Egal ob Agrarpaket, Klimagesetz, CO2-Preise oder Düngeverordnung – die Folgen für die Bauern sind immer die Gleichen. Steigende Kosten und sinkende Einkommen setzten den Betrieben zu und sorgen dafür, dass immer mehr Höfe in wirtschaftliche Not geraten – oder ganz aufgeben müssen. Ganz besonders betroffen sind die Tierhalter. Hier hat sich der ökonomische und gesellschaftliche Druck zuletzt noch verschärft.
So forderte der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff: "Damit die Tierhaltung ökologisch verträglicher wird, muss die Zahl der gehaltenen Tiere runter." Der SPD-Agrarpolitiker Rainer Spiering sagte ebenfalls, die Tierhaltung müsse zurück zu einer Flächenbindung. Pro Hektar Land sollte ein Betrieb nicht mehr als zwei Kühe halten.
Unions-Fraktionsvize Gitta Connemann wies den Grünen-Vorschlag indes als "scheinheilig" zurück. "Es bringt nichts, das Hohelied der kleinen Betriebe in Sonntagsreden zu singen. Entscheidend ist das Alltagshandeln – auch der Politik. Jede weitere Auflage sorge dafür, dass weitere Bauern aufgeben würden. Wer das will, muss es genauso deutlich sagen."
Allerdings hat auch Agrarministerin Klöckner vor, die Emissionen aus der Tierhaltung zu senken, indem sie Fördermaßnahmen künftig ebenfalls davon abhängig machen will, ob ein Betrieb pro Hektar Fläche nicht mehr als zwei "Großvieh-Einheiten" hält.
Politischer Druck auf die Tierhalter wächst
Doch die Debatte nimmt weiter Fahrt auf: Die Grünen wollen nun Fleisch und andere tierische Lebensmittel durch die Einbeziehung in den Emissionshandel verteuern. Parteichef Robert Habeck sagte: "Zu den Sektoren, die bislang nicht durch den europäischen Emissionshandel erfasst werden, gehört auch die Landwirtschaft. Wir führen die Bepreisung von Klimagasen daher auch für landwirtschaftliche Produkte ein, angefangen mit tierischen Lebensmitteln." Das würde die Produktion weiter deutlich verteuern und zu einem weiteren Rückgang der Tierhaltung und vor allem der kleinen Betriebe führen.
Habeck weist darauf hin, dass die Einbeziehung der Landwirtschaft in den Emissionshandel nicht so einfach sein wird, „und auch mit einem Umbauprogramm für Tierhaltung einhergehen muss“. Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands Bernhard Krüsken verweist darauf: „dass der Bestand an Tieren in Deutschland bei weniger als einer Großvieheinheit liegt – etwa einer Kuh oder zehn Schafen – pro Hektar. Die Forderungen nach einer weiteren Begrenzung sind daher im Zusammenhang mit dem Klimaschutz populistische Augenwischerei,“ so Krüsken.
Die Grünen sowie Umwelt- und Bioverbände wollen die Fördermittel der europäischen Agrarpolitik künftig „gezielt für den Umbau einer tiergerechten Haltung einsetzen“. Um dies alles zu erreichen, wird eine nationale Nutztierstrategie gefordert, in der „verbindliche Schritte“ für den Umbau der Tierhaltung festgelegt werden. Ziel soll es sein, die Tierbestände vor allem in den sogenannten Hotspots – also in Nordwestdeutschland – mit hohen Bestandsdichten zu reduzieren.
Weniger Rinder, mehr Schweine und Höfesterben
In Deutschland haben die Rinder- und Schafbeständen in den letzten 20 Jahren deutlich um 15 Prozent bzw. um über 40 Prozent abgenommen. Die Zahl der in Deutschland gehaltenen Schweine hat im gleichen Zeitraum hingegen um gut 7 Prozent zugenommen. Insgesamt hat sich der Viehbesatz bezogen auf die landwirtschaftliche Nutzfläche in den letzten 20 Jahren von etwa 85 Großvieheinheiten (GVE) auf 78 GVE je 100 ha LF verringert. Seit dem Jahr 2005 ist dieser Wert allerdings relativ stabil.
Etwas weniger als 6 Prozent aller Großvieheinheiten werden in Betrieben ohne landwirtschaftlich genutzte Fläche gehalten. Die Unterschiede im Tierbesatz zwischen den einzelnen Bundesländern sind allerdings sehr groß. Das heißt, auch eine politisch gewollte Reduzierung der Tierbestände hätte in einigen Bundesländern deutlich stärkere ökonomische und strukturelle Auswirkungen als in in anderen. Das betrifft insbesondere die Hochburgen der Tierhaltung in Niedersachen und Westfalen – aber auch in Bayern.
Einem weitaus dramatischeren Rückgang als die Zahl der Tiere unterliegt die Zahl der Höfe – nennt man es nun Höfesterben oder lieber technisch neutral Strukturwandel. So ist die Anzahl der Rinder haltenden Betriebe in den letzten 20 Jahren um über 40 Prozent geschrumpft, bei den Milchbauern warfen im gleichen Zeitraum 60 Prozent das Handtuch und von den Schweine-Bauern gaben sogar 85 Prozent auf.
Tierbesatz mit großen regionalen Unterschieden
Am höchsten ist der Tierbesatz in den Veredlungsregionen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Dort werden GVE-Werte von 131 und 125 gemessen. Die Viehdichte ist damit etwa dreimal wie in den meisten ostdeutschen Bundesländern mit 37 bis 52 GVE.
In Rheinland-Pfalz und Hessen ist der Viehbesatz mit 43 bis 57 GVE ähnlich niedrig wie im Osten. Etwas geringere Werte als die Veredlungsregionen im Nordwesten weisen Länder wie Schleswig-Holstein und Bayern mit GV-Besatzdichten von 105 und 90 auf. Baden-Württemberg kommt auf einen Viehbesatz von 71 GVE.
Noch stärker als bei den Großvieheinheiten unterscheidet sich der Viehbesatz, wenn man nur die Schweinebestände betrachtet: Hier kommen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Besatzdichten von 697 bzw. 464 Schweinen je 100 ha Ackerland. In den ostdeutschen Bundesländern bewegt sich dieser Wert nur zwischen 77 Schweinen in Brandenburg und 123 in Thüringen.
Am geringsten ist die Haltungsdichte bei Schweinen in Rheinland-Pfalz mit gerade einmal 43.
Fleischverbrauch soll runter - über den Preis
Verbunden mit der Forderung nach einer Reduzierung der Tierbestände haben die Umweltverbände und Klimaaktivisten auch den Hinweis auf eine notwendige Senkung des Fleischkonsums. Dafür will man Fleisch verteuern – über eine CO2-Steuer in der Landwirtschaft und/oder über die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Einzelhandel. Vor kurzem hatten Agrarpolitiker von SPD und Grünen gefordert, die Mehrwertsteuer auf Fleisch von 7 Prozent auf 19 Prozent zu erhöhen.
Derzeit liegt der Fleischverbrauch in Deutschland bei rund 89 kg je Kopf und Jahr. Davon entfallen knapp 50 kg auf Schweinefleisch und 14 kg auf Rindfleisch sowie 22 kg auf Geflügel. Vor 20 Jahren hatten die Bundesbürger noch 94 kg Fleisch verbraucht und damit etwa 5 kg mehr.
Der Grad der deutschen Selbstversorgung lag nach den Berechnungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft (BLE) bei Schweinefleisch zuletzt bei knapp 120 Prozent, bei Rindfleisch bei 98 Prozent und bei Geflügel bei 99 Prozent.
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