zeitraum von 1992 bis 2012.
Nur leichtes Insektensterben bei extensiver Nutzung
Wie die Autoren schlussfolgern, sorgen natürliche Lebensräume in der Nähe von landwirtschaftlichen Flächen mit geringer Nutzungsintensität häufig für geringere Verluste von Anzahl und Artenreichtum der Insekten. Je mehr der Klimawandel abgeschwächt, der natürliche Lebensraum in Landschaften erhalten und die Intensität der Landwirtschaft verringert werde, desto mehr könne die Artenvielfalt von Insekten profitieren.
So ging laut Erhebung die Zahl der Insekten um nur 7 Prozent zurück, wenn die Flächen noch zu 75 Prozent mit ihrem natürlichen Bewuchs bedeckt waren und es keine intensive Landwirtschaft gab. Die Zahl der Arten ging an diesen Orten um 5 Prozent zurück.
Bei einem natürlichen Bewuchs von 25 Prozent betrug der Rückgang der Anzahl der Insekten und der Arten jeweils über 60 Prozent.
Ergebnisse müssen kritisch betrachtet werden
Allerdings gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Ergebnisse nur für die Spitze des Eisbergs stehen. So sei die Verfügbarkeit von Daten aus den Tropen, die der Klimawandel besonders treffe, begrenzt gewesen. Deshalb könne die Entwicklung in den Tropen nur schwer abgeschätzt werden. Darüber hinaus sei der analysierte Zeitraum von 20 Jahren weit kürzer als der Einfluss des Menschen auf die Insektenpopulationen. Hinzu kämen weitere, nicht einbezogene Faktoren wie die Umweltverschmutzung, so die Wissenschaftler.
Die Studie könne nach Angaben der Autoren nur einen statistischen, nicht aber einen ursächlichen Zusammenhang aufzeigen. Es gebe jedoch zahlreiche weitere Studien mit vergleichbaren Ergebnissen und daher Grund zur Annahme, dass mit fortsetzender Erderwärmung das Risiko für die Artenvielfalt von Insekten durch Wechselwirkungen zwischen Landnutzung und Klimawandel zunimmt.
WWF fordert Maßnahmen auch außerhalb von Schutzgebieten
Für eine schnelle Umsetzung der in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) beschlossenen Maßnahmen spricht sich Josephine Kuczyk aus, Projektmanagerin Insektenschutz bei der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF. Politik, Landwirtschaft und die Akteure des Umweltschutzes müssten an einem Strang ziehen.
„Der Bestand der Insekten ist, nach allem was wir wissen, besonders durch den Verlust natürlicher Lebensräume, die intensive Landwirtschaft und die damit einhergehende Belastung der Böden mit Agrarchemikalien, durch die Auswirkungen des Klimawandels und die sogenannte Lichtverschmutzung bedroht“, so Kucyk. Um dem entgegenzuwirken, müssten auch außerhalb von Schutzgebieten wirksame Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden.
IVA verweist auf notwendige Produktivität der Landwirtschaft
Wie die Autoren der Studie sieht auch Michael Wagner, Präsident des Industrieverbands Agrar (IVA), die Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen zum Rückgang der Biodiversität bestätigt. Die Erkenntnis über das Zusammenspiel verschiedener Treiber der Entwicklung, darunter vor allem der Klimawandel, sei wichtig. Auch habe die intensive Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte vor allem durch den Verlust von Habitaten einen negativen Einfluss auf die Artenvielfalt gehabt.
„Aber was ist die Lösung? Wir erleben gerade, dass wir bei der Bekämpfung des Hungers in der Welt durch Russlands Krieg gegen die Ukraine Rückschritte machen – ein klassisches Dilemma. Wir werden es nur lösen können, indem wir in eine – und das ist mir wichtig – gezielte Förderung der Biodiversität einsteigen und gleichzeitig Wege finden, die Produktivität unserer Landwirtschaft aufrechtzuhalten“, sagt Wagner.
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