Unklar ist jedoch, wie stark der Rückgang wirklich ist. Bislang gibt es jedenfalls weder in der Wissenschaft, noch bei den Umweltverbänden oder den Naturschutzbehörden längerfristige und systematische Messungen und Daten.
Auslöser für die aktuelle Debatte über das Insektensterben war die sogenannte Krefelder Studie. Diese kommt auf Grundlage von regionalen Langzeitmessungen zu dem Ergebnis, dass die Biomasse der Insekten über einen Zeitraum von gut 25 Jahren um 76 Prozent abgenommen hat. Trotz teilweise deutlicher Kritik an den Messverfahren und an einigen systematischen Mängeln, wird die grundsätzliche Aussage der Studie von kaum jemandem ernsthaft bezweifelt.
Die angeblichen Gründe für das Insektensterben sind ebenfalls schnell gefunden: Die intensive Landwirtschaft, der Einsatz von Insektiziden, großflächige Monokulturen, fehlende Blühstreifen, der Verkehr, die Urbanisierung und der Klimawandel werden genannt.
Sind Windräder Mitschuld am Insektensterben?
Nun kommt aber offenbar eine weitere, bislang wenig beachtete Ursache hinzu: Der Insektenschlag durch Windkraftanlagen. Forscher des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) haben in einer Modellanalyse herausgefunden, dass große Mengen an Insekten kurz vor der Eiablage hohe Luftströmungen aufsuchen, um sich vom Wind zu ihren Brutplätzen tragen zu lassen.
Dabei kommen sie in den Bereich der Rotorblätter und werden quasi geschreddert. Die Forscher schätzen die Menge an getöteten Insekten in ihrer Modellanalyse auf mindestens 1.200 t bzw. 5 bis 6 Mrd. Stück pro Jahr. Diese Größenordnung könnte nach Meinung der Wissenschaftler durchaus relevant für die Stabilität der gesamten Insektenpopulation sein, zumal die Verluste vor der Eiablage auftreten und sich damit unmittelbar auf die nachfolgenden Generationen auswirken.
Bislang gibt es jedoch noch keine belastbaren Daten über die Zahl und Biomasse der Gesamtpopulation an Insekten in Deutschland. Damit ist eine konkrete Einordnung und Bewertung der Verluste derzeit auch sehr schwierig.
Es fehlen empirische Daten
Gewissermaßen als Nebeneffekt kann sich beim Insektenschlag der Wirkungsgrad der Windanlagen durch die „Verschmutzung“ der Rotorblätter um bis zu 50 Prozent verringern. Auf beide Phänomene hatten Forscher breits 2001 im Fachmagazin Nature und in anderen Studien hingewiesen, ohne dass es weitere systematische Untersuchungen oder ein Monitoring gegeben hätte.
Das bemängeln auch die Autoren der aktuellen DLR-Studie und fordern eine empirische Verifizierung ihrer theoretisch berechneten Verluste sowie umfassende Maßnahmen zum Monitoring und zur Vermeidung von Insektenschlag an Windkraftanlagen.
Kritiker werfen der DLR-Studie die fehlenden empirischen Daten vor und bemängeln die modellbasierten Aussagen. Ähnlich wie bei der oben genannten Krefelder Studie, zeigen die grundsätzlichen Ergebnisse der Modellanalyse jedoch einen eindeutigen Trend auf, der kaum ignoriert werden kann. Dies wäre vor dem Hintergrund der schrumpfen Insektenpopulation wohl auch nicht zu rechtfertigen.
Auf dem jüngst in Halle stattgefundenen Kongress der Insektenforscher hat die Forderung nach einem systematischen Monitoring der Insektenbestände für eine fundierte Beurteilung des Insektensterbens jedenfalls eine zentrale Rolle gespielt.
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