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Landnutzung und Pachtmarkt

Die Kirche als Landverpächter: Raffzahn oder Samariter?

Mann hockt und prüft den Boden eines Ackers
am Montag, 02.11.2020 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Die Kirche gehört in Deutschland zu den größten Verpächtern von Ackerland. Ihr Einfluss auf die Pachtpreise und auf die Auswahl der Pächter ist also hoch.

Die Pachtpreise unterscheiden sich regional sehr stark.

Insgesamt hat die Evangelische Kirche etwa 310.000 Hektar an Landwirte verpachtet – davon 170.000 Hektar in Ostdeutschland. Die katholischen Kirchgemeinden verfügen über knapp 200.000 Hektar Pachtland.

Während man sich in der Vergangenheit oft wenig Gedanken über die Verpachtung und die Höhe der Pachtpreise gemacht hat, erfolgt die Auswahl der Landwirte und die Festlegung der Pachtpreise immer stärker nach bestimmten ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien – und auch nach Kirchenzugehörigkeit. Die Gewichtung der einzelnen Punkte ist dabei durchaus umstritten.

Deshalb hat unter anderem die evangelische Kirche in Hessen und Nassau im Jahr 2018 einen Leitfaden zum Umgang mit landwirtschaftlichen Flächen und deren Verpachtung entwickelt (siehe Anlage). Darin ist auch ein Punkteverfahren zur Vergabe von Pachtland enthalten, sagt Maren Heincke, Referentin für den Ländlichen Raum der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Musterverträge sollen zudem mehr Transparenz gewährleisten.

Auswahlverfahren sind sehr unterschiedlich

Frau und Mann hocken auf dem Acker und prüfen den Boden

Fakt ist jedoch: Die Pächterauswahl und die Verpachtung erfolgt in den Landeskirchen sehr unterschiedlich, sagt Dirk Hillerkus, Mitverfasser einer Handreichung zur Kirchenlandverpachtung und Referent für nachhaltige Landwirtschaft in der Evangelischen Kirche von Westfalen.

In Westfalen, in der Evangelischen Kirche im Rheinland und in Hessen-Nassau (EKHN) sind die Kirchengemeinden die Eigentümer des Pachtlandes. Dagegen wird das Pachtland in der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM) zentral erfasst und verwaltet. "Die Pacht liegt hier oft über dem Durchschnitt der Region, die EKM hat den Ruf als Preistreiber. Das fällt negativ auf die Kirche zurück", sagt der Landwirt Reiko Wöllert aus dem thüringischen Haina.

Dennoch sind auch die kirchlichen Pachtpreise im Osten erheblich niedriger als im Westen. Denn diese richten sich in aller  Regel nach den Marktpreisen – und da gibt es zwischen Ost und West zum Teil große Unterschiede. Zur letzten offiziellen Erhebung des Statistischen Bundesamtes lagen die Pachtpreise in den ostdeutschen Ländern für Ackerland zwischen 157 und 313 Euro je Hektar. Im Westen wurden je nach Bundesland zwischen 220 und 546 Euro Pacht verlangt.

Die Evangelische Kirche  in Hessen-Nassau (EKHN) hat 2017 beschlossen, einen Pachtpreis von 10 bis 20 Prozent unterhalb der ortsüblichen Pachthöhe anzustreben. Allerdings gibt es beim Vergabeverfahren mehr Punkte für den Landwirt, wenn das Angebot über der Mindestpacht liegt. Manche Landwirte sagten deshalb auch: "Aha, der Kirche ist also das Geld am wichtigsten!" Die Pachtdauer soll nach Auffassung der EKHN immerhin zwölf Jahre betragen, zur Mitte der Vertragslaufzeit kann der Pachtzins aber angepasst werden.

Das sich auch die kirchlichen Pachtpreise überwiegend am regionalen Markt orientieren, sieht man auch im Nordwesten: Im Landkreis Vechta müssen die Bauern für Kirchenland mit Pachtpreisen von bis zu 1.200 Euro rechnen und im Landkreis Cloppenburg sind es bis zu 950 Euro, sagt Susanne Imholte, die in der Offizialatsverwaltung für Liegenschaften zuständig ist. Jede Pfarrgemeinde im Oldenburger Land kann selbst entscheiden, wie sie die Verpachtung an Landwirte organisiert: Durch öffentliche Ausschreibung oder mit festgelegten Pachtpreisen, die sich am (sehr hohen) Marktpreis orientieren.

