
Fachleute bewerten diesen Trend als alarmierend, da er sowohl den Arbeitskräftemangel verschärft als auch die Finanzierbarkeit der Renten gefährdet. Auffällig ist, dass unter den jüngeren Babyboomern (Geburtenjahrgang 1965) noch mehr Menschen früh in Rente gehen wollen. Wollen unter den 1959 Geborenen zumindest noch 69 Prozent bis 64 arbeiten, sind es bei den Jüngeren nur noch ca. 33 Prozent.
„Der häufigste Grund ist, die Menschen möchten mehr freie Zeit haben“, sagte der Studienleiter Hans-Martin Hasselhorn von der Universität Wuppertal dem ARD-Magazin: Auffällig ist jedoch: selbst ein erfüllender Beruf und gutes Einkommen führen nicht dazu, länger arbeiten zu wollen.
Und es gibt noch eine Erkenntnis: Die Bereitschaft, lange zu arbeiten, ist in der Gruppe mit dem geringsten Einkommen, unter der Armutsgrenze, am höchsten. Bei dieser Gruppe ist das länger arbeiten wollen aber wohl eher ein „länger arbeiten müssen".
„Unser Hauptbefund ist, dass unter den Babyboomern eine ausgeprägte Kultur des Frühausstiegs herrscht“, sagte Hasselhorn dem ARD-Magazin. Der frühe Erwerbsausstieg sei mittlerweile die Norm. „Viele Personen, die 63, 64 oder 65 Jahre alt sind und noch in Arbeit stehen, kennen es, dass man sie ganz erstaunt fragt: ‚Was, du arbeitest noch?“, sagte Hasselhorn.
Arbeitgeber finden niemand der länger arbeitet
Den Trend zum früheren Rentenbeginn sehen auch Arbeitgeber mit Sorge. Hans-Jürgen Vollert leitet ein Familienunternehmen. Schon jetzt fehlen ihm die Fachkräfte, berichtet er der ARD. Regelungen wie unbegrenzte Hinzuverdienst-Möglichkeiten für Rentnerinnen und Rentner, die seit Anfang des Jahres gelten, ziehen bei seinen Beschäftigten nicht, sagt er.
Davon können auch viele andere Arbeitgeber ein Lied singen. Und: Die Konsequenzen für das Rentensystem und für den Arbeitsmarkt werden in den kommenden Jahren massiv sein, sagt auch Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft. Schon jetzt fließt etwa ein Viertel des Bundeshaushalts als Zuschuss in die Rentenkasse.
Laut der Wirtschaftsweisen Schnitzer muss die Politik nachjustieren: „Was man vorhat, ist ja tatsächlich, den Beitragssatz zu stabilisieren, das Rentenniveau zu stabilisieren, auch das Renteneintrittsalter nicht weiter zu erhöhen.
Das zuständige Bundesarbeitsministerium setzt in einer Stellungnahme an die ARD weiterhin auf freiwilliges Arbeiten von Rentnern: „Der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten bewirkt, dass zukünftig parallel zum Bezug einer Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze unbegrenzt hinzuverdient werden kann. Ob das in Zukunft reicht, um das ganze System stabil zu halten, ist mehr als fraglich.
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