Kriterien für die Pächterauswahl ist umstritten

Ein bearbeiteter Acker und ein grünes Feld und blauer Himmel

In Mitteldeutschland erwirtschaftet die Kirche mit ihren rund 80.000 Hektar Pachtland jährlich etwa 20 Millionen Euro – was einem durchschnittlichen Pachtpreis von etwa 250 Euro je Hektar entspricht. Friedhelm Ruths, Mitglied im Kirchenkreisrat Haldensleben-Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt, sagt, dass die Pachteinnahmen für die ostdeutschen Kirchengemeinden eine wichtige Rolle für ihre Finanzierung spielen - sie machen bis zu 20 Prozent des Haushalts aus.

In den Westgemeinden – mit deutlich höheren Kirchensteuereinnahmen – ist dieser Anteil meist erheblich geringer.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, in der vor allem kleine Familienbetriebe und Biolandwirte organisiert sind, fordert von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, dass sie bei der Landvergabe künftig stärker soziale und ökologische Kriterien berücksichtigen soll. Auf diese Forderung hat die Synode bereits reagiert, sagt Mortimer von Rümker, selbst Landwirt und Mitglied im Kirchenausschuss für Klima, Umwelt und Landwirtschaft der EKM.

Als eine der ersten Landeskirchen hat die EKM ihre Kriterien für die Pächterauswahl offengelegt: Neben der Höhe des Pachtpreisangebotes kann der Bewerber mit einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, mit seiner regionalen Herkunft und auch mit seiner Kirchenzugehörigkeit punkten. Bei sozialem Engagement – wie zum Beispiel einer hohen Zahl an Ausbildungsplätzen – gibt es noch einen zusätzlichen Bonus, sagt Judith Königsdörfer, Agraringenieurin und Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses bei der EKM.

Soll die Kirche Agrarpolitik betreiben?

Zwei Männer laufen auf einem landwirtschaftlichen Feld und nebenan blüht der Raps

Doch die Debatte über die Verfahren und die Auswahlkriterien bei der Vergabe von kirchlichem Pachtland hat offenbar gerade erst begonnen: "Die Kirche sollte lieber über die gesellschaftliche Diskussion Einfluss nehmen und den Landwirten nicht vorschreiben, wie sie den Boden zu bearbeiten haben", sagt Jörn Ehlers, Vorsitzender des Landvolk-Kreisverbandes Rotenburg-Verden. Er fügt hinzu: "Soziale und wirtschaftliche Aspekte bei der Auswahl des Pächters sind in Ordnung, aber ökologische Kriterien sind ein großer Knackpunkt."

Mortimer von Rümker sagt ebenfalls, dass die Kirche nicht Partei ergreifen sollte für eine bestimmte Wirtschaftsweise oder Betriebsform: „Da ist man schnell mit Begriffen wie Massentierhaltung und industrieller Landwirtschaft dabei. Aber wir dürfen mit den Vergabekriterien und als Kirche keine Agrarpolitik betreiben, sondern das Land den Betrieben geben, die es am besten bewirtschaften.“ Der Ausschuss der EKM hat sich darauf geeinigt, das Verfahren erst mal so zu belassen – und dem Punktekatalog kein Kriterium für ökologischen Anbau hinzuzufügen.

Auch Gerhard Beha vom Erzbischöflichen Ordinariat (EBO) in Freiburg lehnt Vorschläge ab, dass man Öko-Betriebe als Pächter zu bevorzugen soll. Er sagt, wenn man konventionelle Betriebe ausgrenze, treffe das jene Betriebe, die unsere Kulturlandschaft geschaffen hätten und bis heute im Wesentlichen erhalten würden. „Eine pauschale Bevorzugung der ökologisch wirtschaftenden Betriebe kann daher nicht die Lösung sein”, sagt Beha.

"Ärger gibt es immer, wenn die Kirche Land verpachtet", sagt Maren Heinke von der EKHN. Der Grund: "Die Landwirte brauchen das Land. Wenn ein Pachtvertrag nicht verlängert wird, verstehen die Bauern das außerdem als Kritik an ihrer Arbeit". Die Empfehlung von Maren Heinke ist deshalb: Die Pächter ein Jahr vor Pachtende anzuschreiben und anzukündigen, dass sich etwas verändert. Kommunikation ist also enorm wichtig – auch bei der Verpachtung von Kirchenland. Und mindestens ebenso wichtig für die Landwirte sind Nachvollziehbarkeit und Transparenz, bei der Vergabe der Flächen und bei der Höhe des Pachtpreises.

Leitfaden zum Umgang mit landwirtschaftlichen Flächen und deren Verpachtung der EKHN

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